(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 7. Jahrgang, Heft 1, 1957

MAX BAUBÖCK EIN ALTER MARKT· EINE JUNGE STADT ZUR HUNDERTJAHRFEIER DER STADTERHEBUNG VON RIED Ried im Innkreis, einer der drei Eckpunkte und wohl noch immer der wirtschaftliche Scheitelpunkt d es lnnviertler Städtedreiecks, ist wirklich erst seit hundert Jahren Stadt! Freilich, a ls es mit kaiserlicher Entschließung vom 20. November 1857 zur Stadt erhoben wurde, war es bis dahin mit 464 Häusern und 375 1 Ein- wohnern „der größte Markt Österreichs" (und nicht bloß Ober- österreichs) gewesen. Und wenn man die Einwohnerzahlen für frühere Zeiten, a ls es noch keine amtlichen Volkszählungen gab, aus der Besetzung mit „lebenswichtigen" Handwerken ablesen darf, so gab es im Markt Ri ed des 17. Jahrhunderts jene sprich- wörtlichen „ 13 Bäcker, 13 F leischhauer und 13 Bierbräuer", in den alten Städten Braunau und Schärding nur deren zehn bis zwölf. Es ist eine wohlbegründete Annahme, daß die völlige Zerstörung durch Rudolf den Stifter im Jahre 1364 Ried in seiner Entwicklung für mehrere Jahrzehnte so zurückgeworfen hat, daß es nicht mehr Anschluß an das Zeitalter echter Stadtbildung und Stadterhebungen fand. Gerade in der Stadterhebungsurkunde für Schärding vom selben Jahr und vom selben österreichischen Herzog steht: ,,Als wir zogen und ausritten in das Land zu Bayern vor die Veste Ried, die wir mitsamt dem Markt und was dazu gehört, mit Gewalt gewonnen und gänzlich gewüstet (zerstört) haben"; daß dagegen das von Bayern an Österreich verpfändete Schärding dafür, daß es tapfer zu Rudolf gehalten hatte, von ihm aus dem „mit einem unwehrlichen Zaun befestigten Markt" zur Stadt erhoben werde. 1!\las dem einen sein U hl ist, ist dem andern sein Nachtigall! Die Rieder haben es niemals geltend gemacht, daß sie damals eben ihrem angestammten bayrischen Herzog die Treue gehalten . Sie haben keine Regreßansprüche gestellt, sondern haben ihren Markt unverdrossen wieder aufgebaut, durch Schaden klug geworden, di esmal in größerer Schutznähe der Burg - und sind für weitere 500 Jahre Marktbürger geblieben. Förmlich so lange, bis es schon anstandshalber damit nicht mehr weiterging. Der Ma rktcharakter Ri eds reicht a lso sehr weit in die Neuzeit herein , und es mag merkwürdig erscheinen , daß es auch bei den mehr oder minder künstlichen Stadterhebungen honoris causa, wie sie in den folgenden J ahrhunderten meist aus fürst lichem oder adeligem Ehrgeiz stattfanden, nicht zum Zuge kam. Die Ursache: Die in der Folge errungenen märktischen Privilegien Rieds unterschieden sich kaum von denen einer Stadt, ja die Rieder konnten sich dabei sogar besser fühlen. Zum Unterschied von anderen bayerischen Städten , die zwar einen frei gewählten Bürgermeister, aber einen vom H erzog eingesetzten Stadtrichter hatten, war das einzige bürgerliche Oberhaupt Rieds , der Marktrichter, immer frei gewählt, und die niedere Gerichtsbarkeit gehörte ausschließlich dem Markte zu. Und schließlich war Ried neben den Städten und sonst nur noch einem Markte auch im bayerischen Landtag mit einem Ab- geordneten vertreten. Wenn man am Eingang einer kurzen Biographie Rieds seine Geburtslage betrachten will, das heißt , warum gerade an dieser Stelle eine größere Siedlung entstand, so ist dafür geographisch bestimmend gewesen, daß sich in und knapp hinter Ried die drei vom Nordabhang des Hausrucks kommenden Bäche Oberach, Breitsach und Antiesen vereinigen und von da an gemei nsam ihre Wasser in einer sich verbreiternden Flußebene dem Inn zu - tragen. Die Straßen folgen zwar auch heute nach mancher Teil- regulierung noch nicht ·durchwegs den vielfach gewundenen Flußoberläufen, sondern ziehen vielfach über di e Hügel, aber sie berühren die in d en Tälern liegenden Ortschaften und zentrieren sie und natürlich auch die Antiesenebene verkehrsmäßig nach Ried hin. Vielleicht hätte der eine Stunde nördlich von Ried liegende Markt Aurolzmünster dieselben oder noch bessere Vor- bedingungen gehabt, aber er war ein herrschaftlicher Markt, Ried dagegen ein