(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 8. Jahrgang, Heft 1/2, 1958

Der Öd e n see ist ein großer, schwermütig-schöner Waldsee am Fuße j enes Teiles des Dachsteinstockes, an dem der Name „Finitz" in manchen Zusammensetzunge n hafte t. Vo n Bad Aussee ist er durch d as T a l der Kainisch-Traun am leichtesten zu erreichen. Diese Kainisch-Traun ist eine von den drei Quellgewässern des großen Flusses und entspringt im Ödensee . K eine felsigen H äupter . blicken auf das tief schwa rzbraune, moorige Wasse r. Dieser See ist d em Walde zu eigen. Seine St unde gehört dem Abend, wenn ein let zter Sonnenstrahl ihn vergolde t, und seine .Jahreszeit ist der H erbst , wenn die v\Tälder zu fl ammen beginnen . Wer dem H eroischen abhold ist, wer dem Pathos abgeschworen ha t, der wird an den Ges taden dieses in seiner Stille großen Sees Einkehr und Frieden finden. Ganz anders der Hint e r e G osa u-S ee. Sieht ma n vom Vo rderen Gosausee die Gletscher, so glaubt man in der felsigen Seemulde des innersten Talschlusses förmli ch ihren Atem zu verspüren, auch wenn sie unseren Blicken schon wieder entzogen sind. Der H errscher des in herber Großa rtigkeit von Schöpferhand entworfenen Bildes des Hinteren Gosausees ist der Torstein, j ener eigent liche Namensträger des ganzen Gebirges (denn Dachstein is t verbalhornt aus T ors tein = Donnerst ein ; „Donner " in der Bedeut ung von Gewitter) . Seine Nordwand dringt geradezu auf den Beschauer ein. Die H ohe Schneeberg- wand und das H ochkesseleck, ihr gegenüber zurückt retend, sorgen d ennoch für ein gerundetes Bild trotzig-kühner Schönheit. Der Kreidebach , der am großen Gosaugletscher entspringt, und, wenn dieser versiegt ist, a ndere Gletscherbäche ve rleihen d em See nicht selten ein m ilchig-grünes Aussehen, Anla ß genug für die Sage von den übermütigen Senninen, die mi t der M ilch unchristlich wüsteten, bis ihre Alm mit Schnee und Eis „über - gossen " wurde. Die Seen der Dachsteinhochfläche verdanken wohl alle ihren U rsprung dem schürfenden Eis. Noch heute kann man diesen Gestaltungsvorga ng am jüngsten Ei ssee beobachten, der sich am Zungenende des H allstättergletschers gebildet hat. Es ist für den landschaftsverbundenen Bergwa nderer ein Erlebnis eigener Art, wenn er sich den a rktischen Na turwundern des ,, Gle tscherbrüllens " , wenn die Eisdecke zerbirst, des „Gle tscher- kalbens " , wenn ein Eisberg in den See abgesto ßen wird, Aug in Aug gegenübersieht. All die H ochflächen der ü brigen Gebirgs- stöcke der K alka lpen lassen nur mehr ahnen , was am Dachstein noch Wirklichkeit ist. Dieses „Noch " ist die zitternde Freude des um das Schwinden der Gle tscher Wissenden. U ndurchsichtig ka lt schon in der Farbe, dehnt sich dieser jüngste und höchstgelegene Salzkammergutsee zwischen blaugrünem Gletschereis und rö t- lichgrauer Stirnmoräne, oft bedeckt mit Ei sscholl.en und t re ibenden Eisbergen. Vom Taubenka r, etwa zweihunde rt Me ter un terha lb des j etzigen Gletscherbruches gelegen , grüßt der ä lt e r e E i ssee herauf, in den zu Simonys Zeiten sich der Gletscherstrom des Karlse isfeldes ergossen hat. Er gleicht einem ma ttgeschliffenen Türkis, der von seinem Nachfolger achtlos beiseite geschoben wurde. In der K argheit seiner trostlosen Umgebung wird er, abseits von den Touristenpfaden, kaum mehr gesehen und beac htet . Fünf Namen führt der See, der mit seinen 1820 Meter nach dem unteren Eissee an M eereshöhe alle übrigen des Sa lzkammergutes hinter sich läßt. Simony na nnte ihn Grünsee . H eute wird er nach dem Aufstiegsweg, der von der R amsau aus über den Lodenwa lker durch das Silberkar führt, meist Silb e r k a rs ee gena nnt. Daneben kommen auch die Bezeichnungen Kratzer -, Höllgraben - oder auch Hölltalsee vor. Alle diese Namen sagen etwas von seinem Wesen aus : Grün ist