(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

HELLMUT TURSKY OBERÖSIERREIEHS STÄDTE IM FREMDENVERKEHR „Alles fließt", sagt Heraklit. Warum sollte sich gerade der Begriff Fremdenverkehr, einer der jüngsten W.irtschaftszweige, nicht wan- deln, noch daz u, wo eine seiner Grundlagen der sich so rasch entwickelnde moderne Ver- kehr ist. Solange das Reisen eine langwierige, unbe- queme, ja gefahrvolle Sache war, konnte von einem Fremdenverkehr im eigentlichen Sinne ni cht gesprochen werden. Mit der Postkutsche gab es eben nu r Einzelreisen. Fremdenverkehr .ist aber nicht notwendiger Weise an den technischen Fortschritt der Verkehrsmittel gebunden. Auch die finan- ziell e Seite ist nur eine sekundäre Kom- ponente. Der Fremdenverkehr als soziale Er- scheinungsform hat in erster Linie eine be- stimmte seelische Grundhaltung zur Voraus- setzung, ist a lso als geistige Neuorientierung der Menschen zu ver.stehen. An der Wiege -des Fremdenverkehrs steht die literarisch-künstlerische Bewegung der „Ro- mantik" . Früher sah der Mensch die Natur nur als seinen Gegner. ,,Im Schweiße sei nes Angesichtes" mußte er roden, bebauen, ern- ten. Und immer wieder bedrohten und zer- störten die Naturgewalten. das_mit Mühe Ge- schaffene. Die Romantik mit ihrer -schwä rme- risch en Ei nstellung verniedlicht diese Schrek- ken des Waldes, des Gewitters, der Nacht, des Wasserfalles. D ie Unholden werden zu Holden, die drohende Finsternis wircl zur traulichen Stille: ,,mondbeglänzte Zauber- nacht, die den Sinn gefangenhält". Und die Berge beginnen zu locken . Der Alpinismus wächst von schüchternen Versuchen rasch zu einem Volkssport auf brei tester Basis an. Man kann bereits von Fremdenverkehr spre- chen. freilich, die Pioniere, die Gipfelstür- mer bleiben immer verhältnismäßig geri ng an Zahl. Die Masse der Touristen wa ndert. Die Menschen suchen frische Luft und Erholung in der Natur. Die rasch fort schreiten-de Eisen- bahntechnik erschließt immer weitere Ge- biete. Auch der Durchschnittsmensch kann es sich nun finanziell und körperlich leisten, in kleine Orte zu reisen, in denen er der so sehr ges uchten Natur nahe ist. Von diesen Orten als Stützpunkte macht man dann mehr oder wenige r lange oder beschwe rliche Aus- flüge. Es ist das Zeitalter der „Sommer- frischen": möglichst langer Aufenthalt mit ruhi ger Lage in „schöner Gegend". Daß vie le dieser Orte wegen ihrer Schönheit bevorzugt und daher bald überlaufen wer- den, daß bald die gemü tlichen Gasthöfe von komfortablen Hotels, die Ruhe von mehr und mehr lauten Veranstaltungen abgelöst 57 werden, stört zunächst nicht, denn es sind ja noch genug ruhige Orte zur Auswahl da. Gerade die ältere Generation hält noch immer an dieser „Sommerfrische" als Inbe- gr iff des Fremdenverkehrs fest und versteht nicht, daß das Zeitalter der Maschine den Menschen aus der Idylle herausgerissen hat. Für di e Jugend ist es vielfach Erholung, einen Motor knattern zu lassen, sich im Tanz zu erhitzen oder Rekorde aufzustellen. Der Schienenstrang wurde ergänzt durch ein gutes Straßennetz, die Kutsche wurde ver- drängt durch Autobus, Auto und Motorrad, vom Flugzeug gar nicht erst zu reden; und der Motor drängt vorwärts. Das Vergnügen am Reisen ist so stark, daß das Erholungs- bedürfnis zurücktritt. Dazu kommt - ebenfalls durch die fort- geschr.i tt-ene Technik der Nachrichtenüber- mittlung, des Filmens, des Rundfunks- un-d Fernsehwesens gefördert - ein ges tei ge rter Wissensdrang. Alle diese Komponenten, die Motorisierung, der Wissensdrang, das Stre- ben nach ?;esteigerter Lebensfülle, treiben die Urlaubsreisenden geradezu in die Stadt. Wober immer man kommen mag, eine fremde Stadt ist immer interessa nt. Neue Er- lebnisse bringen neue Impulse, gesch ichtliche Bauten ergänzen das Wissen, Ausstellungen bilden den Geschmack, Veranstaltungen und Unterhaltungen gewinnen ne.ue Freunde. Erholung bietet die Stadt kaum, aber das sucht man dort nicht, man will nur das alles gesehen haben, was andere auch erlebten. Verstärkt wi rd diese Tendenz durch den Sozialtourismus. Weitet sich der Blick beim Besteigen eines Berges, so hebt der Besuch von Städten den geis tigen H or izont. Durch verbill i,gte Massenreisen ist es auch dem Mann mit der schmalen Brieftasche möglich, sei nen Erkenntnisdrang zu stillen. Daß die großen Weltstädte die Hauptattraktion dar- stellen, ist selbstverständlich. Die Entwicklung geht aber deutlich dahin, auch wenige r berühmte Städte in das Reise- programm aufzunehmen. Gerade die außer- ordentliche Beweglichkeit der Reisegese ll- schaften mit Autobussen macht es nötig, Pro- gramme auszuarbeiten, die einen großen Aktionsradius haben. Städte, die .innerhalb dieser Reichweite oder an der Reiseroute liegen, können fast ohne Zeitverlust besich- tig t werden . Dieser geschilderten Entwicklung des Reise- verkehrs ver-dankt auch L i n z z u m T e i 1 sei ne steigende Bedeutung als F remd e n verkehr s s t ad t. Ursprüng- lieh waren es nur weniige Autobusse, die in der Stadt Mittagsrast machten. Später ließen sie sich durch geschulte Führer die Sehens- würdigkeiten bei einer kurzen Rundfahrt ze igen. Heute übernachten die meisten Reise- gesellschaften mindestens einmal in Linz. Es zeigt sich nämlich, daß die oberösterreichische Landeshauptstadt durch ihre Vielfalt, durch ihre historischen und modernen Kunst- schätze, durch beachtenswerte Baudenkmäler und durch die prächtige Lage zwischen Donaustrom und Alpenrand den Besuchern des In- und Aus landes bedeutende, bleibende Eindrücke vermitteln kann. Mit seiner lieb- lichen Umgebung und den bis in das Stadt- zentrum hineinragenden Grünanlagen i::rin- nert auch die Großstadt Linz an Erholungs- orte. Das pulsierende Leben, Veranstaltungen kultureller und sportlicher Art, Ausstellun- gen und Kongresse, Theater, Tanzdielen und Kino machen den Linze r Aufenthalt aber auch für denj eni gen interessant, der sei nen Urlaub mit einmaligen Erlebnissen anfüllen wi ll. Linz ist in di esem Zusammenhang nur em

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