(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

DAS KUNSTHANDWERK Ober sein Wesen und seine Erscheinungsformen in Oberösterreich HEL MU TH HU EM ER (7 /nübe rsehbar vielges ta lti g ist das Ar-1 ' U l beirsgebiet d es Kuns thand we rk s und unzählbar si nd die Abhandlun gen , die sich ' mit ihm befassen. G laubt man jedoch , im'_ ,,Kunsthandwerk" etwas Geschlos~e nes , Ga n-~ zes vo r sich zu haben , d a nn wird man ent- · täuscht . Kein anderes Gebiet hat so vie le · Unklarheiten aufzuweisen, und es ist erstaun- lich, w ie ve rworren der fes t umri ssene Be- gr iff „Hand we rk " wi rd, we nn ihm das kl eine Wörtchen „Kun st " vorauss reh r. Wenn man sich aber mit ein er Sache befaß t, muß man er st über ihr Wesen ins kl a re z u kom- men trach t en, und desha lb bleibt un s ein kurzer Aus flu g in da s Theo retische der Ma- teri e ni cht erspart. Das Wese n des Handwerk s bedarf kaum einer E rläuterung . A lles Dingliche, vo n Menschenhand Geschaffene ist in se in en Urformen aus dem Handwerk h ervorgega n- ge n. Ein st war es der a ll ei nige Erzeuge r aller Gebra uch sgegenständ e des Men schen un d diesem gena u so elementar notwe ndi g w ie der Er werb vo n Nahrung. Seine Exis tenz- berechti gun g lag in seiner Zweckger ichtetheic. Es schuf die Gerä te des Feldbaues, die Waf- fe n z ur J agd, di e Bekleidung z um Schurze vo r Kälte und den primitiven H a usra t. Und diese Zweck betontheit treffen w ir natürlich noch heute übera ll an , da sie in der Notwen- di gke it d es A llta gs w urzelt - man denke nur an den F lickschuster und an den Land- schneider! J e mehr aber die Sorge um di e Bedürfnisse der nack ten Lebenserhaltung z u- rückge.drängt w ur de, je mehr eine gewisse Wohlhabenh ei t in E rscheinung tr a t , des to größer w urd e d er Spielra um des Handwe rk s. Es began n, das Hausgerät und die Kl eidung z u ve rz ieren und ei ne Reih e v on Gegen- ständen z u schaffen, di e nicht mehr z u den Notwendigk eiten, sondern zu r Ve rschöne- run g des Leb ens gehörten. Seit dem Beginn der Industri a li sierung w urde es abe r in stei- ge ndem Maße in eine Abw ehrst ell un g ge- drän gt , und heure kämpfe es bereits gegen ei ne F lut von maschine ll erze ugten Masse n- a rtikeln e111 en verzwe ifele schei nend en Kampf. Je we iter a ll erdings di e T echnisie- rung fort schr eitet , desto mehr erkennt man gleichze it ig die No t wendigkeit der Erha ltung solide r handwe rklich er Fert ig keite n, da ja a uch di e Industri e gezw un gen ist , ihre Mo- dell e im ha nd we rklichen Wege hers tell en z u lassen . Kunst h a n d werk ist, um mit W. Som- ban z u sprechen , eine Verei ni gun g bild end er K unst mit dem Handwerk, eine Verbindun g künstl erischer Intent ionen mit Dinge n, di e irgend ei nem Gebrauchszweck dien en sollen. Se ine Wurze ln li egen in der D ifferenzieru ng zwischen dem rei n Lebensno twendi gen und den Anfängen jeder menschli chen K ultur. Und di eses K un sth and we rk ist z ugleich ein 19 „Ad el de r Form". G lasbec her mit d em Wappe n vo n Oberösterreich a us d e m 00. He imatwerk Photo: Max Elersebner in tegrierender Bes t and t eil jeder persö nli chen und gese ll schaf tli chen K ultur. Durch se in e Ar beitsmethoden fes t mit dem Boden des Realen ve rbund en, ist es di e G rund lage jeg- li cher A ußerung der bildenden Kunst, deren vollend etste Vertreter immer auch tüchti ge Ha ndwe rker wa ren, ja mehr noch, sein mußten, um ihrem inn eren Drange ges ta ltend Ausdnuck ve rl eihen z u kö nn en. Es ist kein Z ufa ll , daß die dem Handwerk entstam- mende Beze ichnung „Meis ter" e in Ehrentit el für a ll e go ttbegnadete n K ünstl er von M ichel- a ngelo bi s Schwanth a ler war ! K u n s t g e werbe wird im Sprachgebra uch meist mit „Kunsthand wer k" gleichges tellt , und ta tsächl ich bedin gt d as ei ne z umind es t d ie Ferti gkeit d es and eren. Mir scheint jedoch hi er di e berufsmäßige, eben gewerbliche A us- Libun g .das E ntscheid ende z u