(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

Steyrta lbahn / Ta lübersetzung beim Steyrdurchbruch Photo Alfred Holler K enntnisse und Energie hervortat. Er wollte die Bahn mit Rücksicht auf di e ge- gebenen Mittel möglichst billig trassieren und ausführen, unbekümmert ob sie später für Lokomotiven geeignet wäre oder nicht. Diese Differenzen , di e a nderen schon erwähnten Schwierigkeiten , vermehr t durch di e sich immer unfreundlicher äußernde Angst der um ihr Geld besorgten Aktionäre, bewogen Gerstner schließlich, die Bauleitung ni ed erzulegen und sich zu- rückzuziehen. Die Fortsetzung des Baues lag in Schöne- rers H änden. Sie wurde so energisch be- trieben, daß nach etwas mehr a ls drei- jähriger Bauzeit - Baubeginn am 28. Juli 1825 bei Umlowitz - am 30. September 1828 die Teilstrecke Budweis- K erschbaum und am 1. August 1832 die ganze Strecke bis Linz dem Betrieb übergeben werden konnte. Die l 31 km lange Bahn hatte zwischen Linz und Budweis 214 höl ze rne Brücken mit Spannweiten bis zu 29 Meter. Ihre Spurweite war dreieinhalb Wiener Fuß ( = 1, 106 m ), welches Maß sich bei der Wolfsegger Kohl enba hn nach Breiten- schützing bis auf unsere Tage erha lten ha t. Die meisten Lastwagen waren vierrädrig, es gab aber auch welche mi t sechs R ädern, und bei beiden Arten war durch sinnre iche bewegliche V erbindungen zwischen den Achsen für einen leich ten Gang durch enge Krümmungen gesorgt. Es ist in mehr- facher Hinsicht interessant, über eine Probefahrt mit einem sechsrädrigen \!\Tagen zu lesen : ,,Der Wagen , nur durch vier Personen, a lso viel zu wenig belastet, ohn e Deichsel und ohne Bremse, wurde von einem Pferde immer schnell er und schneller und endlich im Carriere geführt , als man plötzlich in die höchst beunruhigende Lage verse tzt war, einige Kl after vor einer hohen Brücke die Schienen au f mehrere Klafter Länge abgenommen und d en Bahnwärter in der R eparatur begriffen ans ichtig zu werden. Die Mittel, d en \!\Tagen vor der ~telle der Gefahr zum Stillstand zu bringen, ja auch nur dessen übertrie- benen Lauf zu mäßigen, fehlten ; es blieb somit keine \!\fahl und Pferd und Wagen mußten über di e gestörte Bahnstelle, es möge erfolgen, was wolle, hinüber gejagt werden. Der \Vagen, die im Wege liegen- den Werkzeuge und Hindernisse über- se tzend, erhielt mehrere tüchtige Stöße, aber auch schon gewährte der sanfte Lauf a uf den Geleisen der Brücke die volle Be- ruhigung der glücklich überstandenen Ge- fahr." Für den Personenverkehr gab es kutschenartige Fahrzeuge, verschieden nach I. und II. Klasse . Ein II.-Klasse-Wagen steht heute im Originalzustand im Wiener Eisenbahnmuseum, eine genaue Nachbil- dung davon wurde für das deutsche Museum in München angefertigt. Wenn mehrere Pferde notwendig waren, wurden sie bis zu höchstens drei voreinander ein- gespannt ; für die Frachtzüge hat man vor- übergehend auch Ochsen verwendet, kam davon aber bald wieder ab. Die Frachtfuhren waren zwischen Linz und Budweis dreieinhalb Tage unterwegs, die Personenzüge nur rund J 4 Stunden ; die Fahrpreise: 3, 15 Gulden in der I. und 2, 10 Gulden in der II. K lasse. Bemerkens- wert ist, daß schon bei dieser ersten fest- ländischen Bahn ein erst viel später a ls ri chtig erkannter Grundsatz befolgt wurde: die strenge Scheidung zwischen Bahner- haltung und Ba hnbetrieb. Für jene gab es Streckenaufseher und Bahnwächter, d er Be trieb unters tand „Expeditoren", an den Pferdewechselstationen gab es die „Stall- meister". Auch