(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956
P rospekce und Ankündi gungen beschäftigen sich seit Wochen mit einer oberöscerr-eichi schen Verlags- planung, dLe den Titel „Alt e Bauernherrlichkei c" trägt und den Graphiker und Aquarellisten Max Kis lin ge r als Hera usgeber nennt . Es dürfte desha lb incer essa•nt se in, sich mit diesem Künstl er und seiner künst ler ischen Welc etwas näher zu beschäftigen. Kisl inger ist vielen im Lande längst ein Begr iff. Sei n Signet, das fröhliche Kisl in ger- Vög lein (M K), ist Stempel und Zeichen für eine liebenswürdi ge Kleingraphik , die in der Volks- kun st wurze le. Ho lzschnitt und Malerei mit Wasse rfa1-ben sind se ine bevorzugten T echniken, in beiden besitzt er ein reifes hand- werk lich es Könn,en. Weniger be- kannt ist Kis lin ge r als Keramiker, wo er in den gleichen Wurzeln, nämlich in der Volkskunst, fußt. Oder ist Vo lkskun st ein zu ve r- wo rrener Begriff , um Kislin ge rs künstlerische Welc richti g zu um- sd1reiben? Gehen w ir von sein en Blättern unmittelbar aus! Sie si nd vie lfä ltig, kaum zu übersehen. Di e Sd1 a•ffe nskrafc des Kün stl ers kennt kein Nach lassen. Unermüd lich ist er in sei nem besd1eidenen Atelier am Werk, zeidrn ec und male, holt nun die Ernte ei nes reid1en Wa n- derlebens ein. Es ist der bäue-rliche All tag und Festtag, de n sich Kis- ling,er zum Gegenstand nimmt. In dieser bä uerlichen Atmosphäre greift er auf die Ze it zurück, da es im Bauerntum noch ei ne eigenstän- di ge kulture ll e Auffass ung und Leistung gab, die heute längs,t auf- gegeben ist und nur mehr mit Re- Altt Ilautrnhtrrlidihtit likten da un d do r t in ein em Sd1 lup fwi nke l nod1 lebt . Um es ga•nz einfad1 zu sagen: Nod1 bi s zur zwe iten Hä lf te des vo rigen Ja.hrhunderts wußte die Land- bevölkerung ihre ei gene Welt nach überl ieferten Formen z u gesta lten. Das H aus trug se ine bes timmte Baugesta lt, den Hoftyp, und jeder Teil dieses Hauses se in en be- stimmten baulichen und or nam en- ta len Schmuck. Stube und Mobiliar wurden nad1 Liberkommen er Art einger idnet, das einze lne Stück so llte nidn nur pra,ktisd1 se in , es tr ug auch seinen eigenen Schmuck. Noch deutli cher wird di ese Sdrn,u ckfreude am Gerät für Haus und Fel,d spürbar. Kein Stück de s Lebens so llte nur „profan" sei n, also nu r eine Zweckform besitzen, es brauchte se in re ligiös fundiertes Symbo l und den ornamenta len, far- benfrohen Schmuck . In Kleid un g und Feiertagsgerät gipfe lte dieser Ku lturwi ll e zu prächt igen Lei stun - ge n au.f, ,die schließlid1 in den Ge - genständen zur Versin nbildlidrnng des Glaubens ihr en H öhepunkt fanden. Di ese eigennändi ge Vo lk s- kultur überzog e,insc unser Land w ie ein Blütenteppi ch. FaTbenfroh und bewegt ze igte si d1 di e bäu,er- lich e Welc. D iese Überlieferung ist heute ab- gebrod1en . Der bäuerliche Mensch mu ßte sich einordnen in den al l- gemein en Rhythmu s der Ze it und in di e Ted,ni sier ung de:s gesamten Lebens. Er befind et sich immer noch in einer Umschidnu ng, de ren Z iel aber sd10 n klaJ· im technisch hoc hwe r t igen Bauernhof zu erken- nen i.st. Es wäre unsin ni g, über eine der art ige Entwick lu ng zu k la- ge n oder in romanti sd,e Träu- mere ien sich zu ve rli eren. Dod1 sche in t es gernde in e,ine r Über- gangszeit richti.g zu se in , die Über- lieferung zu be•wahre n. In