landesfürstlicher, und damit tritt zu den na- türlichen Gegebenheiten auch eine verwaltungspolitische, wie sie sich in der etwa um 1340 anzusetzenden Errichtung emes herzoglichen Landgerichtes Ried ausdrückt. Die historische Geburtsstunde Rieds ist nicht so einfach aus- zumachen, wie es die bekannte Rieder Gründungssage von Dietmar dem Anhanger haben will , die übrigens eines der schön- sten heimischen Sagengüter ist und in dem „Volksbuch von Barbarossa" von 1519 sogar in das Dornenges trüpp der deutschen Kaisersage mitverwickelt wurde. Nach ihr hat der aus dem Kreuzzug Barbarossas mit Ehren zurückgekehrte Müllerssohn Dietmar im Jahre 11 99 den Markt Ried auf einem ihm vom Bayernherzog geschenkten Platze erbaut. Demgegenüber er- scheint schon ein halbes J ahrhundert früher in den Reichers- berger Traditionsbüchern ein Herrengeschlecht „de Riede", das also die Burg Ried innehatte, und um 11 80 werden bereits ,,urbani de Riede" genannt, das sind nun keineswegs Stadt-, aber vielleicht doch schon Marktbürger. Auf unbekanntem Wege, vielleicht durch Heimfall, kam die Veste (castrum) Ried um 1200 in den Besitz der bayerischen Herzoge. Für die weitere Geschichte Rieds wird nun b es timmend, daß das lnnviertel immer wieder strittiges Grenzland zwischen Österreich und Bayern war. Im besonderen , daß Ried a ls vorgeschobener bayerischer Posten nur eineinhalb Stunden von der Grenze (bei Geiersberg) lag und jeweils den ersten österreichischen Ansturm vor den lnnstädten Braunau und Schärding auszuhalten hatte. Zwischen diesen sich immer stärker ausbildenden landesfürstlichen Territorien war die Zugehörigkeit des Innvier tels im Hochmittel- a lter noch durchaus ungeklärt. Beide H erzog tümer hatten die Tendenz, die dazwischenliegenden reichsunmi ttelbaren Gebiete, wie die der Andechs-Meranien, der Ortenburger, der Schaun- berger, aufzusaugen. Österreich woll te mindes tens di e lnnlinie erreich en, Bayern das Vorland davor behaupten. Als dritter interessierter Faktor kamen noch die geistlichen Fürstentümer Salzburg und Passau hinzu. Schon zum Jahre 1266 wird berichtet, daß Ottokar von Böhmen, der damalige Inhaber Österreichs, in seinem Kampfe gegen Bayern die V es te Ried eroberte. Und wiederum, 1310, Herzog Friedrich der Schöne, dem sie der Burggraf H einrich von Ahaim nach vierzehntägiger Belagerung übergeben mußte. Im Tiro- lischen Erbfolges treit (Margarete Maultasch) war Georg von Ahaim Leiter der Verteidigung gegen Rudolf d en Stifter, die mit der schon erwähnten Katastrophe von 1364 endete. Jedesmal waren Ried und das lnnviertel in den folgenden Friedensschlüssen an Bayern zurückgefallen, und 1379 kam es in einem auf der Burg Ried geschlossenen Ve rtrag (wir müßten ihn als den Ersten Rieder Vertrag von dem bekannteren von 1813 unterscheiden) zwischen dem österreichischen H erzog Albrecht III. und den bayerischen H erzogen Stefan , Friedrich und Johann zur end- gültigen Festlegung der Gi-enze zwischen Österreich und Bayern, nachdem das Schaunberger Ländchen schon so gut wie völlig von Österreich aufgesaugt worden war. Damit war endlich Luft geschaffen für eine ruhigere Entwicklung des Marktes Ri ed im Schoße des bayerischen Herzogtums. Wenn wir annehmen wollen, daß di e früheren R echtsurkunden des Marktes Ried in der Katastrophe von 1364 zugrunde gegangen sind, so enthält das erste erhaltene Privilegium von 1382 nicht etwa eine Marktrechtsbestätigung, sondern d en aus dem Zu- sammenhang gerissenen und fast bedeutungslosen herzoglichen Gnadenerweis, daß „Marktrichter und Gerichtsschreiber von Ried nicht schenken sollen in dem Markt", das heißt, daß diese Amtsausübungen unvereinbar seien mit der Ausübung des Wirts- gewerbes. Aber diese Urkunde setzt immerhin den Bes tand eines Marktgerichtes voraus. Im 15. Jahrhundert häufen sich dann die Privilegien, so 1416 di e Bewilligung zweier Jahrmärkte mit Freiungen, daneben überhaupt Verleihung „der R echte und Freiheiten, wie sie Landshut und andere Städte in Bayern haben" 43

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