(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

Die Begr,iffe „Kunsthandwerk" und „Kunst- gewerbe" entstammen dem 19. Jahrhundert. D er Formen- und Ideenschatz unserer mo- dernen Kunsthandwerker wur zelt jedoch in den zwanz,iger Jahren, als nach dem ersten Weltkrieg auf allen Gehieten des Kunst- hand werks Versuche gemacht wurden, zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten zu gelangen. D er Ruf nach Sachlichkeit wurde nun allent- halben erh•J ben und als W ,ertmaßstab die materialger echte Bearbeitung des Werkstük- kes gefo rdert. Glatte, einfache, nüchterne Gegenstände entstanden und räumten mit den Resten jeglicher schwülstigen romanti- schen Nachahmung auf. Wolfgang von Wers,in prägte in den dreißi ger Jahren den Begriff der „ewigen Form" und wies dem Kunsthandwerk den Weg zu einer zeiitlosen, ästhetischen, aber aus den natürlichen Gege- benh eiten d es \XI erkstoffes heraus entw ickel- ten Gestaltung se,iner Erzeugnisse . Eine wohl- tuende Klarheit, e,in der nüchternen Zeit an- gepaßter „Attizismus" löste den verworrenen „Asianüsmus" ab. Es mag seiin, daß diese neue Richtung, die bi s in unsere Tage die herrschende geblieben ist, zuviel Kälte in unsere Umgebung gebracht hat. Jedoch ent- behrt di ese r kleine Vorwurf heute schon der Ber,echti gung, da un se r gutes Kunsthandwerk bemüht is t, durch oniginelle, persönlichkeits- betonte Gestaltungen seinen Erzeugnissen das gew isse E twas ,e inzuprägen, das wir für den ve rtrauten Umgang mit den Dingen des All- tags unbedingt benötigen. Nicht Kunsthandwerk, doch diesem engstens ver bunden, ist eine große Grupp e indusu,iel- ler Erzeugnisse, die hauptsäch!.ich der „Ge- schmacksgüter-Industri e" en tsta~mt. Die alten Porze llan- , Glas- und Metallmanufak- turen, die hauptsächlich hübsche Gegenstände für den Alltag herstellten, waren bemüht, Künstler heranz uzie hen, di e Vorlagen fi.ir Se rvice, Bes tecke usw. lieferten. Diese Tra- dition wurd e auch fortgesetzt und hat z u außerordentlüch befriedigenden Ergebni ssen gehihrr. Heute sind es vorwiegend Architek- ten, die Entwürfe für alle möglichen Arten se rienmäß:ig erzeugter Gebrauchs- und Zier- gegenstände liefern . Das Entstehen neuer, in Massen gefert,igt·er, doch geschmackvoller Möbel- und Dekorationss tücke für die Innen- raumgestaltung haiben wi r in der jüngs t en Ver- gangenheit erlebt und können gegenwä rtig beobachten, wie di e fürcht erlich en Rundbau- formen allmählich a us den Schaufenstern un- serer Möbelgeschäft e v erschwi nden und ihren besser en Nachfolgern Platz machen mü ssen. Es ist nun nicht so, daß alle kunsthandwerk- Lichen Erzeugnisse einer P eniode einen ein- he,itlichen Stil aufweisen oder gar geschmack- lich ,in Ordnung wären! Am deutlich st en wird d ies in der Volkskunst, wo man immer wieder beobachten kann, daß ererbte Tradi- tionen Jahrhunderte hindurch lebendig bl ei- ben und man z um Beispiel im 19. Jahrhun- dert noch auf ausgesprochen gotische Formen im Hausrat trifft. Am geschlos sensten zeigen sich a llerdings noch die großen St,il ep ochen der Gotik, Renai ssance und d es Barocks, in Zeiten also, wo Kunst und Handwerk in engster Verbindung miteinand er ges tanden haben. Dadurch, daß dem vergangenen Sä- kulum eine geme•insame tragende Kunstauf- fassung fehlte, begann ein Nachahmen aller Sc.ile aller Zeiten, das in einem geschmack - lose n romanoischen Historizismus endete. Seither versucht ein kl einer Kreiis von Avant- ga rdi sten jewe ils einen neuen Ton anzuge- ben, der meist schon wieder unmod ern ge- wo rden ist , wen n er weitere Kreise