se in , während Kuns t -Hand wer k mehr ei ne Tätigkeitsbe- ze ichnung ist. Ku nsthandwe rkl ich a rbeiten ka nn jeder einigermaße n gesch ickte Mensch, sofe rne er den Dra ng d azu ve rspürt und die Mög li chkei ten hi ezu hat, er muß nun ni ch t ge rade berufsmäßige r Handwe rker, sondern ka nn ebenso gut Beamter se in. E in K unst- gewerbl er lebt von der berufsmäßi gen, ge- we rb lichen Ausübun g des K un sth andwer kes. Dieser Begriff is t a lso d er enge re, und es er- schei nt mir desha lb zwecken tsprechende r , ihn im wei teren nicht all z u hä ufig z u gebra u- chen, da wir un s doch mit den Erze ugni ssen des K un sth a ndwerks au sein a nd er se t zen wo l- len, di e zwangs lä ufig n ich t immer Produkte a us gewerblicher Herkunft se in können. Das Tä ti gkei tsgebi et des K unsthandwerk s a bzugrenzen, ist ä ußers t schw ierig , die Über- gä nge ein ersei ts z ur Ku nst, a nd ererse its z um K itsch sind fli eßend. Nach d er Me inung des 19. Jahrhunderts träg t das K unstwerk se in en Zweck in sich - l 'a rr pour l'art - , doch fin - den w ir , wenn wi r di e größ ten W erke der Verga ngenh eit betr achten, daß a ll e Kunst im Dienste d er Verherrlichung relig iöse r ode r im SchmLick en p rofa ner Gegenstä nde steht. So- lange sie d ient , bleibt sie d em Vo lke ver - bunden, erst a ls sie z um Selbstzweck w ird, hat sie nu r noch für e in en kl ein en Krei s ,,Sachve rständi ge r " Bedeutun g. Tm Gegenstä ndlich en und in der prakc,ischen Verwe ndba rk eit liege a uch di e Lebensberech- ti gung des K un sth a nd werks begründ et. J ed er Geb ra uchsgegenstand eignet sich z um Schmü cke n und ka nn a uf irgende ine A rt ve rz iert we rd en. J e ve rgä nglich er das Ma- t er ia l und je profaner der Ve rwe ndun gs- zweck ist, desto we ni ge r lohnt s•ich aber ein e kün stl er ische Auszier, und desco weni ge r unter li eg t der Gegensta nd einer bl eibenden k un stgewe rblichen Bearbei tun g. Man wi rd mir entgegenh a lten: ,, D enken sie doch a n die prachtvo ll en E rze ugnisse d es Zuckerbäcker- hand we rk s, a n d.ie Gebildbro t e un d a lt en Le bze lten! A n di e K unstwe r ke aus Schwe ins- schmal z in den weihnachtlichen A uslagen der Fl eischer! " Damit ist allercLings ga r ni chts gegen un se re Meinung gesag t , denn einerse its könn en Aus na hmen, wenn sie ein em mut- w ill igen Spieltri eb ent stammen, ta tsächli ch d ie R ege l bes tä ti gen, und a ndererseits han- dele es sich hi ebei mei st um Gebild e, di e ent- wede r g la ubens- ode r brauchtumsmäß ig be- din gt sind ode r so nst harr a n der Grenze z um Stillosen und Ki tschi gen steh en. Es g ilt hier durchaus die Fo rmuli erun g Sombarrs : ,, J e kür ze res Leben ein em Gegenstand be- schi eden ist, desto weni ge r eignet er sich z u kün stl er ische r Gesta ltung. J e g rö ße r di e Not- durft ist , di e w ir mit ei n em Gegenst a nd e be- foiedi gen, desro we ni ger wo llen w ir ihn schön o der vertragen wi r ihn schön. E benso: J e schmutz ige r ei ne H a nti erun g ist , di e wi r mit ihm ve rrichten, desto we ni ge r erachten w ir jhn qu a li fizie re für ei ne k un stgewe rbli che Tärigke.ir." Am de utli chsten kommt das Wi rku ngsfe ld des Ku nsth a nd we rks da nn z um A usdruck, we nn man es a ls ein Ze ugni s ob jekti v ierte n Menschengeis tes, am Mensch en se lbst a ls dem Maß a ll er Dinge, in das Blickfeld rückt. Und ma n erk en nt dann auf emp-iri schem W ege , wo1,in d ie Lebensberechtigun g, ja Lebensnot - we ndig keit und wo das Hauptarbeit sgebi et des K unst ha nd we rks li eg t : Es so ll den Men - schen se lbst schmü cken, es soll ihm se in e Um- gebung ve rschö ne rn, es soll ih m d ie w ürdi- gen Gege nstä nd e des täg l,ichen Gebrauch es pe rsö nli ch näher bringen, und schli eß li ch so ll es ihm di enen bei der Verherrli chun g se in es Gottes . Di e gro ßen Geb iete: persö n- 1 iche r Schmu ck unnd Bek leidung, Ha usrat,

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