(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 1/2, 1954

stätigung - die von dem bekannten Kunsthistoriker Heinrich D ecker aufgefundenen und sicher aufschlußreichen Zürn-Briefe ha rren noch der Veröffentlichung -, aber schon a llein sein Werk spricht mit seltener Offenheit von dem ·w esen eines großen Einsamen, und nicht nur das: hier vollendete sich ein Leben, das trotz aller Kraft und künstl erischen Genialität zu- tiefst t ragisch verlief und das im eigenen Feuer erlosch . Seine Kunst umspannt die triumphierende Fülle des Barocks in glei- chem Maße wie di e Dämonie mittela lterlicher D enkungsart, und Seligkeit und Trauer verschmelzen in ihr zu höchstem Einklang. Das als ers ter mit Nachdruck aufgezeigt zu haben, ist das hohe Verdienst Heinrich Deckers, der damit die Stellung Zürns eindeutig festlegen konnte und eine Charakterisierung des Künstlers gab. \ ,Var Zürn bis dahin für das Kunstpublikum nur einer von vielen, so wurde er nun unter den Barockpl as tikern zum Primus inter pares inmitten einer \,Veit von Sinnenfreude und Lebenslust, der sein von Leid gezeichnetes Werk begann, zu steiler Höhe führte und im Letzten eigentlich unvollendet ließ. Aus a llen seinen Arbei ten spricht das Grauen vor einem Dasein, das , anstatt zu klären, verwirrt und dem schli eßli ch nichts harrt a ls Auflösung und Verwesung. Dennoch war Zürn ein entschieden gläubiger Mensch. Be- sonders seine Schöpfungen für die Stiftskirche zu K remsmünster und hier wieder vornehmlich sein Hauptwerk - die vier knie- enden Marmorengel - künden von einem tief verwurzelten Gefühl für das Göttliche. Freilich geht es ihm dabei nich t um die naive Glaubensbereitschaft, wie sie etwa seine Zeitge nossen Schwanthaler oder Guggenbichler ausdrückten, sondern viel- mehr um eine kämpferische, durchaus leidvolle Auseinander- setzung, um ein schweres Ringen im rein seelischen Bereich, das so lange nach einer konkreten Antwort verlangt, bis die Schwingen gebrochen sind und die fraglose Einheit gewonnen erscheint. Damit stößt Zürn weit in die Zukunft vor, und hier 18 mag sich auch die Erklärung find en , weshalb der Meister trotz seiner einmaligen Schöpfungen fast ein Vierteljahrtausend lang eigentlich unbeachte t blieb und auch von seiner Zeit keines- wegs die Würdigung erfuhr , di e er verdient hätte. Alles, was Zürn schuf, weist zurück und voraus, in eine Epoche, di e Kri eg, Not, Gefahr und Bangnis am eigenen Leib erfahren mußte, um ihn ganz verstehen zu können. Er kommt aus Bezirken, die unserer Gegenwart in vielem ähnlich sind. In seiner Geburts- stunde steht Europa in Flammen, und der Dreißigj ährige Krieg erfüllt die Menschen mit Schrecken und Furcht. Die Kuns t - nach einer fast zwei Generationen währenden Stagnation - ringt um 1675 um neue Formen; das Barock bricht die tiefsten Quellen des Seelenlebens auf und schafft eine Freiheit zur Ent- fa ltung, wie sie bisher in solchem Ausmaß nur die Antike zu erreichen vermochte. Michael Zürns Aktualität ist desha lb unabweisbar. Er ist gegenwartsnaher und unserer Zeit adäqua ter, a ls bei einer ober- flächlichen Betrachtung zunächst scheinen mag. Er ist ein mo- derner, weil von tausend Nöten bedrohter Mensch und ein Künstler, dessen tiefe Eigenar t sich erst nach langem Zögern offenba rt. D as beste Beispiel dafür bieten die schon erwähnten Ar- beiten in der Stiftskirche zu Kremsmünster. Das dem göt t- lichen H eiland und dem hl. Agapitus geweihte und von Carl o Ant. Carlone geplante Gotteshaus birgt mit den Engeln d es Cand id a- und Agapitusa l tars ni cht nur die H a upt- schöpfungen a us Zürns „barocker" Epoche, sondern gleich- zeitig auch seine bisher in unserem Raume bekanntgewordenen „ Erstlingswerke" . Mit ihnen tritt Michael Zürn d. J. in die Kunstgeschichte, und es ist em wah rhaft a temberaube ndes Beginnen: D a knien di e vier Engel aus Salzburger Marmor, über- lebensgroß, durch ihre Gestaltung di e bedeutsamsten Schöp- fun gen oberösterreichischen Barocks, aber im Widerstreit mi t einem Formprinzip, das die Körper gleichsam von a ußen her einspannt und die organische Einheit bedroht. Trotzdem ist jeder der vier Engel eine Welt für sich : die ersten zwei - j ene des Candidaaltares - sind noch Menschen, von Furcht und Zweifel gequä lt, aber auch mit Sinn für irdische Freuden und Die Z,ürn -Engel in Kremsmünster

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