(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956
lagen des modernen Kunsthandwerks müssen wir jedoch noch einrige Worte verlieren . Nach d em Ausklingen der letzten große n ahendländischen Kunstepoche, des Barocks, und d em ers ten Zunehmen der Industriali s,ierung erlahmen a ll enthalben in E uropa di e schöpferi schen Kräfte. Es beg innt ein Zei ta lter der fürch- terlich sten Nacha hmun gen aller Soile, und es ist bezeich- nend, daß gerade jetz t, im 19. Jahrhundert, mit F leiß alles a ufgesammelt und i n Archiven und Musee n konserv iert wir d, was irgendwie aus der Vergangenhei t würdi g und bed eu tsam erscheint. Von dem al tgemein en Kul rnrve rfall blieb auch das H a nd we rk nicht ver schont, und trotz aller Wiederbe lebungsve rsuche konnte es sich bi s heute noch nicht ga nz von sei nem S-iechtum erhol en. D eut sche und österre•ichi sche Archi tek ten, a n ihrer Sp,itze K. F. Schinkel , wa ren di e ersten, die tatkräftige Schritte unternahmen, um hier heiil end einz ugre ifen . Si.e ve rsuchten e.i ne Erneuerung des tradi ti onslos gewordenen Handwerks von se iten der Baukunst herbeiz u führen, und forderte n vom Staate di e An lage öffen tli ch z ugänglich er Sammlungen und Schulen, um an Hand von Musteroeispielen wi-e derum gute Vor- bilder z u ve rbreit en. Die englische R eg ierung tat h ier den bahnbrechenden Schritt. Di e Gründung des „South Ken- s•ington -Museums" wurde richrnngwe isend hir a ll e späteren Ku nstgewe rbemu see n a uf dem Fes tl ande, von den en beson- d ers das „O sterreichi sche Museum für Gewerbe un d In du- stri e" in Wien ei ne we it über Europa hinaus reichend e Be- rühmtheit er langte. Nel:en den Museen entstanden in v ie- len großen Städten „Kun stgewe rbeschulen " und ve rsuchten ihrerseits durch Unterwe isung in techni scher Hins,icht und durch An schauungs unterr•icht an a lten Handwerkserzeug- ni sse n dem Ni ederga nge entgegenz uwirken . Welchen Er- folg diese krampfhaften Wiederbelebun gsve rsuche brach- ten, hören w ir am bes ten von eii nem Zei tgenossen . Wi lh elm Bode schr ei bt 1893: ,, Trotz der E rkenntni s, trotz a ll er Bei- hilfe durch den Staat s,ind wir heute am E nd e des 19. Jahr- hunderts dahin ge komm en, statt der falsch en Nach ahmun g ein es eigenen ä lteren Sti ls die Karikarnr der Ku nstrichtun- gen a ll er Zeiten z ur Schau z u br,inge n, bald ·in str enge rem A nschluß an e•in e vo n ihnen , bald in häßl ·icher Vermischung derselben. " W enn man mit R echt über diese w ie über a ll e an deren Verfa ll se rsch einungen des 19. Jahrhunderts den Stab bre- chen kann , so darf man doch ei nes nicht üb ersehen: In jenen Jahr zehn ten w urde z um ersten Ma le ein soz iologi- scher Umwandlungsprozeß spürba r , ' der auch heute noch nicht abgeschlossen ,ist und an desse n E nd e v,ie]l.eicht ein uns noch ,unb ekannter, neuer Menschenty p mit ein er geä nder- ten gese ll schaftl,ichen Strukrnr, mit andere n W ertmaß stäben und neuen , durch die Industriali s·ierun g vorgezeichneten Lebensgewohnh e.iten st ehen wird. Solche Anderungen kön- nen sich nur voll ziehen, wenn das überkommene z u einer lee ren Tradition geworden und nicht mehr ge nug K raf-c vo rhanden ist, artgemäßes Neues z u schaffen . Daß es in e·iner Zeit, die erfüllt ist von den Todesz uckungen de r Überlieferung und d en Geburtswehen d es Neuen, noch formlosen, zu keiner Eigenständigkeit kommen ka nn , ist se lbstvers tändlich , und deshalb darf a uch d em Handwerk kein Vorwurf gemacht werden, wen n es nichts Besseres a ls alle übr,igen leisten ko nnte. Ein erster bemerke nswe rter A ufbruch zei gt e s·ich um di e Jahrhundertwende, und dieses neue Wollen ist mit dem ,, Jugends til" untrennbar verbunden. E,in,e Reihe bedeu- tender Kün stl er ve rsuchte nun , dem müd e gewordenen Handwe rk unter d,ie Arme z u greifen und durch Beis te l- lung v on Entwürfen ,der Geburt ein es neu en Formwi ll ens helfend z ur Seite z u stehen. Daß dieses Unt ernehmen sei- nen Todeskeim schon in sich trug, bevo r es noch z u ti e- ferer Verbreirnng ge langt wa r , lag wohl dar a n, daß der Küns tler ni cht mehr genug Ver ständnri s für d en Hand we r- ker und für die Mögli chkeiten d er techn,ischen Gesta ltung des W erkstoffes a ufbrachte. D er Ha nd werker jedoch wa r konservat iver veranlagt , und so kam es, ,daß „der Jugend - stil noch lange nach sei nem offiziell en Tod e in gera dezu gespensterhaftes Dasein führt e". (St. Hierze l. ) 21
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