(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

JOSEF GÜNTHER LETTENMAIR Und ich schau des Sees Spi egel _. Seiner Wogen grünen Schwall, Seiner Tannen dunkl e Hügel, Seiner Alpen Mauerwall. Hochlandschneeluft weht hernieder, Küh lend auf der Seele Glut, Und gleich Möven kreisen Lieder Neubeschwingt hier um die F,lut. Josef Viktor Scheffel nAm Traunsee" ein, wir wollen nicht prunken und nicht prahlen mit der Zahl unserer Seen - wir sind kein „Suomi" - wörtlich „Land der Seen" - , wie sich Finnland amtlich nennt, das mehr a ls 35.000 Seen sein eigen nennt; wir können die Zahl unserer Seen auch nicht annähernd mit jener des ehemaligen Ostpreußen vergleichen, ja kaum mit der Zahl der schleswig-holsteinischen Seen. Und selbst das: es wird beinahe schwierig, die vierzig Seen-Namen zusammenzubringen, nach denen verschiedene Reiseführer unser Salzkammergut stolz und vielversprechend das „Vierzig-Seen-Land" benennen. Man hat schon stark ins Steirische und Salzburgische zu greifen, um auf die Zahl vierzig zu kommen , oder aber man muß ein paar der vielen winzigen Seen, die es da und dort gibt, mitnennen. Das Dachsteinmas- siv ist besonders reich an solchen Miniaturseen, die von den Einheimischen schlechthin „Lacken" geheißen werden, guthin aber zuweilen auch den Namen „Muttergottesaugen" tragen. So a lso ist, zahlenmäßig gesehen, unser Seenreichtum gegen- über dem anderer Länder nicht hervorragend. Aber in aller Bescheidenheit und dennoch in verständlicher Besitzfreude sei es gesagt: was wir haben, das läßt sich sehen, es ist weder Dutzend- und schon gar nicht Massenware. Unsere Seen liegen da, unter Gottes blauem Himmel, umkränzt von Matten und Wäldern, Bergen und Felsen, beschienen von seiner Sonne - jeder von ihnen einmalig in seiner Art, einprägsam in seiner Umgebung, einprägsam meist auch, ungeachtet a ller Moder- nität, in Art und Tracht der an seinen Ufern uransässigen Menschen. Wer die oberösterreichischen Seen auch nur halb- wegs kennengelernt ha t, wird sie noch nach Jahren auf Bildern, die ihm zufällig in die Hand kommen, wiedererkennen, wenn solche Bilder auch ein Stück Landschaft mitzeigen. Der Hall- stätter See mit dem Dachsteingebiet oder mit Hallstatt selbst; ist das nicht längst ein Standardbild, ein „Klischee" - im guten Sinn! - geworden? Der Blick von bestimmten Punkten am Ufer oder am See lockt jeden Zeichner und Maler, jeden Lichtbildner. Der Gmundner See mit dem Traunstein im Hin- tergrund oder mit dem Höllengebirge, ein andermal mit Traun- kirchen oder mit der lieblichen Kurstadt Gmunden: wer kennt nicht diese Motive, und wer würde sie, stand er einmal am ,,glücklichen See", nicht auch noch nach Jahren wiederer- kennen? Attersee / Schlqß Litzlberg Photo Arcl.iv Landesfremdenverkehrsamt Oder um die beiden anderen bekannten, zur Traun hin ihre Überwasser sendenden Seen zu nennen, den Vorderen und den Hinteren Gosausee: ihr Bild bleibt jedermann, der sie ein- mal gesehen hat, für immer im Gedächtnis . Vor allem jenes des Hinteren Gosausees mit den steil ansteigenden Felswuchten des Dachsteins. Wer die Gegend durchwandert hat, der weiß, daß auf dem eineinhalbstündigen Weg zwischen ihnen ein dritter, freilich nicht tiefer See liegt, der von den Einheimischen pietätlos „Gosau-Lacke" genannt wird, aber ungeachtet seines sehr schwankenden Wasserspiegels reizvoll in die einzigartige Umgebung eingebettet liegt. Hier ist es vielleicht auch angebracht, ja sogar Pflicht, end- lich einmal etwas festzustellen, was geflissentlich verschwiegen oder falsch dargestellt wird: der Vordere Gosausee und der Gosaubach wurden vor beinahe fünfzig Jahren zur Elektrizi- tätserzeugung herangezogen. Nun wird immer wieder behaup- tet, das dort befindliche Kraftwerk sei schuld, daß die beiden . Gosauseen oft erschreckend tiefe Wasserstände haben, was die Landschaft entstelle. Darunter leide, so wird gesagt, der som- merliche Fremdenverkehr außerordentlich. Es ist richtig, daß im Zuge des Gosaubaches zwei Kraftwerke angelegt sind und daß zu winterlichen Zeiten, während welcher es in dieser Ge- birgseinsamkeit keinen Fremdenverkehr gibt, dem Vorderen Gosausee dann Wasser zum Betrieb der Werke entnommen wird, wenn die Stromversorgung des Landes Oberösterreich infolge Wassermangels gefährdet ist. Bei sehr tiefem Seestand muß das Wasser aus dem See durch eine Pumpe bis in Stollen- höhe gehoben werden. Früher stand diese Pumpe in einer Hütte, die auf einem Schwimmkörper im See schwamm. Vor einigen Jahren aber ist diese unschöne Anlage abgetragen und durch eine von außen unsichtbare, in einem Felsschacht unter- gebrachte Pumpe ersetzt worden. Ab Mitte März wird dem See durch Pumpen keinerlei Wasser mehr entnommen, und tat- sächlich ist, bei normalen Schneeschmelzverhältnissen, die See- wanne ab EndeJuni bis Ende September gefüllt, und der See bie- tet sich dem Beschauer in seiner ganzen Schönheit dar. Solcherart hat man hier eine glückliche Lösung zwischen den für das Land Oberösterreich notwendigen technischen Erfordernissen (die Bahnlinie Attnang-Steinach-Irdning wird mit Gosaustrom betrieben) und Landschaftsschonung gefunden. Wenn es den- 5

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