(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 6. Jahrgang, Heft 1/2, 1956

ALFRED HOLTER ERINNERUNGEN ZUR EISENBAHNGESCHICHTE Wenn ein Linzer K a ufmann im Spä t- sommer 1832 seiner Frau sagen konnte: „Morgen muß ich geschä ftli ch nach Budwe is fahren , aber ich kann a ll es noch am Abend besprechen , und übermorgen bin ich wieder da heim", so war das in j en er Pos tkutschen- zeit ein ganz unerhörtes R eiseprogramm, a usführbar nur durch ein Ereignis von weit mehr a ls loka ler Bedeutung : der Eröffnung der Pferdeeisenba hn Linz-Budweis am I. August 1832. Ihre Geschichte ist di e des Entstehens eines Eisenba hnfernverkehres a uf d em K ontinent, in Ö sterreich und damit auch in unserer engeren H eimat Ober- österreich. Sie wa r di e erste dem öffen t- lichen V erkehr dienende Eisenba hn 111 Europa, ausgenommen England. Ein Anla ß, sich daran zu erinnern , ist gegeben , weil gerade vor hundert J ahren, am 31. Juli 1856, d er Bau der spä ter für Oberösterreich wichtigsten Ba hn, der „Kaiserin-Elisabeth-Ba hn ", begonnen wurde. Dieses Erinnern soll nich t eine trockene Anführung von Zahlen und Ge- denktagen sein, sondern einige fast unbe- kannte, a ber inter essante Dinge a us der oberösterreichischen Eisenbahngeschichte mitteilen. Schon Ende 1807 ha tte Professor Franz Josef Ritter von Gerstner vorgeschl agen, alle seit Ma ria Theresias Zeiten für den Sa lz transport Salzkammerg ut - Böhmen immer wieder bearbeiteten Proj ekte einer K ana lverbindung zwischen Donau und Mold au endgültig fallen zu lassen. Sechs Jahre spä ter ha t er mit seinen „Zwey Ab- handlungen über Frac htwägen und Stra ßen und über di e Frage, ob und in we lchen Fä ll en der Ba u schiffba rer Canä le, Eisen- wege oder gemach ter Stra ßen vorzuziehen sei" a ls erster die Vor teile von Eisenba hnen kl ar da rges tellt und ihren Bau empfo hlen. Sein Sohn Franz Anton Ritter von Gerstner se tzte des Va ters Arbeiten fort , unternahm VON OBEROSTERREICH geneig ten Streckenteilen die Kohl e- und Erzwage n von Pferden ziehen , a uf steileren Gefäll en aber durch ihr eigenes Gewicht ro ll en zu lassen. Das Pfe rd wurde dann ausgespannt und fuhr in einem am Zugs- ende angehäng ten , oben und hinten offenen Kastenwagen mit ; a nschaulich wird dar- über berichtet: ,,Die Pferde sind durch di e lange Gewohnheit bereits so abgerichtet , da ß sie bei d en betreffenden Strecken, wo die Wagen selbst zu laufen anfangen , still stehen und, wie sie a usgespa nnt sind, selbst zurückgehen , in den hinteren Wagen hinein- springen und mit sichtba rer Zufriedenheit eine Strecke im Wagen zurücklegen ; wie a ber di e Wagen stehen bleiben , steigen die Pferde selbst wieder heraus und kehren an ihren ursprünglichen Bes timmungsort zu- rück." Diese Betriebsform konnte für die projektierte Ba hn freilich ni cht in Frage kommen, und die Engländer rieten Gerstner, di e waagrechten Abschnitte mit Loko- mo tiven zu be treiben , über Steilstrecken a ber sie nach englischem Vorbild durch stehende Dampfmaschinen mit Seil en hin- di e „Privi legiumsurkunde zur Errichtung einer Holz- und Eisenba hn zwischen der Molda u und der Dona u" . Diese noch vorhandene U rkunde ist d as erste öster- reichische Eisenbahndokument . H eute mutet uns d er Gedanke, da ß Pferde richtige Züge ziehen sollten, eigenartig an. Vor hundertdreißig Jahren war d as anders, und wer sich daran erinnert, d a ß auf un- seren städtischen Stra ßenbahnen ein Pferd a ll ein viel mehr Menschen ebenso schnell beförderte wie ein zweispänniger Wagen auf der gewöhnlichen Straße, wird ve r- stehen, daß dama ls Pferdebahnen auch a ls Ü berl andbahnen etwas durcha us Ernst- zunehmendes waren. Gerstner ha tte sein Privi legium einer neu gegründeten Akti en- gesell schaft, der „K . k . privilegier ten Ersten österreichischen Eisenbahngese ll scha ft ", überlassen , di e ihn selbst a ls Bauführer bestellte. Der Bahnba u begegne te bald vi elen Hinder - nissen : Straßenfuhrwerker und Grundbe- sitzer ve rsuchten a ll es, ihn zu verhindern oder doch zu erschwe ren ; um fa ngreiche Von der Pferdeeisenbahn Linz - Budweis / Oben: Steinbrücke über den Kronbach bei Waldburg-Freistadt/ Links: Wächferhaus Nr. 29 bei Summerau Photos Franz Feldklrchner aufzuziehen. Gerstner ließ sich dadurch nicht beirren. Er wo ll te di e Budweiser Bahn zwa r zunächst für Pferdebetrieb , aber doch so ba uen , daß spä ter zum Loko- motivbetrieb übergegangen werden könne, denn er wa r d er Ansich t, d aß eine Eisen- gena ue Geländes tudien zwi schen Linz und bahn nichts ander es sein dürfe a ls eine Budweis und reiste 1822 nach England, sehr gute Kunststraße, wes ha lb sie auch wo man schon E rfa hrungen über den keine schiefen Ebenen , d. h. keine Seilzug- Eisenbahnbe trieb, versuchsweise mit Loko- Strecken, entha lten dürfe. Nac h seiner motiven , iii. der R egel mit Pferden , ha tte. Rückkehr a us England beka m er am Es wa r dort übli ch , a uf ebenen oder schwach 7. September 1824 von K a ise r Franz I. 101 und teure Grundeinlösungen, di e Anl age vieler neuer V erbindungswege wa ren no t- wendig und zu dem a llen erwi es sich die von Gerstner konzessionslos fes tge haltene, a uf einen künftigen Lokomotivbetri eb be- dachte Trass ierung und Bauausführung a ls weit teurer wie angenommen. U nter seinen Schü lern und Mita rbeitern wa r auch der junge, hochbegabte Ingeneur Ma tthias Schönerer, der sich auch spä ter bei öster- reichischen Bahnbauten (Wi en-Glogg- nitz-Bahn, Nordbahn, Semmering) durch

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