(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

DIE BEDEVTVNQ DER ENNSl<RAFTWERl<E FOR DIE OSTERREICHISCl--1E ENERC;IEWIRTSCHAFT Um die Aufgabe, die den Ennskrafcwerken im Rahmen der österreichischen Energiewirt- schaft z ufällt, deutlich z u machen, se i es vor- erst gestattet, einen überblick über die ener- giewirtschafcliche Gegenwartssituation und iiber di-e voraussichtliche künftige E ntw icklun g 7.u geben. Die derzeit für die Stromerzeugung haupt- sächlich in Betracht kommenden Rohenergie- träger, wie Wasser, Kohle, Erdö l und Erd- gas, sind auf d er Erde se hr ungleichmäßi g verteile, und die einzelnen Staaten verwenden in der Hauptsache jene Rohenergien, di e auf ihrem Gebiete z ur Verfügung stehen. Der zwischenstaatliche Austausch von elektrischer Energie, also Stromexport und -import, ist mengenmäßig sehr gering, wobei neben ande- ren Gründen die verhä ltni smäßig großen Kosten des Stromtransportes sehr wesentlich sind . Uagegen spielen bei der Übertragung hoher eleKtr.ischer Leistungen technische Schwierigkeiten keine grö!Sere Ro lle mehr, denn es Desceht heute ein einheitliches 220-k V- Hochspannungsnetz von Neapel bis Hanno- ver und von Nantes bis \vien. 1n Europa beträgt der zwischenstaatlich e Energieaus- tausc(1 ca. 2 Prozent der Gesamterze,ugung und Jl1 den anderen Ländern der Erde ist er bedeutungslos. lleim Vergleich der Rohenergien spricht für die \'v'asserkra fc ei n nicht hoch genug zu wer- tend er Vortei l : \Vährend sich Kohle, Erdö l und Erdgas bei der Verwendung vollkommen verbrauchen, stehe sie uns in d en von der Natur gese tzten Grenzen alljährlich erneut und ungeschmäl ert z ur Verfüg un g. Trot z dieses Vorzuges und der großen Forc- schritt e, die der Ausbau der Wasserkräfte auf der ganze n Welc mache, stammen derz,eic in Westeuropa noch immer ca. 64 Prozent, in den USA 80 Prozent und in Sowjetrußland ca. 84 Prozent d es erzeugten Stromes aus Wärmekraftwerken. Es stehen eben in vi elen Ländern au sbauwürdi ge Wasserkräfte nicht in jenem Ausmaß z ur Verhigun g, in dem sie gebraucht w ürden und ihre ,geraume Zeit er- fordernde Ersch ließung kann auch vielfach nicht mit der stü rmi schen Zunahme des Ener- gieverbrauches Schriee halten. ln Osterreich selbst nimmt die Wasserkraft unter allen Naturschätzen, die wir besitz en , den höchsten Rang ein, denn das Arbeitsver- mögen derse lben stelle, wenn man di e er- sparte Kohle zum heutigen Prei s z ugrunde legt, einen \'verc für unser Gesamtpotential von jährlich 6,4 Mi lliarden Schil ling dar. Die- ser \'verc stehe uns aber, wie bereits früher erwähnt, a uf unabsehbare Zeiten alljährlich z ur Verfügung, während un sere Kohlen- und Erdölvorräte bei der jetzigen Förderung schätzungsweise nur für 50 Jahre reichen. Wie groß verhältnismäßig der Bes itz Oster- re ichs ~n \'vasserkräfcen ist, zeigt der folgende Ver-g leich des spezifischen europäischen Vor- kommens, das ist das jährliche, in den einzel- nen Staaten auf den Kopf .der Bevölkeruno- bezogene und in Kilowattstunden ausge~ drückte Arbeitsvermögen ihrer we ißen Kohle: Osterreich 5800, 1 Italien 1070, Schweiz 5700, \V es tdeutschland 380 Jugoslaw ien 3900, Großbritannien 180. Frankreich 1400, Osterreich hat dabe,i noch nicht einmal em Viertel sernes Wasserkrafcpotencials