(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 5. Jahrgang, Heft 1/2, 1955
KURT WESSELY &ue ldetJe DER STROMVERWENDUNG In den meisten Staaten Europas ist die Landwirtschaft zum Sorgenkind geworden . Sie beklagt sich, daß der Geldertrag ihrer Arbeit hinter dem Verdienst in Industrie und Gewerbe zurückbleibt, und verweist auf die Landflucht, die wir fast überall antreffen. Auf der anderen Seite wirft man ihr wieder vor, daß sie durch Sub- ventionen und Stützungsaktionen den Steuerträger belastet und eine Sonder- stellung im marktwirtschaftlichen Ablauf fordert. Aber selbst in den Vereinigten Staaten kam man nicht umhin, die Farmer tatsächlich durch eine weitgehende Fest- legung garantierter Übernahmspreise zu unterstützen; man ermöglicht ihnen damit eine feste Kostenrechnung, indem man den Wert ihrer Produktion festlegt und ihn nicht von Zufällen abhängig macht. Es ist klar, daß dadurch die Konsumkraft des Farmers, seine Investitionsmöglichkeiten, aber auch die Bereitschaft zur Zahlung höherer Löhne gesteigert wurde. Gerade dieses Beispiel zeigt, daß die Arbeit auf dem Lande nicht allein ein Lohnproblem ist. Es fehlen vielfach bei günstigen Arbeits- verhältnissen die Arbeitskräfte, die man früher zur Landarbeit erforderlich gehalten hat. Ihr Ersatz wurde im Einsatz des elektrischen Stromes und der Traktoren gefunden. Damit verbessern sich aber nicht nur die technischen Voraussetzungen zur Produktion und die Ertragsmöglichkeiten, es steigt auch die Produktivität der Arbeit, ein Begriff, den man im allgemeinen nur bei der industriellen Fertigung anwendet . Untersucht man nämlich das Verhältnis einer geleisteten Arbeit zu der dafür er- forderlichen Zahl von Arbeitskräften bzw. Arbeitsstunden, so kann man ohne weiteres feststellen, daß sich die so ausgedrückte Produktivität der Landwirtschaft in Öster- reich in den letzten Jahren ganz beträcht- lich gehoben hat. Die Technisierung der Landwirtschaft ist ein äußerst vielgestaltiges Problem. Man kann mit Genugtuung feststellen, daß durch den Einsatz von Traktoren und den dazu passenden landwirtschaftlichen Ge- räten, in den letzten]ahren namentlich auch durch die Mähdrescher, ein gewaltiger Schritt nach vorwärts getan worden ist. Die Landwirtschaft hat klar erkannt, welche Hilfe ihr der Traktoreneinsatz bringt, und möchte auf ihn nicht mehr verzichten. Der Fortschritt im Traktoren- einsatz rührt nicht zuletzt von seiner un- mittelbar werbenden Wirkung her. Es fällt auf, wenn sich ein Landwirt einen Traktor beschafft und seine Gespanne abstößt. Man hat auch leicht Gelegenheit, zu sehen, wie er nun seine Feldarbeit ver- richtet und welche Zeitersparnis er dabei erwirtschaftet. Anders steht es ~it den Arbeiten in Haus und Hof! Sie werden von den Nachbarn nicht so genau verfolgt und außerdem meist von Bäuerinnen und Mägden ver- richtet, die wenig von der Maschinen- anwendung wissen und auch nicht über ihre Beschaffung bestimmen können . So kommt es, daß die Elektrifizierung der Landwirtschaft in Österreich noch nicht jenen Grad erreicht hat wie der Traktoren- einsatz. Wenn die österreichische Landwirtschaft 1954 nur rund 140 Millionen kWh ver- brauchte und damit auf knapp 2 Prozent des Gesamtverbrauches kommt - in Ober- österreich sind es bloß 1,4 Prozent -, so ist dies in erster Linie darauf zurückzu- führen, daß man seinerzeit bei der Anlage der Verteilungsnetze nicht mit einem so starken Anwachsen des Kraftstromver- brauches rechnete. Man begnügte sich damit, den Dörfern Licht zu bringen. Dabei würde, entsprechend ausgerüstete Leitun- gen vorausgesetzt, ein Mehrverbrauch am Lande sowohl der Landwirtschaft als auch den Stromversorgungsunternehmen nützen. Der Ausnützungsgrad könnte verbessert und damit die festen Kosten und die Bereitstellung der Leistung besser und wirtschaftlicher verteilt werden. Freilich gibt es auch hier wirtschaftliche Grenzen: man hat wenig Freude an einigen viel Kraft verbrauchenden Maschinen, die nur kurze Zeit eingesetzt werden, sondern will eine möglichst gleichmäßige Verteilung der geforderten Leistung. Daher etwa die Ablehnung der verschiedenen Gebläse, die Furcht