Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 3/4, 1954

Linke Seite: St. Augustin.us; Deckenfresko in. der Bibliothek von Lambach Der ),Kaisergang" im Stift St . Florian Photos: A. Feichtenberger wie die Atemluft, die kultursatte Atmosphäre der Vergangenheit, noch die toten Steine reden zu dir davon. Schöpfe immerzu aus diesem so nahen Reichtum deine Freude, aber nie Hochmut und Übermut. Lies in allem die Verpflichtung, die selbstverständlich ist und mahnt. Du bist nicht von der Kultur erfaßt, wenn du dich, geblendet von der Nähe, zu einer Wertung versteigst und in frevlem Hochmut die weiter entfernt sprießenden Quellen für gering und niedrig erachtest, weil sie nicht unmittelbar dein goldenes Bett umfließen. Denke daran, daß die erste Voraussetzung für deine Güter weitab in fernen volksmäßigen Anfängen liegt, die noch immer die U rspeise für deine glanzvollen Hochformen bilden. Da aber kommt ein Stern Aus Wolken groß heraus Uml strahlt als Gruß tles Herrn Dem letzten Herbergshaus. Fürwahr, die Tür ist klein, Vor der die Liehe hält, Beglänzt von leisem Schein, Der aus den Fenstern fällt. Der Wirt hat sie gesehn Und eilt zu ihr heraus. ,,0 bleib nicht draußen stehn! 0 komm ,loch in mein Haus! Ist es auch übervoll Von Sorge, Leitl und Pein, Für ,lieh, du Arme, soll Ein Platz noch immer sein! Und ist's auch nur auf Stroh, So ruhst tlu dennoch lind. 0 komm: du machst mir froh Des Hauses Ingesiml'!" So wird ,lern Licht ,ler Welt Zum Schirm tler Armut Dach. Und Hirten auf dem Feld Werden aus Träumen wach Untl ziehen gläubig hin, Zu knien vor dem Licht, Das von tlem Gottessinn Des Menschenlebens spricht. Du, Provinzbewohner -so muß der Wiener antworten - , bist näher den Urgründen, den Müttern möchte man sagen. Deine Kulturwerte sind anderer Art und innerlich unbegrenzt, wenn du dir selber treu bleibst. Wohl ist dein Leisten äußerlich an den Rahmen der Entfaltungsbegrenzung gebunden, den wirtschaftliche und technische Voraussetzungen umschreiben. Doch ist dies kein Grund, scheel auf die Großstadt zu schauen, sie wegen ihrer Möglichkeiten neidvoll zu hassen oder blindeifrig nachzuahmen. Was du und deine Leistung im jahrhundertelangen Fluß der Großstadt an biologischer und seelischer Kraft gibst, wandelt sie in die ihr aufgesetzten und möglichen Werte um, ohne dich ärmer zu machen; im Gegenteil, du wirst durch dein Schenken reicher. Verstehe dies, sei dir deines Wertes bewußt, aber ohne Neid, ohne Empfindlichkeit und Haßeinstellung, denn diese verkleinern dich und wachsen nur auf dem Grunde einer Minderwertigkeitsempfindung, die du ebenso von dir weisen mußt, wie der Großstädter eine Überheblichkeit. Soll an Beispielen erläutert werden, wie sich immer an unseren Größten die beiden Welten ergänzt haben? Erst kürzlich war der 75. Todestag Franz Stelzhamers Anlaß zu mancher Erinnerungsfeier. Wie war dieser Kleinbauernsohn aus dem Innviertler Dorf, dieser blutechte Provinzler, dieser schwärmende Naturbursch und König der Mundart, viele Jahre seines Lebens mit allen Fasern seines Wesens Wien verbunden? Wie oft trugen seine Wanderfüße den Dichter von Wien heim zum Müaderl und wiederum zurück in die ferne Großstadt! Wie haben die Großstadtjahre die Erkenntnis seiner eingeborenen Kulturwerte vertieft und reifen lassen! Wie schlug die urtümliche Kraft seiner Mundart zurück in einen Kreis verstehender Wiener! Und Adalbert Stifter! Kam er nicht aus dem stillen Winkel des Böhmerwaldes mit den zartesten Keimen für eine große Kulturleistung höchster Art, die ihm erst nach dem Durchgang durch die Kultureinflüsse der Großstadt und Rückkehr in die Provinz die heute so strahlenden Blüten schenkten? Spannt sich nicht in Bruckners Geist, um einen dritten Fürsten zu nennen, der ungeheure Bogen vom Törpischen (in Reinkultur möchte man sagen) seiner Herkunft und Art zum Gipfel eines ins überirdische greifenden Kulturschaffens, den der bäuerlich gebliebene Mensch im Großstadtkreis erklomm? Angesichts solcher Erkenntnisse hat kleinlicher Ungeist zu schweigen und müßte Klarheit auch dort einziehen, wo bisher ein Mangel an Wollen es vielleicht verhindert hat. 11

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