erschl os- sen, während alle anderen Länder mit Aus- nahme Jugoslaw iens derzeit ·schon über di e Hälfte nutzen. Wir besitzen daher noch gro ße Reserven an a usbauwürdigen Wasserkräften, ein Vorteil, der sehr hoch ve ranschlagt we r- den darf. D ie österreichische Stromerzeugung des Jahres 1955 betrug 10,8 Mill iarden Kilowattstunden, vo n denen 7 4 Prozent aus Wasserkraftwer- ken und der Rest aus Wärmekraftwerken stammten . Die Scromprodukcion d er fünf Ennskraftwerke Großraming, Ternberg, Ro- senau, Staning und Müh lrading erreichte im gleichen Jahre 824 Millionen I~ ilowa ctstun- de n, das sind rund 8 Prozent der österr eichi - schen Gesamtaufbringung an elektrischer Energie. Die Ennskraftwerke-AG steht damit in der vordersten Reihe der Elekcnizitäcs- Versorgungsunternehrnungen unse rer Heimat, und die Enns-Energie ist - obwohl sie erst 1946 mit der Inbetriebnahme des ersten Ennskraftwerkes zum erstenmal der Strom- erzeugung dienstbar gemache wurde - ein w ichtiger und nicht mehr wegzudenkender Faktor in der österreichischen Energiewirt- schaft geworden. Obwohl E lektri z ität als physika li sche Er- scheinung immer die gleichen Eigenschaften besitzt, ste lle sie im wirtschafclichen Sinn e keine homogene \'va re dar, sondern man mi ßt ihr je nach Umständen eine ve rschi edene Wenigkeit zu, und zwa r: 1. Der Transport von elekcriischer Energie er- fordere wegen der hohen Aufwendungen, welche die Leitungen und Verceilungseinrich- mngen beanspruchen, und wegen der unver- meidli chen Leitungs- und Umspannverluste nicht unwesentliche Kosten, die im all gemei- nen mit der Encfernung proportional steigen. Elektrische Energie ist daiher von di esem Standpunk te aus ·um so hochwertige r , je näh er der E rzeugungsort zum Verbrauchsgebiete li ege. 2. E lektrizität selbst kann nicht gespeich er t oder gelagert we rden. Ihre Erzeugung mul~ sich daher immer ,im Moment des Verbrauch es vollziehen. Demgegenüber können aber di e Rohenergieträger, welche der Stromproduk - tion dienen, also Wasser, Kohle und Erdö l, gespeichert bzw. gelagert wer,den. E lektrische E nergie ist vo n diesem Gesichts- punkte aus um so hochwe rtiger, je besser di ~ Erzeugungszeiic in die Zeit der Belastungs- spitze n fällt oder in diese durch Lagerun g bzw. Speicherung des R ohenergi eträg-ers ver- lage re we rden kann. Diese Frage spiele in der Elektnizitäcswirt- schafc ein e über ragende Rolle, wei l einerse ies der Stromverbrauch sowohl jahreszei tlich al s auch im Tagesablauf stark sch wanke, und z.um anderen, we il ein Teil der Kraftwerk e, we lch e d en Gesamtbedarf decken (in O ster- reich ca. 50 Prozent) an strömenden Ge- wässern li egen, -deren Wasserführ,ung ni cht gespeichert werden kann. Di ese Are von Kraf twer ken kann daher die Energieproduk- tion nur in einem der jewe iligen \V'asse r- führung (Zulauf) des F lusses encsprechend en J\ usmaße vornehmen. Man nenne sie d eshal b Laufkraftwerke. Hinsichclich des wechselnden Stromverbrau- ches .ist es ja vollkommen ein leuchtend, daß im Winter , wenn zum Normalverbrauch zu- sä tz lich der z u diese r Ze it v iel stärkere Be- leuchtun gs - und Wärmebedar f tritt, die Be- last un g im Verbundnetz wesentlich stärk~r ist a ls im Sommer. Auch im Ve rl a uf emes Jeden Tages sch wanke der im