(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

korl kleinschmidt Uber: z,,vei jungen Sd, eile/11 sir:d die Libelle: Segn endes Seelchen, ~ve,: bisl du? Deinen Namen scl,r:ieb ic/1 in den Sand, die Welle hal ihn fodgespiill. Nun lrngen ihn alle Wasser:. Deine11 Na,,nen schrieb ic/1 auf ein BlaH. Gibl es noc/1 Blällei:, die ihn niclrl jliislern ? Deinen Namen haue// ich in den Nebel: da glänzl und duflel es rings vo~i lausend Mandelbliilen . Tauben{liige l ,-,,,alen deinen Namen auf die weißen S eidenfa/1nen des edr:o llten Himmels . Da ich de~i /Jfii:sicli an 111ei11e Lippen /1ebe, nmß ich an deine WawJe denlce11 - und /ciisse ih11. Die er:slen Primeln u11d es schneit f Bedec/cl sie mil den Händen, dei: Schnee sc/1 /ägl Wunden sonsl. MiHag fiebed über:m glallen See. Nur: der Libelle gläserne 'Flügel fliri:e11 it:t flirrender Lufl. W eh! m.ein Sc/1iih hat die Schnecl(e zer:ma lml. Nald nichl sch.on fern her: der Schu'1, der: Schu'1, der 111 ir: das H er:z zedrilf? Uerdr:ossen un_d müde geh' ich nll.ch Haus. Da wiinscl1t mir ein Kind gute Nacht, u.nd jähli11gs schau ' icli die Sterne. Weg. 200 dreizeilige Gedichte ( Haikus). Hrsg. v. Kulturamt d. Stadt L inz. Linz 1953. gleichsam eine geheime Kluft überbrückt und so den Blick in ungeahnte Tiefen gleiten läßt. In dieser Kunst des Verschweigens und Aussparens hat man es also nicht mit vorgeformten, gewissermaßen ausschließenden Gebilden zu tun. Ein leichter Zauberschlag drängt uns, ein- zutreten in einen Raum, den wenige Worte be-zeichnen. Be- hutsam aus dem Schweigen gehoben - kaum gesprochen, schon verhall t - , ein flüchtiger Umriß, in die Luft gehaucht, einander scheinbar ferne Dinge zu einem Einklang verknüpft, und der Anruf mag genügen. - Der Versuch, diese Form als Möglichkeit im Raume unserer Sprache anzusiedeln und hei- misch zu machen (ohne in „ Pseudoj apanismen" zu verfallen), ist vielleicht nicht ohne Wert, wie es ja auch nicht ohne Wert war, etwa die griechischen Formen, persische, spanische, das Sonett u. a. dem Leib unserer Sprache einzugliedern um einer neuen Weise wifü;n. Vielleicht ist der Dreizeiler ein kleines, empfindliches Instrument, das unsere Sprache befähigt, ein neues Lied zu singen. Im Westöstlichen Diwa n kündigt sich zum erstenmal jene Weitung des Horizontes an, die in der Folge bis in unsere Tage und darüber hinaus in eine herandämmernde Zukunft immer mehr vom Kernkreis des Mittelmeeres hinweg Ring um Ring der östlichen Welt in das Denken des Abendlandes ein- beziehen sollte. Der Blick auf Mutter Asia (Hölderlin) ist es, der hier zum erstenmal in voller Deutlichkeit und mit ent- scheidender Kraft begegnet. Schopenhauer (Indien), Nietzsche (Persien aufs neue), Bachofen, die Beschäftigung mit China und J apan , die seit der Jahrhundertwende in immer steigendem Maße geistesgeschichtliche Bedeutung gewinnt, bezeichnen diesen Weg. Um zu verdeutlichen, daß auch der bescheidenste Beitrag zu diesem Geschehen mehr a ls ein müßiges Experiment, mehr a ls eine exotische Spielerei sein ka nn, sei es erlaubt, aus einem Briefe, dessen Verfasser nicht genannt sein will, zu zitieren: ,, ... Die Weltstunde hat begonnen , in der sich der Feme Orient der Not einer abendlä ndischen Krisis erschließ t, H eilung und Nahrung zu spenden vermögend, so, nur mit