die Einrichtungen, die man heute als Zugförderungsanlagen bezeichnet , hatten ihre entsprechenden Vorbilder: Statt der Lokomotivremisen waren es di e Stallungen und statt der Kohlenbühnen und \Vasserkrane die Hafer- und Heumagazine. U niformiert war das Persona l nicht . Schon während des Baues der Budweiser Ba hn war an ihre Fortsetzung nach Gmunden gedacht worden, wohin das Salz a us dem inneren Salzkammergut mit Schiffen über den Traunsee gebracht wurde. Für eine derartige Bahnverbindung, und zwar von Gmunden nach Zizlau bei Linz, hatte schon viel früher , kurz nach Er- scheinen der oben erwähnten Gerstner- schen Schrift, der oberösterreichische Lan- desbaudirektor F. Maye r genaue Pläne ausgearbeitet und im Landtag eingereicht. Sie wurden zwar nie ausgeführt , hatten a ber viele wer tvoll e Unterlagen für den später en Ba u der Bahn Linz- Lambach- Gmunden gegeben. Auch diese Fortsetzung wurde von Schönerer gebaut; sie wurde am 1. Mai 1836 dem Betrieb übergeben. Während aber auf der Stammstrecke der letzte Pferde-Personenzug erst am 12 . De- zember 1872 li ef, wurde die neue Linie schon 1854 auf Dampfbetrieb umges tellt. In Österreich und Deutschland war sie di e erste, im übrigen europäischen Fes tland di e zweite schmalspurige Dampfbahn, da nur di e 1845 in der Spurweite von 1, 150 m erbaute Linie Gent- Antwerpen voran- gegangen wa r. Betri eben wurde sie a ls Dampfbahn mit 14 Lokomotiven, von d enen die „Gmunden " heute a uch eines der schönsten Origina lstücke des Eisen- bahnmuseums in Wien ist. Im Abschnitt Linz- Wels- Lambach blieb di ese Bahn nur noch wenige J a hre in Bet rieb , denn di e Kaiser in-Elisabeth-Bahn, di e als Nach- folgerin der Ersten österreichischen Eisen- bahngese llscha ft die Linie übernommen hatte, ließ sie nach der Eröffnung ihrer H a uptstrecke bis Lambach am 1. Sep- tember 1859 in diesem Teilstück selbst- verständlich auf. Lambach- Gmunden aber blieb noch bis 1903 Schmalspurbahn, zu welcher Zeit sie samt den a uf ihr damal s verkehrenden, schon ganz modernen vier Lokomotiven au f Normalspur umgebaut wurde. Als in Europa wahrscheinlich einmaliges Kuriosum soll erwähnt werden, daß sich von der Pferdebahn Linz- Budweis da und dort noch einzelne Bauwerke nahezu im Urzustand erhalten haben. So zeigen unsere vorstehenden Bilder eine der noch stehen- den schönen Bogenbrücken bei Waldburg- Freistadt und das Wächterha us Nr. 29 bei Summerau, strohgedeckt, heute unter Denk- malschutz, sicher das ä ltes te noch vor - handene Ba hnwächterhaus überhaupt. In einem Hofkanzl eidekret vom 23 . De- zember 184 1 wa r eine von Wien in der Richtung nach Wes ten verlaufende Bahn- strecke als jene der drei geplanten H a upt- linien bezeichnet worden, die als erste österreichische Staatsba hn auszuführen sei. Schon im nächsten Jahr begonnene Vor - a rbeiten wurden aber abgebrochen, wei l inzwischen die Meinung, d er Wasserweg auf d er Dona u würde ausreichen, die Ober- hand gewonnen hatte; a ls Bahnverbindung hielt man für Wien eine gemeinsame An- schlußstrecke n ach Süden und Wes ten für genügend , und so kam es 1851 zu einem Staatsvertrag zwischen Österreich und Bayern, in dem eine von Salzburg über Radstadt nach Bruck a. d . Mur führende Linie festgelegt war. Sie wäre aber viel zu teuer gekommen , daher ein neuer Staatsvertrag vom 21. Juni 1856 mit der V erpflichtung für Österreich, innerhalb von fünf Jahren eine Bahn \l\lien- Linz- 102

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