(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 5. Jahrgang, Heft 1/2, 1955

Der Kurort Bad Hall in Oberösterreich feiert 1955 sein l00jähriges Gedenken an die Übernahme seiner Quellen in den Besitz des Landes Oberösterreich. Ein langer Weg zeichnet sich in dieser l00jährigen Entwicklung ab. An seinem Anfang stand ein kleiner, unbedeutender Marktflecken, fernab vom großen Verkehr, an dessen Rand ein verwahrloster Quell- tümpel bestand, in dem seit vielen J ahrhunderten ein bitter- salzig schmeckendes Wasser aufbrach. Schon die Volksmedizin des Mittelalters h atte darin ei.n besonderes Heilmittel gegen Kröpfe und en tzündliche Erkrankungen erkannt . Seit Menschengedenken war man zu diesem Wasser gepilgert , um Heilung zu finden, fässerweise war es abgeholt und weit in die Kropfgegend der Alpenländer versandt worden. Sogar da'S damit gebackene Brot hatte .sich als Kropfbrot erwiesen und eine gewisse Berühmtheit erlangt. An eine umfangr eichere wirtschaftliche Auswertung dieser Quelle hat jedoch niemand gedacht, bis ein ortsansässiger Drogist, Johann Sch euchen- fe lner, darin den Heilstoff J od nachw ies, der der Medizin seiner Zeit eine neue Richtung gegeben hatte. Das war 1823 gewesen. Matthias Steppich, ein in P farrkirchen ansässiger Wundarzt, hatte daraufhin ei nen kleinen Badebetrieb mit sechs Badekabinen aufgezäumt. Ein Bürger Halls war diesem Beispiel 1830 gefolgt und h at in seinem Hause zwölf Bade- kabinen eingerichtet. Es waren primitive Betriebe. di e auf altüberkommener Erfahrung aufbauten und sich im Baden und Trinken erschöpften . Sie konnten sich kaum weiter- entwickeln, um so mehr, als alle Voraussetzungen fehlten, um die Quelle - die Grundlage des Betriebes - großzügig zu fassen und die nötigen Heilwassermengen zu erschließen . Wohl h atte der Abt von Kremsmünster auf Grund der aus dem Jahre 777 stammenden Schenkung des Bayernherzogs Tassilo III. die Genehmigung zur Nutzung dieser Quelle erteilt; bald darauf legte jedoch der Fiskus des Staates seine Hand auf dieses Wasser. Ein Ansuchen der beiden Besitzer um langfristige Nutzungsgenehm~gung war rundweg abgelehnt worden. Die Bürger Halls sahen damit ihre Hoffnungen auf eine neue wirtschaftliche Blüte schwinden. Da veranlaßte Eduard Freiherr von Bach, de r nach 1848 eingesetzt e Statt- halter des Landes ob der Enns und Präsiden t des 0 .-Ö. Landes- kollegiums, die o.-c. Landstände dazu, daß sie die Quelle in ihre Obhut nahmen. Langwierige Verhandlungen setzten ein, bis der Staat das Verfügungsrecht der Quelle dem Lande Oberösterr eich mit der Verpflichtung übertrug, für ihre medizinische Auswertung zu sorgen. Das Land Oberösterreich ha t diese Verpflichtung in einer l00jährigen Entwicklung großzügigst er.füllt. Heute, JO0 Jahre nach der Weihe des ernten Kurgebä udes, hat Bad Hall als Sitz einer modernen kurmäßigen Jodth erapie eine bestim- mende Stellung unter den Heilbädern Mitteleuropas erlangt. Es s tützt sich nicht m ehr allein auf die alte, natürlich auf- brechende und durch süße Grundwässer verdünnte Tassilo- Quelle. Ein ausged ehntes, durch ein Schutzgebiet rechtlich gesichertes Heilwasservorkommen wurde im Tiefbohrb etrieb systematisch erschlossen. 