(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

BAD HALL: ßlle Heiltradition - . ,.:.- ~ -~ . . auf ueueuWegeu . /(n -- ~-.:. . --~ - - ..,.....--· Die moderne Chemie kennt 101 chemi- sche Grundstoffe der Erdmaterie, die durch chemische Operationen nicht in andere Bauelemente teilbar sind; kaum ein anderer ist mit der Medizin und der Aufgabe des H eilens und d es Linderns von Schmerzen so innig verbunden wie das Element Nr. 53, das Jod. Es ist eines der ältesten Heilmittel, die wir kennen; zu- gleich aber auch eines der modernsten. Ohne um den Träger der heilenden V\Tir- kung zu wissen, verabreichten chinesische Ärzte schon im 15. Jahrhundert v. Chr. die jodreiche Asche des Meeresschwam- ]6 mes als wirksames H eilmittel gegen Kropf. Die berühmten Ärzte der Antike, Hippo- krates und Galenus, führten Sehwarnm- asche in ihrem Arzneischatz; auch der jodhaltige Thunfisch und die besonders jodreiche Heringslake galten bei den an- tiken Ärzten a ls wertvolle Heilstoffe gegen alle Arten von entzündlichen Erkrankun- gen . Im 12. Jahrhundert verkündete die medizinische Schule von Salerno neuer- dings den hohen Heilwert des gerösteten Meeresschwammes, der Spongia usta, die noch im 18. Jahrhundert von dem fran- zösischen Kliniker Laennec warm emp- fohlen wurde, ohne daß der Träger dieser Heilwirkung bekannt gewesen wäre. Völlig unabhängig davon pilgerte die Landbevölkerung Oberösterreichs seitdem Mittelalter zu einem in der Nähe des Ortes Hall bestehenden Quellaustritt, der ein bittersalzig schmeckendes Wasser führte, um dort H eilung von Kröpfen und entzündlichen Erkrankungen zu finden. Die Sage erzählt, daß weidende Schafe die Menschen auf diesen Heilschatz auf- merksam gemacht hatten, da sie immer wieder zu einem im Talgrund vorhan- denen Tümpel drängten. Schon zur Zeit Karls des Großen war dort eine kleine Saline entstanden. Sie schien dem Kolo- nisator des Landes, dem Bayernherzog Tassilo III., so bedeutend, daß er sie an erster Stelle unter den reichen Schen- kungen erwähnte, mit denen er das im Jahre 777 im Kolonisationsraum neu ge- gründete Kloster Kremsmünster bedachte . Wie lange die Mönche dieses Klosters die Salzsiedeanlage betrieben haben, wissen wir nicht; es wird vermutet, daß sie still- gelegt wurde, a ls die aufstrebenden Sali- nen des Salzkammergutes billigeres Salz liefern konnten als sie. Im fiskalischen In- teresse, um eine Gewinnung von unver- steuertem Kochsalz aus diesem V\Tasser - das für das Finanzministerium nur ein Kochsalzwasser war - unmöglich zu machen, ließ man die Quelle verschlagen. Die einfachen Menschen des La ndes ringsum hatten aber längst bemerkt, daß diesem Wasser eine besondere Heilkraft zukomme. Man rühmte ihm nach, daß Im Bad-Halter Kursalon / Photo Franz Steinwendtner es wie kein a nderes im ganzen Lande bösartige Entzündungen zum Abheilen bringe, daß es Schmerzen lindere, vor a llem aber das weitverbreitete Volksübe l - den Kropf - zu heilen vermag. Ein findiger Müller salzte damit seine Fladen- brote, und bald waren diese bis weit in die Kropfgegenden der Steiermark hinein als Kropfbrot berühmt geworden. Zur Zeit 11a ria Theresias war die Kunde vom heilenden Wasser, das unweit des Marktes H a ll a ufbricht, bis an den kaiserlichen Hof gelangt. Der Schüler des berühmten van Swieten, der Leibarzt des Kaiser- hauses, H einrich von Crantz, führte di e ersten systematischen Untersuchungen über die Heilwirkung des ,,Vassers bei kropfigen Soldaten durch. Niemand wußte bis dahin, warum dem Meeresschwamm und der Heringslake, warum gerade dem Salzwasser des Ortes H a ll eine besondere Heilwirkung zukam. lnstinktsicheres Handeln, gepaart mit guter Beobachtung, hatten wie so oft zur Nutzung von Heilschätzen ge führt , ob- wohl der Träger dieser Heilwirkung, das Jod, erst viel später erkannt wurde. Zum ersten Male wurden die violetten Dämpfe des Elementes J od zur Zeit der Napoleonischen Kriege im Kupferkessel einer französischen Salpetersiederei beob- achtet. Bernard Courtois, ein Salpeter- sieder, hatte um die Wende 18 11 / 12 - das genaue Datum liegt nicht vor - eine Verbilligung der Salpetererzeugung ver- sucht und dazu erstmalig Tangasche ver- wendet. Bei der üblichen Reinigung der Reaktionsgefäße mit heißer Säure war es geschehen, daß sich auf einmal violette, stechend riechende Nebel entwickelten , die an kühlen Stellen metallisch glänzende Plättchen bildeten. Tausende von Chemi- kern haben nachher j ene violetten Nebel aus heißen sauren Lösungen ausgetrieben - das in atemberaubende Spannung ge- kleidete Abenteuer des Entdeckens war jedoch um die Wende 1811 / 12 vorweg- genommen worden. Die berühmtesten Chemiker und Physiker ihrer Zeit, Gay- Lussac, Davy undAmpere untersuchten an- schließend daran·den neuen Stoff, und bald Oben: KurJ;ark / Zeichnung von R . Wemicke

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