diesem Dien ste des Bewahren s ste he Ma x Kis linger. E r ist ei n Chroni st mit Bleistif t und Pinsel. Seine v iel en Blätter sind ni cht nur künstler isch (malerisch) reizvo ll , sie sind vor a·ll em auch exakte volk s- kund li che Bestandsaufnahmen. In diese r zweifachen Bega bung als Ma ler und Volkskundl er durch - wa ndert er das Leben und spi nnt un s ei n in einen Zaubergarten vo n Gemüt und Sd1önheit. Wir treten, von ihm geleite t , in raud1schwa rze Bauern st uben, dann w ieder in hel- lere Rä ume, vom behäbigen K.r- chelofen beher rsdn, ange füllt m it buntem Ge r ät. W ir treten mi t ihm vor pr ächt ige Kästen und Truhen , fr euen uns an ihren Zierate n un d Farben und an der Pr'acht ihres In- halts mit Kleid un d Leinwand. Un- faßbar re id1 ist die We lc des Ge- räts, d ie uns Kislinger vorführt, die große Most pres se neben dem zier- lid1en Keramikkru g, das Moscfassel neben dem Sd1aff. Di e We lt der bäuerlichen Gläubigkeit d r inge in ihre r r,eich en Gemütst iefe auf un s ein - Ha•usaltar, Wachsstock, Vo- tivtafe l, G rabk,,euz usw. Um so ld1en Moriven in Werk treu e zu dienen, muß ein KünS't ler be- sd1eiden se·in, im Sinn e vo n Sich- Bescheiden. Er muß vo r dem Mo- ti v zurücktrete n u,nd den Wert der dokumenta ri schen Darste llun g über die freie k ünstle ri sd1e Gesta ltung se tzen . Er mu ß aber aud1 .ei n rei- ches Maß an Li ebe zur Heimat be- sitzen, eine zei cfremde Romantik und Wa nderlu st in sid1 spü ren. Es ist des Kü ns tler s großes An- li egen, daß se in e Sdrnczkammer a•uch and eren ersch losse n wird. Da er se in Lebenswerk nun über- scha uen kann , dränge es ihn zur Mittei lun <> . Deshalb ve rcli e,nc s,ein in Vorbe~ci cu ng befind li d1es Bild.- we rk, zu dem aud1 ein eingehender Text verfaßt wird , un sere ganze Anteil nahme, denn der künst- lerisd1e Bericht ,iber den Reichtum der bäuerlid1,en Welt hat nur Sinn, wenn er 111 die Zukunft weiterwi rk en kann. Ma x Ki slingcr , Alte Ilaucr11herrlid1kc it ; Denkmäler drr V o lk skultur in Obcrösccr- rc id1. Erläuternder Text von Otfricd Kastner , Einleitung von Franz Lipp. Er- sd1cint als Sonderba nd der St·hriftcnrcihc der o .-ö. Landesba udirektion. Format 2 1 X 29,7 cm, zir ka 184 Seiten Text mit über 100 Schwa rz - \Vc iß-Zcil.'.hnungcn, v ier zweifarbigen und 32 vie rfarbigen lli ld- cafc ln; Ganzlcincncinba nd mit fa1·b iger Deckelvignette und Rückenprägung; Zcllo- phanumsl.'.hlag und Sd1ubcr. Subskriptions- prei s bi s 29. Se ptember 1956: S 2 10.-; Ladenprei s nad1 Ersd1cin cn zi rka S 280.-. Wir haben im vors t ehend en e111en Überb li ck über un ser K unsthand w-e rk bekommen und gesehen , w ie dieses in einer durchaus gesun- d en A rt mit der heimischen W irtschaf t ver- knüpft ist, die ihrerseits w iederum in a lten Traditione n w urzelt. Es ist deshalb ni cht ve r w underlich , wenn viele Erzeugnisse cüeses Kunstha ndwerks einen iiberlieferungsgebun- denen Charakter tragen und oft mi t a lter Hand werks - und Volksku nst identisch sind. Das obe röst erreichi sche Kunsth a ndwerk ist eng mit dem Gewerbe verbunden, dem ei n groß er Teil sei ner Ausübenden entstammt. Die natürliche Wirtschaft sve rtretun g ist dem- na ch di e Handel skammer . Darüber hin aus gib t es in d er Berufsvereinigung der bild en- d en Künstler Oberösterreichs eine Mitglieder- sek tion „Kunsth andwerk", in d er vorwiegend Berufsausübende ohne Gewerbebe r echtigun g zusammen geschlossen si nd, doch kommen auch häufig Doppelmitgl iedschaften vor. K un stschul e, di e Hol zfachschul e in Hall sta tt , die Fachschul e für E isen- und Me tallbea rb ei- tung in Steyr un d die Webereifach schul e in Haslach. E in ze lne Künstlervereinigungen , an ihrer Spi t ze der 0.