(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 5. Jahrgang, Heft 1/2, 1955

Betriebsjahr- erfolgreich, wie dies aus dem nachfolgenden Aufsatz des „Gmundner Wochenblattes" vom 20. August 1895 hervorgeht: „Die anfänglich gegen das Unternehmen in Scene gesetzten Umtriebe, durch welche die albernsten Gerüchte verbreitet worden sind, fanden bald keinen Glauben mehr, die bestandene Furcht vor der Bahn verschwand allmählich und die etwa versuchten Verkehrshemmungen und das Be- schimpfen des Personals wurden durch den behörd- lichen Schutz behoben, und in nicht langer Zeit konnte der Verkehr, der sich mit jedem Tag zu- sehends hob, ungestört ausgeübt werden. Die electrische Localbahn hat ihren Betrieb in der lobenswerthesten Weise das ganze Jahr hindurch und ganz besonders aber auch während des so langen und übermäßig strengen Winters aufrecht erhalten. Bei der elektrischen Localbahn sind vom 13. August 1894 nachmittags 2 Uhr bis 13. August 1895 nachts 11 Uhr 55 116.018 Personen und 3452 Colli Gepäck befördert worden, gewiß eine nicht zu unterschätzende Ziffer. Nach der nach- gewiesenen tadellosen Betriebsführung der ge- nannten Bahn kann wohl kaum von einer ,Un- sternbahn', mit welchem Namen man dieselbe zu nennen beliebte, gesprochen werden." In der Nacht verkehren wintersüber die Lokalbahnzüge nicht. Um aber zu den beiden Nachtzügen der Rudolfsbahn eben- falls eine Verbindung zwischen Stadt und Bahnhof zu haben, richtete die Firma S_tern & Hafferl einen Pferdeomnibus ( !) em. Man nahm die Dinge damals so übergenau, daß man über die Verspätungen, die sich bei dem Lokalbahnbetrieb ereigneten (sie waren sehr selten und betrugen stets nur wenige Minuten), lange Debatten im Gemeindeausschuß führte. Es lag natürlich nahe, in Gmunden auch das elektrische Licht einzuführen, wozu man am 22. Jänner 1895 eine Gmundner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft gründete, an der Stern und Hafferl hauptbeteiligt waren. Die Gesellschaft übernahm die Lokalbahn und die Kraftstation. Die Geschäfte entwickelten sich gut. Als Ende 1894 Gmundens Bürgermeister Alois Kal- tenbruner von Kaiser Franz Joseph I. in der Wiener Burg zur Audienz empfangen wurde, fragte der Monarch: ,,Was wird jetzt in Gmunden gemacht?" Bürger- meister Kaltenbruner konnte stolz ant- worten: ,,Wir werden zunächst die Kai- anlagen beim Kaiser-Franz-Joseph-Platz zur Vollendung bringen und höchstwahr- scheinlich bis zum Beginn der nächsten Saison die Anlagen auf diesem Platz und auch die Esplanade elektrisch beleuchten!" Tatsächlich konnte am 15. Juni 1895 die Einführung der elektrischen Beleuchtung in Gmunden festlich begangen werden. Der Strom kostete pro Hektowattstunde sechs Kreuzer, ab 1896 nur noch fünf Kreuzer, die Kilowattstunde kam also auf einen halben Gulden zu stehen. Zum Ver- gleich sei erwähnt, daß ein Kilo Rind- fleisch damals 55 bis 60 Kreuzer kostete, ein Kilo Geselchtes 80 Kreuzer, ein Kilo Butter 90 Kreuzer bis einen Gulden. Das heißt also, daß eine Kilowattstunde nach heutigem Geldwert etwa 15 bis 20 Schil- ling kostete. (Der Kleinstverbraucher zahlt heute S 2.50, der Normalverbrau- cher mit Grundgebühr 50 Groschen pro Kilowattstunde.) Inzwischen hatte auch die Stadt Vöckla- bruck ein Elektrizitätswerk erbaut, das am 21. Dez. 1897 den Betrieb aufnahm. Stern und Hafferl bauten dann als erste Drehstromanlage das Traunfallwerk, das am 8. Februar 1902 in Betrieb ging. Auch imWeißenbachtal sollte einWerk erstehen, wie damals überhaupt die „Zeit der kleinen Werke" war. So gab es im Ge- meindegebiet Ebensee sieben private „elektrische Zentralen", natürlich mit nur winzigen Leistungen. Stern & Hafferl bauten dann 1903 am Dittlbach bei St. Wolfgang ein kleines Wasserkraftwerk. Im übrigen errichtete die kaiserliche Forstverwaltung am Offensee-Frauen- weißenbach im Jahre 1904 für ihre Zwecke eine kleine Talsperre mit einem E-Werk von 200 PS Leistung. Bad Ischl vollendete sein E-Werk Weinbach und setzte es mit einer Festbeleuchtung des Ortes am 6. August 1904 in Betrieb. Im Spätherbst 1904 wurde auch in der Gmundner Stadtpfarrkirche die elektri- sche Installation durchgeführt. Nun nahm die Entwicklung ein immer rascheres Tempo an. Am 4. Juli 1905 wurde die neue Fernleitung St. Wolfgang -Mondsee kollaudiert und etwa vierzehn Tage später erstrahlte der Ort Mondsee im elektrischen Licht. Kurz nachher er- hielten die Bahnhöfe Gmunden und Bad Ischl elektrische Beleuchtung. Beinahe wäre die Beleuchtung des Gmundner Bahnhofes nicht zustande gekommen, denn ein Besitzer