tieferem Ernste in größerer Not, wie durch Goethe unserem Leben der geistige Anhauch des Mittelmeeres und Kleinasiens west- östli ch zu fruchten begann. un bildet sich die größere Einheit nach un- geheueren Wanderungen und Umwegen . Mu tter und Kinder und Wiege finden einander. Kein Zufall, sondern lebendiger Erfolg ti efster Lebensnot, die wi r alle kennen, die nicht geschi ldert zu werden bra ucht, wenn auch ihre Ursprünge in - menschheitlichem Dunkel liegen. Hugo von Hofmannsthal, der als erster davon Spuren las und ihre Deutung scha u te, umschreibt in der Besprechung des Werkes von K. E. Neumann, der Übersetzung der Reden Buddhos, seine Vision so: ,Die Kultur, di e uns trägt, und an der , wie a n den Planken eines alten Schiffes, der gewaltigste und anhaltendste Sturm seit einem J ahrtausend j etzt rü ttelt, ist in den Grundfesten der Antike veranker t. Aber a uch diese Grundfesten selber sind kein Starres und kein Totes, sondern ein Lebendes. Wir werden nur bestehen, sofern wir uns eine neue Antike schaffen : und eine neue Antike ent~teht uns, indem wir die griechische Antike, auf der unser geistiges Dasein ruht, vom großen Orient aus neu a nblicken ... In solchen entscheidenden Augen- blicken sind di e Nationen alle aufgerufen , aber die deutsche . .. muß voran- gehen. Es ist aber das ein Gang so ernster Art, daß die scheinbaren Führer, von deren Namen die Luft einen Augenblick lang schwirrt, schon bald zurückbleiben.' Diese neue, nun notwendige, a ber auch mögliche Einung von Abendland und fe rnem Morgenlande hat viele Zeichen vorausgesandt und Leistungen gefordert, darunter ist ni cht das ger ingste j ene von Hofmannsthal gerühmte Ü bersetzung der R eden Buddhos ins Deutsche. Mit Übersetzung h ebt solche Unio immer an; Goethes Gedanke der ,Weltlitera tur ' setz t Übersetzungen voraus. Karl Kleinschm idts Haiku aber sind ni cht Übersetzung, vielmehr durch eine j apa ni sch dichterische Form in deutscher Sprache bilden sie innerlich- stes Menschentum, sofern es d ieser Form und dieser Sprache Maße empfan- gen kann. - Sie offenbaren das Geheimn is eines Weges und die ungeheure Faszination einer Begegnung: Begegnung von deutsch und japanisch, von Abend la nd und Orient, von Mensch und Mensch einander fremder Ar tung, wie sich unter Schrecken und Lösung di e Geschlechter begegnen; nicht anders, als eine sapphische Strophe deutsch Begegnung bedeutet mit ei ern Griechischen, mit der Antike, reich an allen Schauern des Geheimnisses j eder Begegnung. Durch di e Erschütterung reifen und fall en uns aus eiern Geheimnis die heilsamsten und h eiligsten Früchte. Un ter anderem offenbaren sie ein zweifach Bedeutendes: den Zauber der Eukrineia, der gemäßen Sicbung oder Wahl der Worte durch den· Dichter, und die Dichtung des stummen und unendlichen Gedichtes durch ihren Hörer, der durch die wenigen, tiefgeschöpften und zu zartestem, Lösung heischendem R eigen gereihten Worte dazu bestimmt wird . J e lau ter und dümmer die Zeit toll t, um so leiser flüstern, ja ra unen die Dichter, und je schneller die ichtigkeit der Zeit verflüchtigt an der Ober- fläche, um so tiefer senken die Dichter das Lot den Herzen ein , um so ge- duldiger, j a ganz ,ze itvorbei' horchen ihre Hörer ..." '31

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