das schneekla re, bis auf den Grund durch- sicht ige Wasser. Bei „Kra tzer" denken wir an das Geräusch der Bergstöcke und Nagelschuhe auf dem mühsamen Weg über Felspl atten und durch Geröll, auf dem wir von der Brünnerhütte entweder hoc h über dem See oder an seinem Ufer vorbei zur Feisterscha r te aufsteigend zum Guttenbergha us gela ngen . v\Tir müssen durch den Höllgraben oder das Höllta l, in das der See eingebette t ist. K ein Almfrieden, keine Labsal erquickt hier den Wanderer. In di eser Mondla ndschaft ist die beinahe absolute R uhe, das Schweigen des T odes. Den Gemsenj ägern und Alm- hi r ten mag das unwirtli che Seetal wie das Tor zur Hölle erschienen sein, das sie lieber mieden, wenn es galt, versprengtem Wildbret nachzupirschen oder ein verirrtes Schaf zu suchen. Aber gerade dieser See hütet ein wunderba res Geheimnis. Es verbirg t sich im Namen Silberka r : hier blüht, an den Südhängen zumal, der silbrige Stern des Edelweiß . Etwa gleich groß an Ausdehnung wie der Silberkarsee ist der A h o rn see . Man gela ng t vom Tal aus zu ihm entweder über Weißenbach im Ennsta l, wobei der Weg a n dem vielgerühmten Gra denbachfa ll vorüberführ t, oder über den Tropfkogel und den Sagbauersprung, oder von Aich-Assach her. Von der Brünner- hütte führ t ein bequemer Weg über den Kimpflingsa ttel u nd steig t noch vor der Grafenbergalm zu ihm a b, ohne die zwei kleineren und den größeren G r a f e nb e r gsee zu berühren. Zwa r wachsen am A h o rn see ka um mehr die rotgerindeten, grünbemoos ten Bergahornen , dafür Lä rchen, zerzauste We tter- ta nnen und Zir ben in j enem lichten Bes tand, der den einzelnen Baum zu se iner vollen En tfaltung bring t. Dieses parkartige Vege- ta tionsbild zusammen mit den schönen Felsenszenerien seiner Umgebung ve rleihen dem Ahornsee eine fas t feierliche, südlän- disch-antike Note . K aum trübt unerwünschter Besuch diesen Smaragdsee, der manches Geheimni s mit dem Silberkarsee t eilt. Der dritte größere Bergsee des Dachsteins liegt schon weit im Osten der hier K ammergebirge gena nnten Hochfläc he . Es ist der waldumschlossene, ernste Mi es b o d e ns ee (1416 m ) im Norden der K ammspitze . Er kann von Gröbming über Weiern und die R ahnstube oder von Mitterndorf durch den Klausgraben über die R asselbac halm erreicht werden. Die weiteren kleinen Seen des Dac hsteins sind so zahlreich wie namenlos . Man sucht sie nicht um ihrer selbst willen auf, sondern kommt zufällig, aus irgendwelchen Umständen an ihnen vorbei. Manch einer von ihnen mag j ahrela ng ungesehen und sein U fer unbetre ten bleiben und es würde nicht überraschen , wenn man noch einen en tdeckte, der vorher in den K a rten nicht eingezeichnet wa r. In diesen kleinen Seen öffnet sich die Landschaft und ver- mählt sich mit dem U niversum, das sie im Licht d er Gestirne widerspiegelt. Mit ungezählten Augen blicken sie so in die U n- endlichkeit und ri chten an sie die unbeantwortba re Frage, was wohl die Bes timmung ihrer Einsamkeit inmitten der Stein- und Schneewüsteneien der kosmischen Landschaft sei, in die sie ein- gebette t liegen. In ihrer U nschuld scheinen sie alle - der Schwa rz- see, der K arsee, die kleinen Finitzseen , die Hirzka r-Seelein, di e Seen am Däumel und am Rumple r, auf der Gjaidalm und am Ursprungkogel, wer könnte sie aufz ählen . . . - insgesamt scheinen sie nur sagen zu wollen: wir sind da, erquickt und labt euch an uns. Dies a ber wollen sie alle, die kleinen U nbekannten , die manchmal V erschmähten und scheinbar Unerreichbaren , daß sie doch eines Tages entdeckt werden und daß sie Freude spenden dürfen j enen, die sich ihnen behutsam, ehrfürchtig und liebevoll nähern. AUSSPANNEN ERHOLEN UNTERHALTEN IN GMUNDEN AM TRAUNSEE PROSPEKTE KURVERWALTUNG TELEFON 3 0 5 11

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