(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

ALFRED MARKS DIE ÄLTESTEN LANDKARTEN OBEROSTERREICHS Die Geschichte d er Landka r te reicht in ihren An fängen bis in di e früh en Zeiten des Alter tums zurück. Eine erste Blütezeit erlebte die K a rtographi e in Griec henl and in der Zeit von 600 v . Chr. bis e twa 170 n. Chr. Di e Gri echen leg ten in di esen Jahrhunderten die wissenscha ft li chen Fundamente, a uf denen sp ä ter di e Kultur - völker Eu rop as we iterba uen konnten . Es vergingen a ll erdi ngs noch viele J a hrhunderte, bi s um die Wend e vom Mi t tela l ter zur Neuze i t di e ersten Spezia lka rten einzeln er Lä nd er en ts tehen konnten . Der a llgemeine Aufschwung d er \!Vissenschaft en im Ze it- a lter des Huma nismus und der R ena issan ce und insb esondere di e Fortschritte der Vermessungs- und Aufnahme tec hnik schufen im Zusammenwirken mi t den ve rschi edensten Erfindungen und Verbesserungen a uf bes timmten Gebie ten (Triangulierung , Kompa ß , l\1eß t isch , Fernro hr, Barome ter , Vervielfältigungs- ve rfahren e tc. ) erst di e Vora ussetz ungen fü r den Aufst ieg der modernen K a rtogra phie seit d em 16. J ahrhundert. Schon in d er ersten H älfte des 15. J ahrhunderts tritt unser Va ter- land mit b ed eutsam en kartographisch en Leistungen der \i\Tien- Klostern euburger Ma thema tiker - und Astronomenschule unter J ohannes von Gmund e n (geb. um 1383 in Gmunden , ges t. 23. Februa r 1442 in Wien ) in Erscheinung. W ährend der zweiten Blütezeit der \ t\/ iener U niversitä t zu Beginn des 16. J a hrhunderts sind die Gelehrten J ohann Spießha ymer (Cuspini anus) und Johannes Sta bius im Kreise um M aximili an I. mit d er ka r to- graphischen Aufna hme Ö sterreichs und der kaiserlichen Erbländer beschä ftig t . Auch Joha nn es S ta b i u s, der a ls kaiserlich er H of- ma thema tiker an der U ni versitä t lehrte, ist ein großer Sohn unseres H eima tl andes Oberös terreich (geb . in Steyr um 1450, ges t. 1. J änner 1522 in Graz) . Zu seinen kar tographischen Leistungen zählen u . a. eine fl äc hentreu e K egelproj ektion in H erzform und eine in Zusammenarbei t mit Albrecht Dürer ge- schaffen e \ ,V eltkarte. Die von Stabius und Cusp inia n im Auftrag M aximilia ns I. ge- machten ka rtographisch en Aufnahmen unserer Lande sowi e di e vom ka iserlichen L eiba rz t Georg T a nste tter (Colimitius) zwischen 1522 und I 528 fertigges tellte K a rte von Ö sterreich sind leider nicht erha lten geblieben . So gil t h eute die im J a h re 1542 von d em Nürnberger Künstl er und K a rtographen Augustin Hi rsc hv oge l gezeichne te K a rte von Oberösterreich a ls erste erha ltene Spezia l- darstellung im Ber eiche des heutigen Ö sterreichs. Die K ar te, deren Origina l ni cht mehr existi ert, ist a ls Einzelbl a tt im Nachstich von Gerha rd de J od e 1583 in Antdorff im Druck erschi enen. De Jode nahm sie a uch in se inen unter dem Titel „Speculum orbis terrarum" 1593 in zweiter Ausgabe veröffen tli chten Atlas a uf. Sie träg t in d er r ech ten oberen Ecke den Titel „Beschreibung d es Ercz her zog thumb O es terreich ober Enns durch Augustin Hirsuogel 1542 " . D as m erkwürdige rwe ise nac h Süden ori enti er te Bla tt, das kein Gradne tz a ufweist , bietet die ä ltes te ka rtographisc he Darstellung unseres h eu tigen Bundes landes Oberös terreich in einem ungefähren M a ßsta b von I :340.000. Es enthä lt ve rständ - licherweise im Vergleich zu un seren heutigen Spez ia lka rten viele U ngena ui gkeiten , insbesondere hinsichtlich der Zeichnung des Fl ußne tzes , der Lage und G röße der Seen , der T errainda rstellung und der Topographi e der Orte, a uf di e hier ni ch t n ä her ein- gega ngen werden kann. G leichwohl ist d iese künstl er isch a n- sprechend ges ta lte te K ar te nich t a ll ein wegen d er großen Za h l von Ortsn amen und d er vielen fü r di e hi stor isc he Landeskunde wichtigen Einzelheiten , sondern vor a llem a ls ä lteste Gesam t- darstellung unser es Landes in einer für di e dama lige Zeit ver- hältnism ä ßig na turge treuen topographisch en Da rstellung fü r uns von größtem Interesse und W ert. 1545 hat der als Geschi chtssc hreiber und K a r tograph eifrig tä tige Wi en er Arzt und Huma nist ·w olfgang L az iu s ( 15 14- 1565) zwei einzeln e K ar tenblätter von Ober- und N iederösterreich geze ichne t, die leider ni cht a uf uns gekommen sind . Hingegen ist seine im g leichen J a hre entstandene K a rte des gesamten Erzh erzogtums Ö sterreich , zwar ni cht im Origina l ( 1545 in Nürnberg und 1552 in \,Vien in Kupfer ges tochen ), a ber in Nachstich en in d en At la n ten von Abraham Or telius 1570 (Theatrum orbis terrarum, l. Aufl .) und Gerh a rd de J ode 1578 (Speculum orbis terrarum, 1. Aufl age) erh a lten geb lieben . 