(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

BÜfJDEB • WIE WIR SIE SEHEN Dalmatinisches Jahr Der Sommer läßt uns südliche Landschaften be- sonders gut begreifen. Gerne nehmen wir in dieser Jahreszeit Bücher zur Hand, die den Gluthauch der Sonne in sich tragen. Ein derartiges Buch ist der eben erschienene Roman von J. G. Lettenmair, ,,Dalmatinisches Jahr" (München, Wien: Andermann Verl. , 287 Sei- ten, Ganzleinen). Es ist die Geschichte von Mirko und Alke, mehr noch ist es der Roman einer Land- schaft. Das unermeßliche Meer spült an weißen; heißen Stein. Karg ist der Boden der dalmatini- schen Erde, fischreich aber das Wasser des dalma- seiner Braut. Es drängt ihn von der Heimat fort, ohne die er doch nicht leben kann. Aber er erreicht sein Ziel. Er erarbeitet für das Dorf die Netze, ge- winnt den Freund zurück, findet daheim die treue Gefährtin mit einem Kinde, seinem Fleisch und Blut, erlebt nach all der Mühe und all dem Streben die Kraft der heimatlichen Scholle doppelt stark. Dies ist der Inhalt des Romans. In gleicher In- tensität ist aber auch das Wesen der Landschaft gestaltet, in der die Menschen dieses Buches leben. J. G. Lettenmair findet dabei eine Dichte des Aus- drucks und eine Farbigkeit der Schilderung, die kaum überboten werden kann. Mit suggestiver Kraft führt er den Leser in die vVelt des Südens. Die Position Karl Postls in der österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts ist seit längerer Zeit fixiert. Man weiß und anerkennt, daß er ein be- deutender Erzähler war, man kann einwandfrei nachweisen, daß die üppige Abenteuerliteratur auf ihm und seinen Anregungen fußt, daß. er mit dem Amerikaner Cooper · gemeinsam zum Vorbild all der vielen Indianergeschichten wurde. Man wertete richtig, wenn man feststellte, daß diese späteren Arbeiten wie Unkraut wucherten, er aber ein ech- ter Dichter war, durchglüht von einer Leidenschaft der Seele, getrieben von den Kräften seines Inge- niums, das ihn zum Genie machte. Man nannte auch in richtiger Reihenfolge die Fülle seiner tinischen Meeres. Hart ist das Leben der Fischer. Man -spürt körperlich das Spiel der heißen Sonne Werke, hatte sein Geheimnis längst gelüftet, wußte, Trotzdem sind ihre Tage paradiesisch, von er- auf dem hellen Stein, erlebt die Stunde Pans in der daß hinter dem anglikanischen Namen Charles habener Schlichtheit der Arbeit, von glücklicher glühenden Mittagsschwüle Dalmatiens, fühlt die Sealsfield der ehemalige österreichische Ordens- Bescheidenheit und kreatürlicher Geduld. Nacht auf dem Meere in sich eindringen, erlebt wie geistliche Karl Postl steckt. Es waren dies alles Dann und wann ersteht aus ihrer Mitte ein Held, einen Traum Split. Ist die Gestaltung der Handlung Einzelerkenntnisse, Bausteine, aber noch lange kein wie Mirko Kraljevi~, der kriegerische Heros einer ein Nachweis geschickter und kultivierter Erzähl- wissenschaftliches Gebäude. im Grunde friedlichen Bevölkerung. So ist Mirko. kunst, so muß die Schilderung der Landschaftun- Es ist das Verdienst der groß angelegten Bio- Sein Blut rinnt heißer und rascher in seinen Adern. bedi!lgt eine dichterische Leistung genannt werden . graphie von Eduard Castle, dieses Gesamtbild über Es ist wie Nordwein, nicht wie Südwein. Sein We- Es ist ein Buch zum Träumen. Das bedeutet viel Leben und Werk von Charles Sealsfield endlich sen scheint alle Charakterzüge der dalmatinischen in unserer Zeit. Landschaft und des dalmatinischen Küstenvolkes Dr. 0. 