(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

ühlviercel und Böhmerwald gehören zu den älte- sten Teilen des Kontinents; ihre Ent stehung liegt im erdgeschi chtlichen Altertum. Dieses einstige ,, Va r isz,ische Gebirge" bildet heut e die mitteleuro- päische Waldbergzone, die im Schwarzwald ansetzt und sich über Odenwal d, Spessart und die Höhen um den Mai n bis zum Fichtelgebirge erstreckt, dann gegen Osten den Bayri- schen und Böhmerwald bildet. Der österreichische Anteil zieht sich von den Gr,enzlandbergen am Südrand der Tschechoslowa- k,ei als Mühl- und Waldviertel an die Donau und wird in seinen äußersten Auslä ufern vom Strom durch schnitten. Es ist ei ne einsame Hochwaldl andschaft, die tief ei ngeschn itten,e Täler mit eisenh ältigen Gewässern durchfurchen. Der empfi ndsame Wan- derer schreitet über diese Kämme in bes innlicher Scha u und wi rd in den menschenleeren Wäldern selbs t stumm und aus ti efs tem Seelengrund beruhigt. Nicht wie in den „jungen" Alpen, wo zwischen kühnen Felstürmen \V-asser zu Tale tosen, Wolken um Gipfel jagen und de r Sturm in den Karen rumort , wo alles in Bewegun g erscheint und der Mensch in hoher Span- nung den Berg erlebt, ist hier das Land. Sti lle, dunkle Wässer gurgel n in ihrem Oberlauf langsam durch Hochwi esen, bahn en sich dann ihren Weg durch die kühlen Waldun gen und errei - chen mei st im schl uchtarti gen Unterlauf den breiten Strom. Das Müh lvierte l wird durch den Haselgraben in ein oberes, wes tliches, und ein unteres, ös tliches, getei lt. Der Name selbst stammt von der Großen und K lein en Mühl, die im südlichen Böhmerwald entsprin gen. Mittleres Mü hlvie rtel wird die Um- gebung des Haselgrabens genann t. Das wes tli che Mühlviertel hat im Böhmerwaldgi p fel des P löckens teins (1378 m) seine höchste Erheb ung, das östl iche im Viehberg (1111 m) im Raume vo n Freistadt und das mittlere im Sterns tein nördlich von Linz (11 25 m). Wie schon bemerkt, durchschneidet im Süden die Donau di e Ausläufer dieser Waldbergzone in dem e in samen St romtal zwischen Passau und Li nz. Im Aschach-Eferdinger Becken und im Mach land bei Perg sind den Höhen fruchtbare Ebenen vor- gelagert. Die Mühlvier tler Orte li egen zumeist in aussich ts- reicher Lage und durchschnittlich weitaus höher als die Sied- lungen im Salzkammergut un d P yhrnbahn gebiet (vielfach 600 bis 800 Me ter, Sand l und Liebenau, die beiden höchstgelegenen Orte Oberöst,er reichs, sogar 953 und 960 m). Das Land wird vo n einem ruhi gen, -ernsten, bäuerlichen Menschenschl ag be- wohnt. Außer der Lei nwanderzeugun g im nordwestlichen Mü hl viertel sind große Granitb rü che bei Mauthausen und di e Kao linfunde das w irtschaftliche Rückgrat des Landes, dessen bäuerlicher Ertrag im wesentlichen nur zur Deckung des Eigen- AND MOHLVIERTEL Photos: Ell i Haidinger-Fürböck Kuppe reiht sich hier an Kuppe, und in weni gen Vie rtelstunden blickt der Wan derer, der aus den Tälern zu den Höhen steigt , über ,veitgedehnte Hochrücken. Sti ll steht der Wald, Und von ferne grüßen im Süden die hellen Felsflanken der Ka lkkette der Nordalpen den greisen Urahn der europäischen Berge. Auf wuchtigem Grani tfel s thronen Schlösser und Ruinen über dem Land, eine immer im Bli ckfeld der anderen, einst so gebaut zur gegenseitigen Warnung und Verständigung, wenn der Pe ind ins Land kam. Kaum einen halben Tag dauerte es, bis die auf den letzten Höhen um den Wienerwald aufl euchtenden Plam- menze ichen - von Burg zu Burg weite rgegeben - auch im hin tersten Böhmerwald verstanden wurden. Heute liegt Frieden über dieser buckligen Welt, und sie ist da s bill igs te Wanderl and des Frühlings und des Herbstes gewor- den, der Aufenthaltsraum für die vielköpfi ge Familie, da s \Yand erl and der Alteren, di e langsam über e in paar Hügel schreiten, aber auch der Jungen , die es in tagelangen Märschen stark und froh erleben. Es ist das Wande rl and fi.ir jeden, der Sinn hat für die vielgestalti ge, unerschöpfliche und immer reiche Natur in den Waldbergen. '\Xf ie in seine r Gestaltung und sei nem Formenreichtum birgt es auch in unendlicher Vielfalt Zeugen vergangener Kulturepochen , wundervolle alte Städte und prächtige Kirchen aus allen Stil- perioden der abendländischen Kunstgeschichte. bedarfes dient. D ie Elektrizi tätswirtschaft holt noch aus den Stauwerken von Ranna und N eufelden Kraft für di e groß- städtische Industrie. Der äußerste Nordwesten, jene Berg landschaft, die als Böhmcr- ·wald bezeichnet wird, ist die Heimat Adalbert Stifters . Sein ,,Hochwald" hat den Absch nitt zwischen Plöckenstein-Plöcken- steiner See und Ruine W ittinghausen - e ine \Valdbergzonc , di e heute im Tschechischen li egt - weltbekannt gemacht . Die Staatsgrenze verläuft zumeist über die Bergkämme und nur im Raum des Sternsteins geht sie weit auf di e Nords-eire, so daß hier umfassende E inbli cke in den südböhmi schen Raum gegeben si nd. Der Kamm des Böhmerwaldes - über den seit vor- geschichtlicher Zeit uralte Ve rkehrswege führen, und der auch vo n der ersten Schienenbahn des Kontinents übersetzt wu rde - ist eine europäische Hauptwasserscheide . A lle Flüsse südlich von ihm fließen zur Donau. und damit in das Schwarze Meer, die nördlichen in die Moldau und somit in die Elbe und in die Nordsee. Diese kleinen Bäche sind auch hervorragende Forel- lcngewässe r. Drei Bahnlinien erschließen das gesamte Gebiet von Linz aus, und zwar die 60 km lange Mühl kreisbahn n ach Aigen, die Donauu fe rbahn über Linz-St. Valentin-Mauthausen-Perg -Grein und die transkontinentale europäische Nordsüdstr ecke Linz-Freistadt-Budweis mit den jetzt allerdings sti ll gelegten

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