58 Tiefbohrungen wurden seit 1893 im gesamten Raume von Bad Hall nied ergebracht. Dabei II Bad Hall 100 (}a/h1ce_ ?ueil/Jad wurden Wässer angetroffen, welche die hochwertigsten ihrer Art im gesamten zentraleuropäischen Raum s ind. Moderll!St ausgebaute Spezialbehandlungsanlagen lassen spezifische und allgemeine Wirkungen in einer Weise verbinden, w ie sie durch ander e Behandlungsformen kaum je erreicht werden. Zu den Bädern gesellen sich je nach Allgemeinzustand und Erkran- kungsform des Patient en Trinkkuren, Inhalationen , Sprüh- behandlungen, Massagen, Bewegungsübungen, elektrothera- peutische Behandlung und Diätvorschreibungen. Alle über- haupt gangbaren Aufnahmewege und Aufnahmeformen des Jods und der sonstigen Inhaltsstoffe der Quellen in den m enschfü:hen Körper und seine Organe werden durch diese Kurformen nutzbar gemacht . Durch die Haut hindurch, über den Atmungstrakt, über die Verdauungsorgane und in das Auge werden die Inhaltsstoffe der Quellwässer Tag für Tag zugeführt und so ein sich allmählich entwickelndes, jedoch lang anhaltendes Heilungsgeschehen eingeleitet. Die Kur ist zu einer durch kein anderes Mittel vollwer t ig ersetzbaren Heilweise bei hohem Blutdruck, Arteriosklerose, peripheren Durchblutungsstörungen und Folgezuständen nach Throm- bosen geworden. Sie leitet im Wege über eine Beeinflussung des Gefäßsystems einen Schongang des Herzens unter ent- lastenden Bedingungen ein, der noch Monate nach Kurende anhält. Sie leistet sowohl b ei entzündlichen als auch b ei degen erativen Erkrankungsformen des Auges Außerordent- lich es und vermag auch bei Erkrankungen des Bewegungs- appariates, Folgezuständen nach Schl:aganfäillen und a-l[en Arten von chronischen Entzündungen hervorragend zu wirken. Um die theoretischen und praktischen Grundlagen der Therapie des Kurortes weiter auszubauen, um Aufgaben und Möglichkeiten dieses spezifisch wirksamen Heilbades noch genauer abzugrenzen und zu erfassen, schuf die oberöster- r eichische Landesregierung im Jahre 1950 im Kurort selbst eine moderne Forschungsstätte. In Erinnerung an den großen Arzt des ausgehenden Mittel alters Theophrastus Bombastus von Hohenheim erhielt s,ie den Namen Paracelsus-Institut . Sie umfaßt h eute Abteilungen für Chemie, Physiologie, interne Medizin und Augenheilkunde, wobei die beiden letzteren praktischen Abteilungen klinisch geführt s ind. Für die Leitung dieser Institute konnten vier Ordinarien der Universitäten Wien und Graz gewonnen werden. Als namhafte Kapazitäten ihrer F achgebiete sorgen sie für die engste Verbindung des InstJitutes zur modernen Hochschulwissenschaft. Ihre nach Bad Hall abgeordneten Mitarbeiter bilden ein Arbeitsteam, befähigt, alle schwebenden Fragen von eingehender Grund- lagenforschung bis zur klinisch-experimentellen Erprobung des Heilmittels Jod-Sole erfolgreich zu bearbeiten. Großzü gige apparative Ausstattung aus Mitteln des L andes Oberösterreich gab die Möglichkeit, modernste Arbeitstechnik in den Dienst dieser Aufgabe zu stellen. Die gegenwärtig laufenden Arbeiten sollen die Grundlagen für weitere Vertiefung unseres Wissens von der Wirksamkeit des einzigartigen Heilscha t zes des oberö:s.terreichischen J od- bades Hall liefern, um damit breiten Krnisen Gesundheit und Schaffenskraft zu erhalten.

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