(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

zerrte. Mag wohl -gewesen sein, daß dem Herzen ähnlich ge- schah, der Knabe sprang plötzlich auf, griff nach .dem Bären und schleuderte ihn in den Tümpel. Das Tier tauchte unter, kam wieder hoch und begann in weitem Bogen zu kreisen, den Fluten des Wassers folgend. Der Knabe nahm Steine auf, groß wie seine ei,gene Faust, und warf sie nach dem Bären. Er hatte eine geübte Hand und kam dem Ztel sehr nahe. Das auf- wallende Wasser überströmte bald den Kopf des Tieres, bald den Leib und deckte es manchmal ganz. Ein großer Stein traf es auf die Brust, daß es einen knarrenden Laut von sich gab und versank. Der Knabe ließ den Stein fallen, den er noch trug, und starrte nach dem Wasser. Es kreiste wie vorher, an Blättern und kleinen Holzstücken war es zu erkennen; sonst war es leer, wie es gewesen war. Von den Felsschnellen aber drang wieder das Geräusch durch, schwellend und abnehmend, wie es der wechselnde Wind trug. Da stieg neues Weinen i-n dem Knaben empor; es verzerrte freilich nicht mehr sein Ant- litz und konnte so nicht mehr aus dem Zorne kommen, es stieß und schüttelte ihn auch nicht wie schmerzhaftes Fieber, es floß milde und lange dahin und erlosch; es war ein gutes, edles Weinen. Als ein Windstoß den Schlag der Dorfuhr vorüberwehte, stand Alfred auf und hängt'e den Rucksack um. Er sagte: ,,Nun muß ich Gerda suchen. Bis um sechs Uhr hat uns Va- ter Zeit gegeben." Er warf im Weggehen noch einen schnellen Blick über den Tümpel, der Zufall hatte ihn mehr veranlaßt als die Absid1t. Ein leiser Schrei fo lgte unmittelbar darauf. Der Bär trieb wie- der auf dem Wasser! Es war ein armseliges Treiben, nur der halbe Kopf mit einem der runden Ohren und einem der schwarzen Knopfaugen sah heraus, aher Alfred rief ihm zu: ?8 ,,Bist du wieder da, Teddy?" Er vermochte ihn mit einem Stock zu erreichen und zog ihn aus dem Wasser. Das Tier hatte eine schwere Wunde in der Brust und war vollgetränkt mit Nässe, aber Alfred hielt es mit beiden Armen vor sich hin und sagte ihm dumme, när- rische Worte. Er drückte es auch an Brust und Wange, daß sie naß wurden und von dem Wasser des Tümpels tropften. Auf dem Wege zum Dorf überlegte Alfred, wie er Gerda gegenübertreten sollte; er würde ruhig und gut sein, auf die Uhr weisen und sagen: „Nun ist es wirklich Zeit, Gerda. Um sechs Uhr müssen wir daheim sein, das habe ich Vater versprochen." Es hieße dann jede Lustbarkeit beenden , auf dem Wege gäbe es keine Zeit für Rast und Spielerei, und wenn Gerda fragte, was es mit dem Bären für Bewandtnis hätte, müßte keine erschöpfende Antwort g,egeben werden. Der Vater aber würde zufrieden sein, weil der von ihm festgesetzte Zeitpunkt der Rückkehr eingehalten worden wäre. Der Weg, den Alfred genommen hatte, endete bei dem süd- lichen Ortseingang und also dem Gastgarten, in dem das Zu- sammentreffen mit dem Studenten erfolgt war. Alfred sah vom Eingange aus hinein, er war nahezu leer, die Musik war abgezog,en, auch Gerda war nid1t ,da. Der Knabe ging weiter, an den Verkaufs- und Schaubuden vorüber, über den Kirchen- platz, wieder die Straße entlang. Weder das Mädchen noch der Student waren zu sehen. Die Leute lachten Alfred ins Gesicht, wiesen mit den Fingern auf den Bären, den er im Arme trug, und tippten sich an die Stirne; der Knabe achtete nicht darauf. Er drängte sich durch das Menschengewühl auf dem Tanzplatz(: und sah nach den tanzenden Paaren. Er hätte das lichte Kleid Gerdas sofort erkannt, es war nicht zu erblicken. Er ging wei-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2