1561 erschien en seine „T ypi chor ogra phici Provin (cia rum) Austriae " in II Blät tern , di e als erster Atlas de r ös terreichi sch en Länder bezeichne t werden können. Die K ar ten , von denen eine a uch das Land ob d er Enns da rstell t, ha ben ovale Form und werden, d em Geschmack der Zeit entsprech end, vom ös ter reichisch en Doppeladl er geha lten . Sie sind in Kupfer ges tochen (radiert) , erscheinen in der Ausführung etwas unbeholfen und flü chtig, haben außerdem wed er Gradn e tz noch Maßstab und zeigen manch erlei M ängel. Trotzdem müssen wir ge rechter \!\leise Laz ius' K a rten , f ür die j a kaum n ennenswerte Vorarbeiten bestanden, mit ihren vielen topographisch en Einzelheiten als h ervorragende Leistungen a n- erkennen. Sie zeigen d eutli ch , da ß sich Laz ius über das \i\ 1 esentliche d er Länd erd arstellung im kl a ren war und mit d en ihm zur Ver- fü gung stehenden Mi tteln in seiner Zeit das Bes te leiste te. Seine K a r ten haben sich tro tz den ihnen a nh a ftenden Mängeln la nge Zei t hindurch b ehauptet und sind in d en Atlanten des I 7. J ahr- hunderts wiederholt nac hgestoc hen bzw. nachgeahmt worden . Fr eilich machte sich in den einzelnen österreichischen Ländern ba ld das Bedürfni s n ac h gena u er en ka rtographischen Darstellungen bem erkba r. In Oberös terreich b ea uftrag ten di e La ndstände zunächst den 16 11 n ach Linz b erufenen Astronomen Johannes K e pl e r mit der H erstellung einer n euen Landmappe. Da den durch seine m a thema ti sch -as tronomi schen Forschungsarbeiten sta rk in An- spruch genommen en Gelehrten di e mit zeitraubenden R eisen und vielerl ei Verdri eß li chkeiten verbunden e Landesaufnahme be- greiflicherweise nich t befri edigt e, wurde I 61 6 der ständische Ingenieur I srael H o I z wurm (gebürtig aus Villach, bis Oktober 1616 als Ingenieur im Dienste d er K ä rntner Landstände tä ti g) mit dieser Aufgab e be traut. Er starb bereits im Juni 1617. Seine Landkarte von Ober ös terreich , di e von seinem Bruder Abraham vollendet und durch J ohann G eorg Bahre in R egensburg ge- stochen wurde, erschi en 1628 unter dem Namen Abraham H o lzwurms. Sie träg t einen la nga tmigen la teinischen Titel, be- ginnend mit „Archiducatus Austri ae superioris r egio Supra Anisum cognomina tus . ..", enthäl t u. a . in der linken ober en Ecke den deutsc hen Text eines auf die Geographie bezüglichen Gedichtes von Pe trarca, links unten eine Erläuterung des Ver- fassers sam t einer \ ,Vidmung an di e ob erösterreichischen Stände. D e~· M a ßstab der K a r te, di e ein Gradnetz a ufweist und sich in di eses im a llgem einen gut einfüg t, be träg t e twa I :225.000. Gegenüber den früheren Da rstellungen bring t di e Holzwurm- K a rte mancherl ei Fortschritte, di e hier nur flü chtig ges treift werden können. Auffa llend ist im Gesamtbild vor allem die schon einigerma ßen de utliche Gebirgsda rstellung, besonders im Süden unser es Landes , obwo hl noch keine zusammenhängenden Geb irgs- züge oder -gruppen erkennba r sind. Neben a l ten tre ten eine R eihe von n euen Bergnamen a uf. Der \i\Ta ]d ist a llerdings nur stellen we ise durch einzelne Sign a turen a nged eutet . Die Da r- stellung d es Flußne tzes ist sehr unterschi edli ch und zeig t n eben ma nch Verl ä ßlichem wied er viele U nrichtigkeiten . Der Attersee wird zum ersten M a le richtig a ls der g rößte unter den Salzkammer- gu tseen geze ichne t, di e Größenverhä l tnisse der übr igen Seen und ihre Lage zueinander sind annä hernd n a turge treu . Wir find en di e m eisten wichtigen Or te eingezeichne t, wobei b ereits ent- sprechend dem Siedlungscha rakter n ach Städten , Märkten , Dörfern usw. unterschi eden wird. Hingegen sehen wir j edoch

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