(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954
SCHÖNHEI T DES BILDES MASS IM WORT Hanns Gottschalk Ahorngrund Denkst du noch an den Ahorngrund? Und an den See- mit den Schwänen? Wir waren wie Kinder dama ls. Ich sagte: Daß uns nicht jemand sieht! Und doch sind wir ge- laufen wie mit der Jugend um die Wette. Und je mehr unsere Hände sich fanden und die Haare flogen, desto seliger waren wir und vergaßen die Welt um uns. Wir liefen, als gelte es, der Zeit zu e,ntfliehen. Im Ahorngrund erwachte die Stille, und die Schwäne im See mochten ein Sonderbares von uns denken . Und weiter liefen wir, felderhin. Ein Lachen wie ein Lied war im Tage. Wir sahen den Mann aus der Mühle nicht, aber er hörte das Lachen, 1-md ein Nicken war bei ihm. Er sprach vom Brot zu uns, und was die Welt wohl ohne Brot wäre. Du drehtest dabei den Sommerhut, du zer- knülltest ihn, und ich habe das erste Mal nicht gelacht. Wir lachten auch auf dem Heimweg nicht, wir liefen auch nicht. Der Ahorngrund mochte sich gewundert haben, und das Schwanenpaar noch mehr. Vergessen aber werde ich nicht, wie du dann am Ufer des Sees deinen Kopf in meine Hände tatst, als habest du Schutz gesucht vor dem Leben, das hinter der Stille des Ahorngrunds lag. Neulich, nach Jahren, bin ich wieder durch ein_en A_horn- grund gegangen. Und wie ein Auge auch sa~· mich ein .~ee an. Wo nur die Schwäne sein mögen, dachte ich, und platz- lieh ruderte einer heran, ein zweiter. Narrte mich etwas? Jetzt sah ich auch dich auf mich zukommen. Du, spr~ch ic~ leise, wie um den Augenblick zu halten; doch da ich dir Photo Franz Steinwendtner entgegeneilen wollte, warst du verschwunden, und ich, .aus dem Traume gerissen, stand, als spürte ich noch deinen Atem: als habest du dich nur versteckt und würdest bald wieder in das Bild treten. Wie wunderbar, ein solches zu denken und um ein Schö- neres zu wissen! Zwar, ich sah es, war dein Gesicht nicht wie damals, so vollen Lachens wie ein Lied, aber eine um so größere Seele war darin. Du. kamst, nicht um zu mir von der Jugend zu sprechen und der Seligkeit, die in den Stun_- den war. Du kamst, um mich wissender zu machen. Um mir zu sagen, daß wir, vor das Leben und die Einsamkeiten gestellt, nicht allein sind, wenn uns ein Stück Heimat be- wahrt bleibt, ein Himmel, so groß, wie er zwischen zwei Händen ist . l eh will morgen nicht wieder in den Ahorngrund gehen. I eh" will auch deinen Namen nicht in einen Baum dort ritzen, daß er wachse wie die Rinde und die Ringe. Aber ein Ahornblatt habe ich gepflückt an der Stelle, wo du neu- lich auf mich zugekommen bist. Und auf die~es Ahornklatt, das dir gehören soll, will ich unsere Geschichte schreiben. Und immer dann, wenn du allein v or dem Leben zu sein glaubst und dich in einem stillen Winkel auswe~nst , um es keinem Menschen zu zeigen, soll das Blatt zu dir sprechen, leise, wie man das Liebste sagt: Damals, im Ahorngrund, weißt du es noch? Da habe ich meinen Kopf in deine Hände gelegt. . 47
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