(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 5. Jahrgang, Heft 1/2, 1955
in der Einöd tausenden Menschen in Stadt und Land die Möglichkeit gibt, in ihren Werkstätten oder an ihren Maschinen zu arbeiten, daß der See und <las darin gestaute Wasser solcherart dem Vaterlande helfen werden, die Notzeit zu überwinden. An Hand von Zahlen und Zeichnungen erklärten die Ingenieure auch, daß niemand im Dorf, weder Bauer noch Knecht, weder Kalb noch Kuh Schaden zu befürchten hat, daß keinerlei Ge- fahren bestehen, daß sich das Vieh nicht ertränken, daß das Wild nicht verscheucht werden wird, daß die Blumen und Gräser nicht aussterben werden - ja, daß die eine ergreifend stille und herbe Schönheit des Hochtales in der Öd um eine zweite Schönheit be- reichert werden wird: durch den entstehenden See, der anmutig in der Berglandschaft liegen werde, umkränzt von den neuen sauberen Almen und frischem, saftigem Grün. „Ja, aber das Kraftwerk, das ihr unterhalb des Dorfes bauen wollt! Das wird unser schönes Tal verunstalten, es wird garstig sein, grauslich mit seinen Betonmauern, mit seinem Lärmen und Sausen, mit seinen Arbeitern, die gar nicht zu uns passen - -." Die tausend „Aber wenn - !" fanden eine Fortsetzung in weiteren tausend „Aber wenn - !", die sich gegen den Kraftwerksbau r ichteten. Die Ingenieure und ihre Vermessungsgehilfen waren längst fort, aber im Dorfe wurde noch immer gegen den Bau protestiert, noch immer Sturm gelaufen. Drei Jahre später war das Werk fertig. Oben im Hochtal der Einöd lag der See, blau, glatt und sonn- seidig. Die Baracken, die Krane, die Rollbahnen gab es nicht mehr. Mit ihnen war auch der Lärm der Arbeit, es waren nicht minder die qualmenden Schmiede- und Kantinenfeuer, das Knarren und Quietschen der Aufzüge, der Betonmischmaschinen und vieles andere Ungute verschwunden. Nichts war mehr hier als majestätische und unberührte Stille, lediglich zuweilen vom Kuhglockenklang unterbrochen oder von einem Ruf der Sennerin. Ja, still und feierlich lag der Stausee - wer es nicht wußte und wer von der anderen Seite kam, wo er den hohen, formschönen Wall der Staumauer nicht sah, konnte meinen, diese weite, blaue Fläche sei von der Allmacht selber hergesetzt, als freundliche Er- gänzung zu all der Felsenpracht. Wer aber vom Dorfe heraufstieg, der freute sich, wie sehr hier Natur und Menschengeist zusammen- gewirkt hatten, und wie da nichts war, was das schönheitsdurstige Auge störte. An den Ufern hin breiteten sich saftige Matten, die Alpenrosen- hänge zogen sich weit hin und duftende Kohlröserl standen aller- orten wie einst. Auch das Wild war zurückgekehrt. Es hatte sich nicht einmal durch die drei Jahre dauernden Sprengungen und durch den sonstigen Lärm für immer vergrämen lassen - es liebte den See besonders! Und die Arbeiter des Kraftwerkes, die Ingenieure und anderen Leute, die dazu gehören: ihnen allen gegenüber fiel alsbald das anfängliche Mißtrauen der Dörfler. Die Menschen fanden ein- ander. Es hieß nicht mehr „Das bin ich und das bist du und zwischen uns gibt es nichts Gemeinsames!", sondern das Wort wandelte sich wohltuend: ,,Das sind wir - du und ich, wir ge- hören zusammen! Ich schaffe als Bauer, als Holzknecht, als Schuster oder Schneider. Du tust es als Elektriker, als Schalt- tafelwärter, als Ingenieur - ein jeder hat sein Teil im Leben, aber alle zusammen schaffen wir für unsere Familien, für unser Vaterland, für unser Menschentum, um es vorwärtszubringen, damit es besser und freundlicher werde auf dieser Welt!" Daß die Dörfler einmal gegen den Bau waren, daß sie gegen ihn Sturm liefen, daß sie vorgehabt hatten, Nacht um Nacht das zu zerstören, was von den Arbeitern tagsüber geschafft worden war: daran erinnern sie sich nur mit Ärger über ihre damaligen Vor• urteile. ,,Wir haben uns aufhetzen lassen von ein paar Besser- wissern!" geben sie freimütig zu. ,,Wir leben jetzt weitaus besser als vordem und wir könnten ohne das Elektrische nimmer sein!" 91:. UNU~ine die Oauerappretur In der Tube macht jede Bluse wie neu, gibt Ihr Grllf, Charme, duftige Eleganz . . • und Frische, die lange bleibt. steift Ideal: Blusen, Hemden, Waschkleider, Wäsche, Dauerfalten In Hosen- u. Faltenröcken. ergänzen andere. ,,Wir alle verdienen gut am Werk; durch Arbeit die einen, durch das Fuhrwerken die anderen, durch Lieferungen die dritten!" gestehen sie, in einem ergänzend: ,,Und Fremde kommen weit mehr als früher zu uns und alle sind begeistert!" Das schönste und gütigste Wort aber entrang sich jenem Bauern, dem der größte Teil des Talgrundes gehört hatte, über dem nun der See blaut: ,,Weißt, es ist schon so mit uns Menschen, man wehrt sich halt gegen das Neue. Aber man soll es nicht, denn die Welt dreht sich trotzdem weiter. Wenn ich z'ruckdenk, wie ich mich g'wehrt hab gegen den Bau, so komm ich mir vor wie ein Mensch, der sich gegen das Messer wehrt, und es auf der ganzen Welt abschaffen will, weil man sich damit schneiden könnt1 Aber cs ist doch so: Wegen einem Nachteil kann die Menschheit um des Himmels willen nicht auf hundert Vorteile verzichten!" Seither sind viele Jahre vergangen. Das Hochtal in der Einöd 1iegt nach wie vor im Zauber seiner gottesseligen Einsamkeit. Die Tiere tränken noch immer im See, auch das Wild bleibt ihm treu, die Blumen blühen wie eh und je - das Wasser treibt die Turbinen, und der Strom fließt weit ins Land, überall Kraft gebend, wo man derer bedarf, im Bauernhaus, in der Werkstatt des Handwerkers, in der Fabrik - - -. Fragst du die Dorfjugend, ob sie cs glauben kann, daß einmal schwerer Streit im Dorfe war, daß man den Werksbau verhin- dern wollte, daß man die Zerstörung des im Bau befindlichen Kraftwerkes plante, dann sieht dich diese Jugend ungläubig lächelnd an, schüttelt den Kopf und sagt, so wie sie sich es denkt: „Aber nein, das kann es nicht gegeben haben! Warum sollten unsere Eltern gegen den Werksbau gewesen sein, der für alle - für hier und draußen im Lande - nur Gutes gebracht hat! Das gibt es doch nicht, daß man einst gegen den B11u war I Wir glauben es nicht! Es .ist ja unser Werk! Kommen Sie, wir zeigen Ihnen den Waldweg zum Stausee'!" Ja, und dann gehst du sinnend zum See, zu diesem blauen Wun- der, und du freust dich, daß alles so wurde hier im Einödtal, ·und daß nun niemand mehr ist, der e$ anders habe.n ~l'><:ht~ - -:- !
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