(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

(iROSSTE TIEFBAVSTELLE MITTELEVROPAS AN OSTERREICHS SCHICKSALSSTROM: onaukraftwerk JOCHENSTEIN Wo im Westen und Norden von Schärding die landschaftlich so überaus reizvollen Täler des Inn und der Donau die Grenze desinnviertels gegenBayern bilden, entsteht zur Zeit eines der größten Wasser- kraftwerke Mitteleuropas, das Donaukraftwerk J ochenstein. Der Plan zum Bau dieses Werkes reicht zurück bis in die Anfänge der ersten generellen Pla- nung zum Ausbau der Donau unterhalb Passaus als Kraftwasserstraße; StudienausdenJahren 1918 und 1920 nennen bereits „Jochenstein" als Sperrstelle, Jochen- stein, das einen einsamen Weiler 25 km unterhalb von Passau bezeichnet und zugleich der Name eines sagenumwobenen Felsens ist, der dort steil aus demDonaubett ragt; der hl. Johannes von Nepomuk wacht hier a ls Schirmherr der Schiffahrt, für welche di e Fahrt durch die Jochensteiner Felsstrecke bei niederen ·wasserständen zu a llen Zeiten ein gefahrvolles Unternehmen war. Als man in den letzten Jahren unter dem Druck des ständig wachsenden Energiebedarfes endgültig daran ging, das hier vorliegende Projekt in Angriff zu nehmen, mußten auf Grund der Grenzlage des Werkes zunächst die staatsrechtlichen Vor- aussetzungen für Bau und Betrieb geschaffen werden; dies geschah durch ein zwischenstaatliches Abkommen. zwischen den R egierungen der Bundesrepublik Österreich einerseits sowie der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Bayern andererseits. Das im Februar 1952 geschlossene Ab- kommen sieht, ähnlich wie bei dem ebenfalls als Grenzkraft- werk errichteten Innkraftwerk Simbach-Braunau, eine gleich- mäßige Übernahme der Pflichten und R echte durch die öster- reichische und deutsche Seite vor und beinhaltet auch einen gleichmäßigen Anteil beider Partner an Stromerzeugung und -ertrag. Die Baudurchführung wurde in die Hand der aus diesem Anlaß gegründeten Donaukraftwerk Jochenstein AG. gelegt, deren Hauptaktionäre auf der österreichischen Seite die Öster- reichische Elektrizitätswirtschafts-AG. Wien (Verbundgesell- schaft) a ls Treuhänderin des österreichischen Staates und auf deutscher Seite die Rhein-Main-Donau-AG. als Vertreterin von Bayern und Bund sind. Die Donau bei J ochenstein nimmt ihr Wasser aus einem Gebiet, das in seiner Größe fast an das von ganz Österreich heranreicht und von den Gletschern Graubündens bis zu den Mittelgebirgen Schwabens, Frankens und der Oberpfalz reicht. Der Mittelgebirgscharakter der Donau und der Hochgebirgs- charakter des bei Passau zufließenden Inn gleichen sich dabei in der Wasserführung so günstig aus, daß nahezu 90 °,'o der Jahresabflußmenge durch die Turbinen verarbeitet werden können und fast die Hälfte der erzeugten Energie in den Wintermonaten mit ihrem gesteigerten Strombedarf anfällt. Bei einem Stau von rund 10 m ist ein Jahresarbeitsvermögen von annähernd I Milliarde kWh zu erwarten, womit das Werk in seiner Energiedarbietung zunächst an die Spitze aller mittel- europäischen Wasserkraftanlagen tritt . Nur das Donaukraft- werk Ybbs-Persenbeug, das m diesem Jahre in Angriff ge- nommen werden soll, wird es später in seiner Energiedar- bietung überflügeln. Festgebankter Granit und Gneis, wie er bei Jochenstein an die Oberfläche tritt, stellt einen besonders günstigen Baugrund dar ; das stromaufwärts nur schwach besiedelte Donautal , wel - ches tief eingeschnitten bis Passau den Stauraum der Staustufe darstellen wird, bedarf nur verhältnismäßig geringer Aus- bauten. Die veranschlagten Gesamtbaukosten sind daher im Vergleich zum erwarteten Energieanfall so niedrig, daß die Erzeugung einer kWh nur etwa 70-80 °/ 0 des Aufwandes er- fordern wird, der in einem modernen Dampfkraftwerk gleichen Standortes für Kohle notwendig wäre. Die Einbeziehung des Werkes in das bestehende Hochspannungs- und Verteilungs- netz erfolgt durch eine 220-kV-Zuleitung, die mit nur 60 km Länge bei St. Peter den Anschluß an die große Energieschiene ,,Westdeutschland-Vorarlberg" fin_den wird. Energienot mag in erster Linie die Veranlassung zur In- angriffnahme dieses Werkes gewesen sein; die Errichtung einer Staustufe im Donaustrom kann aber in ihren Zusammenhängen nicht gesehen werden, ohne die Auswirkungen zu betrachten, die ein solches Bauwerk für die Schiffahrt mit sich bringt, nach- dem die Donau neben dem Rhein der bedeutendste schiffbare Fluß Mitteleuropas ist. In der unter Stau kommenden Strecke hat bisher eine Reihe von Untiefen und Engstellen der Schiffahrt bei Nieder- wasser große Beschränkungen der Abladetiefen und des Ver- kehrs auferlegt. Ihre Ausschal tung hätte durch strombautech- nische R egulierungsmaßnahmen allein niemals in vollem Um- fange bewerkstelligt werden können. Es ist darum ein beson- derer Gewinn, daß mit der hier in Ausführung befindlichen Flußkanalisierung nicht nur das klippenreiche Jochensteiner Kachlet umgangen wird, sondern auch sechs weitere, den Ver- kehr bisher stark hemmende Felsstrecken überstaut und dem Gegenverkehr erschlossen werden. Die verringerte Strömung im Stauraum wird zudem die Bergfahrt wesentlich beschleu- nigen, für die Talfahrt größere Geschwindigkeiten als bisher ermöglichen und außerdem die Voraussetzungen dafür schaffen, daß künftig bei Nacht nicht nur zu Berg, sondern auch mit größten Schleppzügen gefahrlos auch zu Tal gefahren werden 31

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