Verbundnetz zum A usdruck kommend e wech selnde Bedarf, denn des Nachts, we nn ein Großteil -der In- dustrien und d er G ewe rbebetriebe sci ll scehc, ist d er Verbrauch wese ntli ch geringer als am Tage, wenn a ll es auf Hochtouren läuft. Scarklasc z u Sehwach las t verhält sich der ze it im österreichischen Verb undn etz, in dem alle Str omerzeuge r und -verbraucher z usammen- gefaßt sind, wie 12 : 8. . . Betrachtet ma n die Stromproduktton c,er E nn skr a fc we rke nach der örtlichen Lage, so kann ma n sie a ls „bedarfsnahe" und damit hir den inn erösterr eichi schen Verbrauch als hochwert ig beze,ichn en. Liege doch d er Enns- flul1 im Ze ntrum des ös terreichi schen Energie- groß ve rbrauch es, das ist der durch Bevölke- rungs dichte und lnduscri ekon zentration_ be- stimmt e Raum vo n Wie n, das oberste1nsche lnduscri egehi et und das Industriegebi et von Lin z. Die E nn skrafcwerk e sind -daher in der Lage, Libe r kür zes te Leitungen und mit den geringsten Übertrag un gsve rlust en den gekenn- zeichn et en Raum z u ve rsorgen. Jn ze itli cher I-'Iin sichc mü ssen die Ennskrafc- we rke im .Jahresablauf di e Strom~rzeugung wohl so vo rn ehm en, w ie es der Jewe iligen \'(/ asse rhihrun g des Fl usses entspricht, w~ ii derzeit noch größ ere Spe icherräume feh len, 111 denen di e inl·ol ge d er Schn eeschmel ze und der r eichen Sommerregen sehr starke_ Wasserfracht im Fr ühj a hr und Sommer gespeichert werden könnte, um dann im W,inrer verfügbar zu sein . Jm Tagesabla,uf hin gege n sind sie dank d er in ihren Stau seen v orhandenen Sehwel l- räume in der Lage, die Stromerz eugung weit- o-ehend dem wechse lnd en Ve rbrauch anz·u- ~assen. Diese Art d er Betriebsführung, bei der d er Z ufluß in der la stschwachen Betriebs- ze it gesp eichert und z ur Zeit d er Bedarfs- sp,iczcn abgearbeitet wi rd , nen ne man Sehwell- betrieb. E r erfor dere gün scig•e, natürlich e und wasse rrechtlich e Vo ra usse tz ungen, ,die in O sterr eich unbeschr ä nkt nur an d er Enns und in beschr ä nk tem Ausmaß an der Drau vor- hand en sind . All e anderen Flußkraftwerke a n Donau , Inn , Mur usw. si nd r eine Lauf- kraftwerke und kö nn en d ie Stromerzeugung im Ta,gesablauf nur in dem Maße vornehmen , in dem jewe ils das Wasser zufließe. Zusamme nfasse nd kann dah er festgescellc we rden , daß di e E nnsk rafcwerke eine be- deutend e mengenmäßige Ener.g ieprodukcion bes,icze n und daß auß erdem bezüglich der \'>Verti gkeic die En nse nerg,ie wegen der günsti- gen geographi sch en Lage und wege n ihr,er „Sch we llbecri ebsfähigkeic" besondere Vorzüge auf we ise. Di e v orstehend en Ausführungen schildern di e Gege nwartss,ituatio n. Sie wären einse iti g und unvoll ständ ig, we nn nicht a uch die so w ich - ti gen Z ukunftsfragen berühre würden. Beka nntlich st eigt der Verbrauch an elektri- scher E nergie in fa se all en Ländern der Erde un unterbrochen und stei l a n, wobei aber noch nirge nd s eine Sä tti gung des Bedarf es erkenn - bar ist , der ja in erster Linie .in den hoch- el ektrifizi ert en Staaten in E rscheinung tr eten mLißce. Man rechn et allgemein mit ei ner Ver- doppelun g d es Stromve rbrauches in zehn Jah - ren, in O st erreich hac di e Verbrauchssteige-

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