(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

Meisterschaft erst heraussuchen muß. Der von tiefer Resi- gnation erfüllte Altersstil Zürns hat begonnen. 1685/86 aber - und in diesem Überwinden eigener Schwäche und Unz ulänglichkeit zeigt sich der wahre Künstler - schafft Zürn noch die vier Plastiken für den Frauen- berger Ho c h a lt ar und erweist sich dabei - zum letzten Male - als Meister! Jede der vier überlebensgroßen Heiligen verkörpert noch einma l den ganzen Liebreiz weiblichen Wesens, die barocken Körper mit den sinnlichen Formen und ent- blößten Schultern verraten hohe Kunst, und die abstrakte Un- rast wird zu einem Triumph der Bewegung. Um so erschüttern- der wirkt der Abstand zu den weiblichen Seitenfiguren eines Altares für Grünau, die als Alterswerke Zürns ohne seelische Notwendigkeit anmuten und in ihrem verdorrten Leben den Beschauer unberührt lassen. 20 ;:; ,.,. on 4- 0.. (1) 1- ,.,. 1- (1) 0.. 1- C: 1- ~ die sprache der kunst ist unvergänglich · sie schlägt eine brücke über die zeiten hinweg · in immer neuen formen ringt sie um ewige themen, um glaube, wahrheit und schönheit Die Kunst Michael Zürns d. J. führt a lso in der knappen Zeitspanne von kaum einem J ahrzehnt von höchster Vollen- dung zu kl einmeisterlicher Beschränkung, von der Verwandt- schaft mit Michelangelo zu der stillen Schönheit einfacher Ge- staltungsformen. Aber das unerbittliche Schicksal verlangt von jedem Meister einen ganz besonderen Zoll: wessen Genie allzu schnell aufblüht, muß um so rascher verstummen , wer nach dem Höchsten strebt, für den ist der Weg um so kürzer. Und Zürn strebte nach dem Höchsten! U nbeirrbar schritt er seine Bahn, einsam, aus der Zeit gelöst und in stetem Widerspruch zu seinen Auftraggebern; aber dennoch als ein Seher in die Zukunft, der vielleicht als einziger seiner Epoche nicht das Leid eines Menschen zu formen versuchte, sondern das aller Men- schen. Diese Aufgabe läßt Michael Zürn d. J. und sein Werk dauern.

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