(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

Friedrich K n a i p p (G m u n d e n) andEüder Ein Beitrag zu Gbcrösterreichs Volkskultur iin i§. und 19. Jahrhundert / Säintliche Aufnahinen von: Verfasser Sandlbilder nennt man im Volksmund jene volkstüm ­ lichen, meist religiösen Andachtsbilder, die in bunten Far ­ ben hinter einfache oder geschliffene, geätzte oder mit Blattgold unterlegte Glastafeln, mitunter auch vor Spiegelgrund gemalt, Kapellen und Herrgottswinkel unserer Bauernhäuser schmückten. Solche Hinterglasbilder gab es überall in katholischen Gebieten Europas und der Überseeländer, iin griechisch ­ katholischen Osten und sogar in manchen protestantischen Gegenden. Sandlbilder heißen sie bei uns nicht, wie ein Schweizer Kunsthistoriker noch 1951 meinte, nach einer Familie von Malern, sondern nach dem ehemaligen Glas ­ macherdorf Sandl bei Freistadt im oberösterreichischen Mühlviertel, wo sie von: Ende des )S. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Masten im Rahmen eines Hausgewerbes erzeugt wurden, von wo sie in alle Welt hinaus gingen. Andere Hinterglasmalergebiete waren nahezu alle Randgebiete Böhmens, also Schlesien, Vlord- und Südböhmen, der Bayerische Wald, aber auch das Bayerische Oberland, der Schwarzwald, einzelne Orte, wie Tolmar im Elsaß, das Lötschental in der Schweiz, Erm- land in Ostpreußen, die Hohe Tatra in den Karpathen, der rumänische Teil Siebenbürgens, schließlich Italien, Frankreich, Spanien, Rußland und manche Gegenden des näheren und ferneren Ostens. Sogar in pennsylvanien, einem Zentrum deutscher Einwanderer in den USA, soll das Gewerbe eine Zeit lang weitergeübt worden sein. M i ß v e r st ä n d n i s s e , Vorurteile und Irrt ü m e r Auf Grund langjähriger Untersuchungen Tausender von Bildern habe ich schon in mehreren Veröffentlichungen versucht, in den Wust von Vorurteilen, Irrtümern und Mißverständnissen, der seit Jahrzehnten die meisten Be ­ richte über die Hinterglasmalerei, insbesondere von Sandl, Buchers und Umgebung, verwirrt hat, ein wenig Klärung und Ordnung zu bringen 2, s, ?, Die Suggestionskraft des einmal gedruckten Wortes scheint jedoch so groß zu sein, daß immer wieder neue Autoren die Behauptungen ihrer Vorgänger ungeprüft übernehmen, anstatt dieses weitverzweigte Gebiet unserer Volkskunst in gewissenhafter und sorgfältiger Arbeit aus eigener Erkenntnis darzustcllen. Da auch die neueste fun ­ damentale Arbeit des bekannten Schweizer Kunsthisto ­ rikers, Pros. Dr. theol. Georg Staffelbach (Luzernsi, die ein Monumentalwerk über die städtisch-bürgerliche Hinter ­ glasmalerei der Luzcrner Schule darstellt, unbekümmert alte Irrtümer übernimmt und neue hinzufügt, sehe ich mich genötigt, die wesentlichsten Tatsachen über die Sand- ler Maler und ihre Bilder zu wiederholen. Man sollte es kaum für möglich halten, daß noch im Jahre 1951 in einem repräsentativen Werk, bei dessen Fertigstellung eine wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft den Autor unterstützt hat, folgende „Erkenntnisse" über ein Nachbarland verbreitet werden konnten: Seite 140: „Im niederösterreichischen Tirol sind es die Santel (gemeint sind die Einwohner von Sandl im Mühlviertel), von denen sich bereits fünf Gene ­ rationen mit Hinterglasmalereien abgegeben haben . . . woher die böhmisch-österreichischen Taselmaler ihre ersten Einflüsse bekamen, weiß eigentlich niemand zu sagen. (Das wußte schon 1935 Dr. Heinrich Büchner 2, nämlich