'v\T. geformt zu haben. in sich einzuschließen. Es ist, als hätte ihn eine Vile geboren, die in sein Herz die Wurzeln Dalmatiens Charles Sealsfield versenkte. Seine Seele kennt die Schwärmerei und Die Beschäftigung des 0.-Ö. Landesverlages mit die ½'.ildheit serbischen Volkstums. Sie ist weich, dem dichterischen Werk des österreichischen Er- braust im nächsten Augenblick jedoch wie ein zählers und Abenteurers Charles Sealsfield*, das Eduard Castle ist in germanistischen Fachkreisen für seine Gründlichkeit bekannt. Er ist ein Ver- treter der alten Historikergeneration, die Quellen- forschung über schöngeistiges Philosophieren und Psychoanalyse stellte. Gültigkeit allein besitzt die fundierte und aus schriftlichen Zeugnissen beleg- Meeressturm auf. Sie ist ehrgeizig und drängt nach Bemühen, ihn der Jugend von heute nahezubrin- bare Erkenntnis. Man hat dieser nüchternen Ar- Befreiung voil ci;n ·Fesseln ·der Armut. Er will sich gen, ihn als Vorläufer und dichterischen Urheber beit in unserer Zeit vielfach den Vorwurf der ein Haus bauen, ein Haus aus Stein, aber größer der Gattung des Abenteuerromans bekannt zu Stubengelehrsamkeit gemacht. Und doch liest sich als die Hütten der Fischer im Dorfe, geräumiger machen, lenkte unsere Aufmerksamkeit sofort auf Eduards Castles Biographie wie eix, Roman. Das für Frau und Kind. Und er will die Sklaverei eines die 1952 erschienene Biographie des bekannten Lebensabenteuer des Südmährers Karl Postl war reichen_Ne!zeverleihe~s a'bwerfen, für sich und das Universitätslehrers und Germanisten Eduard Castle so erregend, daß es den Biographen zu einer be- Dorf. Mit sliesem Wollen durchmißt er die Bahn über den Dichter (Eduard Castle: Der große Un- wegten, spannenden Darstellung mitriß. seines Lebens. Es wird .ihm nicht leicht gemacht. · bekannte. Das Leben von Charles Sealsfield [Karl Im Sinne dieser al tüberlieferten Kunst der Le- Seine Mitgenossen verstehen ihn nicht, sie dösen Postl). Mit 34 Bildern und I Stammtafel. - Wien, bensbeschreibung ist diese Biographie gleichzeitig München: Manutiuspresse 1952, 726 Seiten, Ganz- aber auch ein Zeit- und Landesbild. Die Umwelt, lieber in Elend und bei Wein weiter. E~ verliert seinen Freund. Fast droht ihm auch der Verlust leinen). 82 die Familie, der Freundeskreis, die Lebensatmo- sphäre werden mit größter Eindringlichkeit ge- schildert, die Handlungen und dichterischen Lei- stungen Sealsfields also nicht nur aus seiner Ver- anlagung, sondern ebenso aus ihrem Milieu be- gründet. Dabei erleben wir den österreichischen Vormärz und aus ihm den Sprung in die Freiheit. Wir erleben das amerikanische Pionierzeitalter und werden in die Werkstatt des Dichters geführt, wenn er seine bunten Gestalten darstellt und mit glühen- den Worten den Reiz fremder Landschaften nach- empfindet. Die Sealsfield-Forschung dürfte mit diesem ,"1erk zu einem gewissen Abschluß gebracht worden sein. Die Quellen scheinen restlos ausgeschöpft, die vielen offenen Fragen im Leben des Dichters ge- klärt, vor allem aber haben seine Werke eine gül- tige Wertung erfahren, so daß Sealsfielcls Platz in der österreichi~chen Literatur mit dieser Lebens- beschreibung endgültig gesichert sein dürfte. * Charles Sealsfield: Die Prärie amJacinto. 160 Seiten, Format 12 .5 x 19.5 cm, Pappband mit lackiertem Überzug; Verkaufspreis S 28.- Auf- genommen in die Empfehlungsliste des Bundes- ministeriums für Unterricht.

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