(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 7. Jahrgang, Heft 1, 1957

W A L T E R K A S T E N EGON HOFMANN ALS MALER DES MÜHLVIERTELS Ape ll es, dem Hofma ler Alexander des Großen, wurde nachgerühmt, er verstünde Trauben so naturwahr zu malen, daß selbst die Vöge l sich täuschen ließen und versuchten, davon zu naschen. Dieser e rste Tr iumph des Naturabbildens stand am Ende der großen griecl1ischen Kulturepoche, g ing a ls He ll enismus in die römiscl1e Welt e in und mit diese r zug runde. Auf den Trümmern des antiken Rea li smus baute sich eine Kunst der bedeutungsvo ll en Form, ähn li ch der ant iken Archaik auf, die in der Romanik ihren weithin- wi rkenden Ausdruck fand. Mit der Ren aissance der an- t iken We lt, dem Ein tri tt in das 11 wissenschaf tli che Zeitalter", erstand der Realismus wieder aus seinem tausendjährigen Dauersch laf und brachte etwa in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts neue 11 Apel lese" hervor, deren Trauben denen ih res Urahnes in nichts nachstanden. Dazu brachte die Entdeckung der Zentralperspektive e ine zauberhafte We ite und Ti efe in di e sich se lbständ ig eta- b! ierende Landschaftsmalere i, d ie zuvo r noch keines Men- schen Auge erblickt hatte. Es müssen Sensationen gewesen se in, ung le ich stä rker, a ls sie heute durcl1 die kinomato- graphi sche Breitwand verm ittelt werden, d ie ja nichts we iter ze igt als eine phototechnische Wiede rho lung der naturali st ischen Male rei, die, wenn sie heute noch von Ma- le rn geübt w i rd , woh l kaum noch Anspruch auf Gü ltig ke it erheben kann. Sowe it w ir da s heute scl1on se lbs t beurtei len können, sche int mit dem Ubergang ins zwanz igs te Jahrhunder t der Materialismus a ls Spätgeburt des 11 rat ionalen Zeitalters" ausge lau fe n zu sein. Wir treten in Räume e in, in denen das Irrat iona le, Metaphysische lebensformend zu werden scheint. In der Malere i unserer Ze i t ist d iese Entwicklung be rei ts sichtbar vo ll zogen. Deutli ch drückt sich dieser neue Ge ist in der kirchli chen Kunst aus, d ie jetzt w ieder echte Kult- und Andachtsbi ldwerke von bedeutender, inhal ts- trächtiger Form zu geben vermag. Er wu rde aber auch Er- eignis in e inem Ma le r w ie Ga uguin, der be i den Primiti ven neue Gehalte für se ine Bil der finden wo llte, in e inem van Gogh, der se ine See le in seine Landschaften ve rströmte, in e inem Franz Marc, der im Erscl1ließen von mal e ri schem Neuland 11 he ili gen Boden" zu betreten g laubte, und ei nem Pau l Klee, dessen Bilderwelt sich im Irrationa len bewegt, e inem A lfred Kub in, dessen dämoni sierte Traumwe lt eine Flu t von Bi ldern aus innersten, verbo rgenen Bere ichen her- vo rbrechen li eß, und scl1ließl ich im Auftreten ei nes Picassos, der den Menschen und se ine Realität ze rtrümmer t, im g leichen Atem eine neue Formenwe lt aufbaut und für neue Au fgaben, d ie der Kunst aus dem neuen Geist zuwachsen, be re itste llt. Wie ve rhä lt sicl1 nun abe r in d iesem Kun stwo ll en der Mal er zur Landschaft, die immer ein Stück Natur, eine Realitiät darste llt? Das Abb i lden und Schi ldern der Landschaft wurde mit dem Impress ionismus zur Wiede rgabe von Licht- und Farbeindrücken, und am Ende war die Landschaft in glanz- vollem Untergang in einen zauberhaften Rausch von Licht und Farben aufge löst. Von da aus war es nur e in kle iner Scl1 ritt zu der Er kenntnis: Auch das Licht w ird au f der Le in- wand mit Farbe erzeugt und mit Farbe alle in ; zusammen - gehalten ode r zertei lt durch Linien, durcl1 Ze ichnung, w i rd mit ihr ein Bi ld bewi rk t . Di ese Binsenwahrheit, die heute fast banal erscheint, stand im Mitte lpunkt hit zigste r De- batten unter den Künst lern, d ie schließlich d ie Abkeh r vom Naturabbi lden, nicht aber von der Natur bes iege lten. Di e Natur mußte 11 er lebt" werden, ehe sie zum Bil d we rden konnte, 11 e rfüh lt" und 11 ausge lotet". Die Landschaftsmalere i wurde zur ind ividue ll en Ause inande rsetzung des Künst le rs mit der Natur. 11 Wenn Sie Blumen haben wol len, müssen Sie sich we lche beim Gärtner kaufen, ich kann Ihnen keine vo rzaube rn ", hi eß es nun, und ) eh kann Ihnen nur me i n Bi ld von Blumen machen". Oder 11 Wenn Sie e ine Landschaft wo ll en, dann müssen Sie hineingehen, von mi r können Sie nuI· m e in Bil d e iner Landschaft haben". Dami t war das Bild als schöpfer ische Tat von der Natur losge löst, w ie es Cezanne geformt und van Gogh ge lebt hatte. In d iesem Ge ist tritt der Landschaf tsmale r um die Jahr- hundertwende an, und in ihm ist Platz für a ll e, die etwas zu sagen haben, für jeden war Raum gegeben, sich in seinen Bil dern auf sei ne We ise zu ve rwi rkl ichen. Aus der großar ti g schill ernden und blendenden Art ist ik des spä ten Naturali smus war e ine inhaltsträchtige Mitte il ung von Mensch zu Mensch geword en. In di esem Ge ist begann auch Egon Hofmann. Er ve rbrachte se ine Lehrjahre an den Akademien in Stu ttgart und Dresden, nachdem e r zuvo r au f väter licl1en Wunsch se inen Doktor juri s erworben hatte, und ge ri et da mitten in heft ig be- wegte Diskuss ionen um die neuen Wege, die es fü r d ie Ma lere i zu suchen ga lt, ebenso aber auch in eine st renge Lehre handwe rkli chen Könnens. Es war d ie Ze it kurz vor dem e rsten Wel tkri eg, in de r sich die entschei denden Wen- dungen zu r Kunst unse re r Tage vol lzogen. In München hatte sich 11 Der Blaue Re iter" kons tituiert, in Dresden " Di e Brücke", Künst le rve re ini gungen, deren Mitgli ede r den großen deut- schen Be itrag zur Kunst unse rer Zeit li eferten, den deut- scl1en Exp re ss ioni smu s, de r vor v ier Jahren in e iner Aus- ste l lung in Luze rn We ltge ltung erringen so llte. Vi e r Jahre, von 1908 bis 1912, studi er te Egon Hofmann an der Stutt- garte r Akadem ie und von 1912 bis zum Au sb rucl1 des 33

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