z u er- fa ssen begonnen hat. E rst in den letz t en Jahren scheint s,ich w ied erum ein gemein- sam er Stil, dem eine Art „i n t i m e r R e - a I i s m u s" z ugrunde I iegt, durchzusetzen. Zierschüssel in Engobetechr.ik aus der Schleiß- Keramik Photo: Max flersebner Nahezu alle beka nnten Arte n des Kunst- ha ndwe rks gibt es auch ,in unserem Heimat- land . Wenn w ir im folgenden eine Anzal-:1 di eser und •eine R ei he der E rzeugungss tätten betrachten, so se i ausdrücklich darauf hin ge- wiese n, daß es sich hi er nur um eine be- schränkte Auswahl handeln kann. Da aber jed e A uswa hl trot z a llen Bemühens um Ob- jekti v ität letzten End es ei ne subj ektive ist, mög~ man mir d,ie hi er getroffene zug ute hal- te1: und verze ih en, wenn d iese ode r jene be- deutende Werksüitte im folgend en ni cht ge- dru ckt erscheint . Es sei a uch fes tges tellt , da ß es hier ni cht um Wertungen geht, sonde rn nur u111 eine Darstellung nach Arbeitsge- bi eten. Das oberösterreiichische Kunsthandwerk 1st - im großen gesehen - dort am lei stungs - fähjgsten, wo es sich a:1 die n:1tü rlich e ~ '. 1 irt- schaft unse res Bundeslaades anlehnt. Hier treffen w i,r meis t a.uf gewe rbl ,ich geführt e Be- tri ebe und we n,iger a uf freischaffende Künst- ler. So nehmen die Töpferei, die Holz- und E ise nvera rbeitun g und di e Textilveredelung ei nen breiten Raum .im oberös t erre ichi schen K unsthandwerk ein. Wohl eines der ältesten Gewerbe ist das der Töpferei, und keramische Werkstätten s·ind wahrscheinlich schon in der Hallstatt-Zeit Liber ganz Oberösterreich ve rbreitet. Das Salzkammergut ist noch heute ei n Zentrum di ese r Handwerkskunst - ma n denke nur a n di e Keramiken ,in Gmund en, Hallstatt und Ischl! Die Tradition der Werkstätte Sc h I e i ß reicht schon über etlich e Jahrhunderte z urü ck , und sei t Generationen ist di ese lbe Famili e im Bes itze der Gerechtigkeit. Ihre H a uptpr ,::, - dukt e waren früh er Gefäßkeramik en, di e bunt bema lt in Maiolikatechnik auf den Markt gebracht w urden . Die Geschäftsver- bindungen re·ichten einstmals bi s in die Haupt- und Residenzstadt Wien, und der jetzige Besi tze r , Herr F ran z Schl eiß, der ver- ga ngenes Jahr sei nen 75 . Geburtstag feiern konnte, dehnte diese üb er ganz E uropa bis in andere Kontin ente aus. Sei ne Gefäß kera- miken, Plastiken und Ofen, in Engobe- oder Majolik a technik ver z iert und ,e ntwede r mo- dern oder mehr volk süi mli ch a usgeführt, brachten Osterreich schon man che Gold- meda ill e auf internat,iona len Ko nku rrenze n e111. Die Hallstatt-Keramik unter der künstleri- schen Leitung der Adamez-Schülerin Gud run Witt k e - Bau d i s c h ist ein junger Be- trieb, der ers t nach 1945 zu r Entfa ltung ge- langte, jedoch in dieser kurzen Zeit bereits liber di e Grenzen Osterreichs hinaus bekannt wurde. F rau G udrun Wi ttke-Baudi sch ist gleich bedeutend a ls Plastikerin wie als Ent- we rferin or,ig ine ll er Gefäßkeramiken. Der „F ischbrunn en" am Linzer Marktplatz sow ie viele Stuckdecken stammen aus ihrer Hand . Ihre Arbeiten ze igen - dort wo sie vom Abstrakten abweichen - ei ne außerordent- lich glückli che Verbindung von überlieferungs- gebundener und mode rner Form. Chara kt eri - sti sch sind ihre bra un-ge lben und grün • schwa rz en G las ur en . Die A nge rrn aye r-Keramik in Eberschwang unrer der Leitung von A nton Ange r - 111 a y e r und K. M. A d e I m a n n s e de r hat sich ausgesprochen a uf Ofen speziia li siert und hi er so Hervorragendes ge leiste t , daß 22

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