von Schlesien und Nordböhmen!) Nicht ausgeschlossen, daß die Ikonenmalerei des Ostens über die Karpathen her und über Polen dort ­ hin gekommen, größeren Eindruck hinterlassen hat." An Hand der bei uns und in den Ostländern vorhandenen Bilderbestände läßt sich unschwer nachweisen, daß die Be ­ fruchtung der Volkskunst der Hinterglasmalerei bezüglich Entwicklung von Stil und Technik sowie Motivauswahl in umgekehrter Richtung, von West nach Ost verlaufen ist. Veröffentlichungen rumänischer u. a. Forscher " haben nachgewiesen, daß die örtliche Hinterglasmalerei bei linierten und Orthodoxen des Ostens, z. B. Siebenbürgens, von unserem Raun: angeregt, erst nach Beendigung des Hausierhandels von Sandl, Buchers und Umgebung über die Karpathen nach Osten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Zudem habe ich schon 1 94S den weitgespannten Verbreitungskreis der Sandl ­ bilder nachgewiesen, indem ich etwa 50 Orte in den Ost ­ staaten, bzw. Südostländern namhaft machte, an die von nur einer einzigen Sandler Werkstatt lt. erhaltener Ge ­ schäftsbücher innerhalb weniger Jahre durch Hausierer und Spediteure Hinterglasbilder geliefert wurden. Auch die Geographie scheint in Verwirrung geraten, man spricht nicht nur vom „niederösterrejchischen Tirol", wenn man das oberösterreichische Mühlviertel meint, son ­ dern in demselben Werk von dem „bekannten Wall ­ fahrtsort Mariazell bei München" auf Seite 140, 235 und 270; unter ein Hinterglasbild aus Ostpreußen (Tafel 163, Abb. 345) druckt man die Bezeichnung „Ermländisch- bayrische Volkskunst", obwohl das Ermland auch nach 1945 noch immer in Ostpreußen und nicht in Bayern liegt. Selbst mit der Ikonographie steht man mitunter auf dem Kriegsfuß. Auf derselben Tafel 163 werden vier Wieder ­ gaben nach dein bekannten Mariahils-Bild von Lucas Tranach in Innsbruck (Abb. 344 — 347) als „Maria von: guten Rat" bezeichnet, obwohl dasselbe Motiv auf Tafel SS, Abb. 151 richtig als „Mariahilf" angesprochen wird. Nicht besser sieht es naturgemäß in den zahlreichen, aus eilig zusammengelesenem und flüchtig zusammengestoppel ­ tem Stoff verfertigten Zeitschriftenaufsätzen aus. Schon R. Faißt-Schopfheim schrieb, ahnungslos welche La ­ wine er damit auslösen sollte, im Jahre i9)S „Diese Bauernkunst ist Hinterglasmalerei" 0. Und noch 1951 wiederholt Dr. Hermann Bauer" (als vorläufig letz ­ ter von vielen) diesen Irrtum unter dem Titel „Bauern malen hinter Glas", der in den letzten 36 Jähren schon dutzendfach abgeschrieben worden ist. Die stark lokalpatriotisch beeinflußten Kunsthistoriker Haug " und Linckenheld" konstruierten aus ein paar bürgerlichen Malerwerkstätten, in denen gelegentlich auch einmal hin ­ ter Glas gemalt worden sein mag, und aus den zahl ­ reichen, aus dem Schwarzwald, Bayern, Böhmen und Oberösterreich durch Hausierer in den Westen impor ­ tierten Hinterglasbildern eine eigene, angeblich boden ­ ständige elsäffisch-lothringische Hinterglasmalerei. Beide Autoren okkupierten einfach die deutlich erkennbare Im ­ portware für ihre fiktiven elsaß-lothringischen „Ateliers". Pros. Linckenheld trieb die Groteske so weit, daß er nach überall angewandten, rein äußerlichen Merkmalen Bil ­ der verschiedenster Zeit und Herkunft zu vermeintlichen Erzeugnissen bestimmter anonymer „Ateliers" zusammen- faßt: Er nennt sie z. B. „Werkstätte der Blumenranken", „Werkstätte mit dem Vorhang", „der Bilder mit dem

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