-0. Werkbund, übern eh- men die we ite re Betre uung der K unsthand- werker und versuchen , durch ihre Versamm- lungen, Vorträge und Ausst ellungen auch imme r wie der die Beziehungen zum inter- na ti onalen Ku nsthandwerk und z u d en ve r - sch iedenen modernen K unstrichtun gen auf- rechtzuerhalten . Bemerkenswert 1st e111 e relativ große Betei- li gung der F rauen a m ausübenden K un st - handwerk . So zählt die Berufsvereinigung der bildenden Künstler Oberös t erreich s ins- gesamt 56 e inschlägige Mitglieder, wovon 25 we iblichen und 31 männli che n Geschlechtes si nd. nossenscha ftlich er oder ve r ein smäßiger Gru nd- lage gi bt es nur wen ige . Die wichti gs te davon dürfte wohl di e reg. Ge n. m. b . H . ,,Ober- ös t erreichi sches H eimatwe rk" in Linz sei n , die neben ihrer wi rtschaftli chen F unktion auch kulturelle A uf gaben zu erfüllen ha t. Das Absa t zgebiet unserer k unstha nd werk- li ehen Erzeugni sse beschränkt sich jedoch nicht nur a uf das eigene Bundesland oder den in - ländisch österreichischen Markt. Gerade in de n let z t en Jahren ist es ma nch en heim ischen Betrieben gel ungen, auch im Ausland F uß z u fasse n und so neue A bsa t zgebiete zu erschli e- ßen oder durch den Kr ieg ve rlorene w ieder- z ugewinnen. In erster Linie kommen hier \ '(,'es td eutschland, di e Schwe iz, Frankreich, Eng la nd , di e Benelux-Lä nd er und Amerika in Frage. Der Bi ld ungsgrad unserer Kunsthandwerker li eg t durchwegs a uf ei ner hö heren E bene; abgeschlossene Fachschul- und M ittelschul - studien sind J1 äufig anz utr effen. In Oberöster- re ich sorgen n ich t nur die gewerblichen Be- rufsschul en für ei ne solide Weiterbi ldung, sondern ebenso die Kuns tgewerbeab t ei lung a n der Bundesgewerbeschu le Linz, di e Linzer Das Geschäft, a lso d er Ver ka uf der kunst- h a ndwe rkl ichen Erzeugn isse, erfolgt nach den normalen w irtschaftlichen Gepflogenheiten. Die Erze uger beliefe rn meist Detailgeschäfte, weni ger Privatkunden. Der Großhand e l wird in ,d en meist en Fä ll en ausgescha ltet , da di e im hand werk li chen Wege herges t ellten Waren von Natur aus teurer zu steh en kommen und eine doppelte Handel sspanne nicht ve rtragen. Gemeinsame Verkaufsorganisationen auf ge- Die heimi schen A uftraggeber für gr ößere Arbei ten si nd meist A rchitekten im Namen ihrer Bauherrschaft zahlungskräftigen öffentlichen oder privaten Institutionen. Das Gros der A bnehmer set z t sich aber aus den Kreisen d er Intelligenz, der Beamtenschaft, d e r Ka ufl eut e und der besse r en A nges t ellten z usammen. Das äußerlich e Wohl ergehen un- se re r Kunstihandwerker· hänge deshalb häufi g von der Zahlungskräftigkeit d er obenan,g,e- fü hrten Kä uferschichten ab . Handgearbeitete Schmuckgarnitur von Wilhelm Krausnecker, Linz. Di e Blättermotive sind aus 14 karätigem Gold in Verbindung mit Perlen hergestellt, -+- die Ohrringe zugleich als Verwandlungsschmuck gearbeitet / Photo : Alfced A. G rü ll
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