(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 5. Jahrgang, Heft 1/2, 1955

• tm Wenn in den Tälern des Salzkammergutes Fangbeginn kann man sie mit großen und im Donaubecken dichte Nebel lagern Säcken in den Bergen und Wäldern sehen. und auf den Bergen schon der Neuschnee Die ganze Familie beteiligt sich oft an dem flimmert, ist die Zeit für die Vogelfänger Sammeln der Zapfen von Tannen, Fichten, gekommen. Am frühesten Morgen, wenn Legföhren und Lärchen, um für ihre Lieb- a lles noch im Schlummer liegt, oft schon linge genügend Futter für die v\Tinter- um zwei Uhr , ziehen sie aus, um vor Son- nenaufgang am Fangplatz zu sein. Der Vogelfang greift im Salzkammergut auf uralte Überlieferung zurück, denn schon vor J ahrhunderten zogen die Vogelfreunde in die herbstklaren Berge, um d ie schönsten und besten Sänger des Bergwaldes heim- zubringen. M it besonderem Stolz und größter Sorgfalt wird in Ebensee, das a ls di e Geburtsstätte d es Vogelfanges bezeich- net werden kann, ein Privi leg aus der Zeit Maria Theresias aufbewahrt, in dem die monate bereit zu haben, und schleppt dann di e vollen Säcke im mühevollen Ab- stieg talwärts. Die große Liebe, die die Vogelfreunde des Salzkammergutes den gefiederten Sängern entgegenbringen, formt oft zutiefst das Alltagsleben der ge- samten Familie, die die langen Winter- monate über tagaus, tagein für d as v\ 7 ohl ihrer Lieblinge sorgt. In manchen Stuben hängen zehn, fünfz ehn Vogelhäuschen, die tagsüber teilweise offen gelassen werden, so daß sich die Tiere frei in der Stube be- Fangberechtigung in „Wa ld und Gebirg" wegen können. ertei lt wurde. Die Fangplätze werden von In der Fangzeit des Spätherbstes geht es hauptsächlich auf Kreuzschnabel , Stiegli tz , Zeisig und Gimpel. D er begehrteste von den zuständigen Forstbehörden genauest festgelegt, und es herrscht zwi schen den Freunden d er J agd und des Vogelfanges im gesamten Salzkammergut das beste Ein- vernehmen. Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Fang der Vögel in unseren heimat- lichen Bergen und dem in den südlichen Ländern. Im Mittelmeerraum wird ein V ernich tungsfeldzug ohne Beispiel gegen die gefiederten Sänger geführt, teils um die Ernte vor den großen Schäden, die ein- fa llende Vogelschwärme anri chten, zu schützen, vielfach aber aus reiner J agd- leidenschaft. Anders, ganz anders ist es bei den Vogel- fängern des Salzkammergutes. Schon vor diesen Vögeln ist der berühmte Kreuz - schnabel, der oftma ls eine beträch tliche Größe erreich t. Man muß bei diesem Tier unwillkürlich an die L egende denken, die ihm seinen Namen gab: Als Christus ans Kreuz geschlagen war, umfla tterte ihn plötzlich ein Vögelein. Vom Mitleid ge- rü hrt, ließ es sich auf dem Querbalken nieder, an dem die H ände des H errn fest- genagelt waren, und versuchte, mit sei nem Schnabel die schweren Nägel aus dem grünen H olz zu ziehen . Trotz größter Mühe gelang es ihm aber nicht, sein Schnabel war dabei verbogen worden und hatte die Form eines Kreuzes bekommen. Von diesem T age an trägt der Vogel für alle Zeiten d en Namen Kreuzschnabel. Der Volksmund hat ihm a llerdings a uch andere Namen gegeben, wie „Schönschreier" in Gmunden, ,,Heilschreier" in H a llstatt, oder ,,Zirper" und „Wister". Nur die schönsten der gefangenen Tiere werden nach Hause gebracht, a lle anderen werden sofort wieder freigelassen. Im De- zember j eden Jahres veranstalten die Vereine im „Verband der Vogelfreunde des Salzkammergutes" eine Ausstellung, zu der jeder Vogelfänger seine „Auslese" zur Schau stell t. Es ist natürlich j eder bemüht, den schönsten Schnabel - Stieglitz, Zeisig oder Gimpel - zu zeigen. Der Laie kann nur schwer nennenswerte Unterschiede bei all di esen herrlichen Tieren feststellen. Die schönsten Vögel und di e besten Sänger jedes ortseigenen Vereines werden dann zur Verbandsauss tellung gesandt . Bei dieser geh t es um die schönsten Tiere und den besten Sänger d es Salzkammergu tes, und die Jury hat es nicht leicht, denn schon mancher Vogelfreund hat mit künstli chen Farben und meisterhaft geführten Pinsel - strichen versucht , seinem Liebling zum- ,,Schönheitskönig" zu verhelfen. Viele Vogelfreunde stellen ihren Lieblingen ein ganzes Zimmer zur Verfügung, in dem ein künstlicher \ 1 Vald aufgebaut wird ; da tummelt sich die bunte Schar im lustigen Sängerwettstreit. Über die Freiheitsliebe der Vögel wurden in den letzten Jahren interessante Versuche angestell t. Es hat sich zu einem hohen Prozentsatz erwiesen, daß, sobald di e T iere einige Wochen an das Versorgtsein gewöhnt waren, sie keine Lust mehr verspürten , zu ihren Artgenossen im Bergwald zurückzufliegen . Freigelassene Tiere kehrten fast immer wieder zu ihrem „Häuschen" zurück. Wenn aber die Zeit des Paarens kommt, dann werden sie auch in der Gefangenschaft unruhig, und es drä ngt sie hinaus in ihre fre ie schöne Welt und hinauf zum Bergwald und zu den lich- ten, leuchtenden Almen . Zu dieser Zeit erweist es sich auch , daß die Vogelfänge r d es Salzkammergutes wahre Vogelfreund e sind . Mit bestem Futter ver - sorgt, haben sie ihren Lieblingen über die harten Wintermonate hinweggeholfen, und wenn der Frühling durch di e T ä ler zieht und hinaufsteigt in di e Wälder und Berge, schenken sie einem Großteil ihrer gefieder- ten Sänger die Freiheit. Lieder schme tternd flattern diese dann in den Frühling hinein, um hoch droben im stillen Bergwald Hoch- zeit zu feiern. 44

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