weigerte sich, die Leitung über seinen Grund führen zu lassen. Erst nach wochenlangen Verhandl~ngen (es gab noch kein Elektrizitätswege-Gesetz) und nach dem Bezahlen einer nicht kleinen Abfindung war diese Schwierigkeit be- seitigt. Damals machten die Gaswerke noch immer eifrig Propaganda gegen die Ver- wendung der Elektrizität. Die Spiritus- industrie tat desgleichen; sie schickte Wanderlehrer durch das Land bis in die kleinsten Dörfer, um durch sie verkünden zu lassen, die Petroleum- oder Spiritus- beleuchtung wie -beheizung seien weitaus besser, billiger, gefahrloser und hygieni- scher als solche durch Gas oder Elektri- zität. Die Hersteller von Azetylengas- anlagen wiesen „überzeugend" nach, daß man „alsbald" vom elektrischen Strom abkommen und nur noch Azetylengas- lampen verwenden werde. Sie machten ihre Sache so geschickt, daß nicht nur überraschend viele Azetylen-Kleinanlagen gebaut wurden, sondern daß sogar größere Gemeinden diese Beleuchtungsart dem elektrischen Licht vorzogen. So rich- tete sich die Stadtgemeinde Grieskirchen im Jahre 1902 mit dem sehr bedeutenden Kostenaufwand von 50.000 Kronen eine solche Azetylengasanlage ein. Ein Rohr- netz von mehr als drei Kilometer Länge durchzog die Stadt. Es speiste 24 öffent- liche Lampen und lieferte in 55 Häuser das Gas zur Beleuchtung der Wohnungen. Auch die Stadt Wels besaß an der Traun eine elektrische Zentrale, die seit 5. Jän- ner 1901 in Betrieb stand. In Wels ver- langten am 10.April 1903 einige Gemeinde- vertreter, das Elektrizitätswerk solle die am Kaiser-Joseph-Platz aufgestellten Bo- genlampen sofort entfernen, denn man be- sitze dort Gaslampen, und wo Gas brennt, dort habe die Elektrizität nichts zu suchen. Die meisten Elektrizitätswerke schalteten mittags zwei Stunden lang ab, sie machten „Essenspause". Ebenso gab es in vielen Werken noch keinen durchgehenden Nachtbetrieb. Meist wurde um 23 Uhr oder spätestens um Mitternacht die Strom- erzeugung eingestellt. Nachtstrom, der heute für bestimmte Verwendungsarten wesentlich billiger abgegeben wird, kostete damals in den meisten Werken um 25 Prozent mehr als Tagstrom. Die Verwendung von elektrischer Kraft war zwar rasch im Zunehmen, aber sie hatte noch lange nicht hohe Bedeutung. Als Ende 1903 in Wels die Fleischhauerei Hofer einen elektrisch betriebenen Wolf bekam, gab dies Anlaß, in den Zeitungen über diesen „elektrischen Motor zum Zwecke der Fleischquetschung" zu berich- ten. Im Jahre 1903 standen der ober- österreichischen Industrie 62.259 PS Motorkräfte zur Verfügung. Davon wur- den 54 Prozent von .Wassermotoren (Schaufelrädern, Wasserturbinen usw.), 19 Prozent von Dampfmaschinen und 26 Prozent von Elektromotoren geliefert. Das Restprozent verteilt sich auf ver- schiedene andere Kraftmaschinensysteme. Als in Gmunden im Jahre 1904 insgesamt 731 Lampen, 6 Bügeleisen, 2 Ventilatoren und 3 Motoren (letztere mit zusammen 14 PS) zuwuchsen, bezeichnete man dieses Jahresergebnis als großartigen Er- folg der Elektrifizierung! Da man einen Verbundbetrieb damals .noch kaum kannte und einzelne Zentralen meist nur bescheidene Leistungen auf- wiesen, war es oft nicht möglich, Wün- schen nach neuen Kraftanschlüssen nach- zukommen. So war, um ein Beispiel an- zuführen, in Vöcklabruck ein eigener Gemeindeausschuß- Beschluß notwendig (30. März 1902), um den Anschluß eines 3-PS-Motors an das E-Werk der Gemeinde zu gestatten. In Linz, wo man seit 1. Juli 1880 eine Pferdebahn betrieb, errichtete man 1897 in der Lederergasse eine Dampfzentrale. Zugleich begann man in verschiedenen Häusern mit den Installationen für das elektrische Licht. Ab 31. Juli 1897 liefen die Linzer Straßenbahnwagen von elek- trischer Kraft getrieben. Aber ungeachtet aller intensiven Aufklärungsarbeit waren 1901 - also nach vier Jahren! - in Linz nur 3300 Glühlampen in Betrieb, und erst im März des Jahres 1905 brannten als erste öffentliche elektrische Beleuchtung zwölf Bogenlampen am Kaiser-Franz- ] oseph-Platz, dem heutigen Hauptplatz. Der Gemeindeausschuß der damals noch selbständigen Stadt Urfahr erklärte am 28. 4. 1905: ,,So wünschenswert die Ein- führung der elektrischen Straßenbeleuch- tung in Urfahr wäre, ist leider im Hin- blick auf die großen Kosten und die be- schränkten Mittel der Gemeinde eine der- artige Einführung ganz ausgeschlossen." Es würde hier zu weit führen, die groß- artige Entwicklung aufzuzeigen, die Linz auf dem Gebiet der Elektrifizierung später und in jüngster Zeit erlebte. Das muß 74

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