vor der „Druschspitze" und das Eintreten für den Elektroherd! Die Aufgabe, dem Lande Licht zu bringen, ist auch in Oberösterreich weitgehend abge- schlossen. Man hofft, die noch fehlenden 8000 Gehöfte - davon 7200 im Mühl- viertel - in den nächsten Jahren mit Strom versorgen zu können, nachdem man in den Jahren 1949/52 2200 Gehöfte ange- schlossen hatte. Die Durchschnittskosten hiefür betrugen 8000 Schilling je Hof. Angesichts des billigeren Bauens vor 1952 wird man heute mit einem Durchschnitts- betrag von etwa 10.000 Schilling je Hof rechnen können. Dies um so mehr, als die leicht erreichbaren Gehöfte bereits elek- trifiziert sind. Andererseits werden die jetzt erst mit höheren Kosten anzuschließen- den Wirtschaften kaum kostendeckende Strommengen abnehmen. Dazu kommen noch die Installationskosten innerhalb des Gehöftes, die in obiger Aufstellung nicht enthalten sind und (nach Preisen von 1951) mit durchschnittlich 3700 Schilling be- wertet werden. Man versteht daher auch die Schwierig- keiten, in die die örtlichen 106 oberöster- reichischen Verteilungsgenossenschaften ge- kommen sind, die im Landesdurchschnitt einen Ausnützungsgrad von weniger als 2500 Stunden für die ihnen in Rechnung gestellte Leistung erreichen. Sie sehen sich daher, wenn sie ihre Tarife nicht über- höhen wollen, vielfach außerstande, Netz- erneuerungen vorzusehen. Die freiwillige Übernahme ihres Netzes durch die finan- ziell stärkere Landesgesellschaft ist daher eine unvermeidliche, ja eine natürliche wirtschaftliche Entwicklung, durch die ein Ausgleich zwischen den ungünstigen Er- trägen ländlicher Netzteile mit strominten- siven Abnehmerbereichen erzielt werden soll. Erst damit dürften die Voraussetzungen zur Verstärkung von bereits bestehenden Leitungen gegeben sein, ohne die eine wirkliche Elektrifizierung der Landwirt- schaft nicht erreicht werden kann. Anderer- seits wird man nicht umhin können, die Elektrifizierung der Landwirtschaft mehr als bisher durch öffentliche Unterstützun- gen zu fördern. Denn es handelt sich dabei nicht um eine Subvention, deren Wirkung nur beschränkt und rasch vorübergehend ist, sondern um eine nachhaltige Steigerung der landwirtschaftlichen Produktionskraft. Auch in der Schweiz werden 18 Prozent der Neuanschlußkosten öffentlich subven- tioniert. Ist nämlich einmal die Installation erfolgt, so betragen die laufenden Strom- kosten unter den Gestehungskosten der Landwirtschaft nur etwa 1,5 Prozent. Auch eine weitere Steigerung der landwirtschaft- lichen Elektrifizierung, also der Übergang vom Lichtverbrauch zur Vollelektrifi- zierung, wird diesen Kostenanteil nicht wesentlich erhöhen, um so mehr, als damit Kosten anderer Art, insbesondere von Löhnen, eingespart werden können. Die Vollelektrifizierung der Landwirtschaft sollte daher das Fernziel aller Bemühungen sem. Die Landwirtschaft ist ein Wirtschafts- zweig, der besonders hohe Transport- leistungen erfordert. Man legt sich davon im allgemeinen wenig Rechenschaft ab . Ein einfacher Vergleich zwischen der landwirtschaftlichen Betriebsfläche eines mittleren Bauernhofes und einem Fabriks- areal zeigt die Vielgestalt der ländlichen Transportaufgaben. Sie werden noch er- gänzt durch die Arbeiten im Hof, die sich zwischen Küche, Stall und Scheune ab- spielen. In den letzten Jahren hat man mit Recht die Rationalisierung des inner- betrieblichen Transportwesens als vor- dringlich in der Industrie erkannt. Sollte dies nicht auch für die Landwirtschaft - ja mit noch mehr Berechtigung gelten? Dies ist auch der Grund, weshalb der Traktor aus dem österreichischen Bauern- land nicht mehr wegzudenken ist. Der Traktor scheint zunächst der Energie keine Aufgaben mehr im Transportwesen zu lassen, denn obwohl z. B. die Verwen- dung elektrischer Motoren etwa auch beim Pflügen möglich wäre, ließ sich dies wegen der schwierigen Zuführung der Energie bisher nicht verwirklichen. Trotzdem zeigt die Gebirgslage Österreichs Entwick- lungen auf, die einen vollwertigen Ersatz des Traktors durch elektrisch betriebene Zuggeräte möglich erscheinen lassen. Im
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