(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951
Eines Nachts nun war es ihm, als hörte er laut und vernehmlich Alleluja singen. Er weckte seinen Begleiter Daniel aus dem Schlafe und bat :Im, den Stimmen nachzugehen und ihm Nach- richt zu bringen, was die Ursache so lch nächt- lichen Lobpreisens sei. Daniel machte s,ich auf und konnte bald dieses dem bl,inden Peter, der inzwisc-hen aufgestanden war und voll innerer Erregung auf das Kommen seines Weisels ge - wartet hatte, hinterbringen: die Hirten aus den benachbarten Hürden, alle sähen am Him- mel ein wunderbares Leuchten und eine Stim- me aus der Höhe habe zu ihnen mit Engels- zungen gesprochen, daß der Messias geboren wäre und dieses soll ce ihnen ein Zeichen sein: sie fänden ein Kindlein, in Windeln einge- w;ckelt in einer Krippe liegen. Und alle Hirten seien von der Botschaft so ergriffen, daß sie nichts Eiligeres zu tun hätten , als ihr Bestes z. u nehmen, es dem Kindlein darzubringen. Da hielt es Peter nicht länger in seinem Zelte und er drängte ins Freie. Kaum ließ er sich von Daniel führen, so voll Erwar cung und gerichtet auf das große Ereignis war er. Im Freien hohe er tief Atem, blickte gespannt in die undurch- dringliche Finsternis, die ,;or seinen erblindeten Augen gebreitet war und fragte Daniel: ,Siehst du das Licht?' - ,Ich kann nichts sehen', war die Antwort. Illustration von Fritz Fröhlich. Da lie f ein Hirte hart an Peter vorbei, der einen Eimer voll Milch in der Hand trug, die er m schnellem Laufe schon fast verschüttet hr.tte. Peter haschte nach dem Eiligen und fragte ihn: ,Siehst du das Liehe?' - ,Ja frei- lich, die Nacht ist doch wie am Tage so wun- derbar erhellt!' - Und Peter stürzte aber- mals ein paar Schritte vorwärts und stieß auf diesen Knaben hier" - dabei zeigte Konrad auf die bekannte Krippenfigur - , ,,stieß also auf den Knaben, der seinen Vater flehentlich bat, ihn doch mitgehen zu lassen zum Stall , wo der neugeborene Heiland liege . Peter fuhr dem Buben mit seiner tappenden Hand ins Kraus- haar, zog ihn an sich heran, beugte sich, da er sehr hoch gewachsen war, hernieder und be- schwor das unschuldige Kind: ,Kleiner, guter kleiner Junge, sag mir, warum lauft ihr denn so aufgeregt durcheinander, sag mir, was gibt es denn zu sehen? ' Da ers.chrak das Kind sowohl von der plöczlid1en Berührung als auch von der Nähe des lichtlosen Auges, mehr jedoch nod1 über die Frage des Alten. ,Ja, siehst du denn nicht, daß es auf einmal hellid1te r Tag gewor- den ist? Und ein Engel redete zu uns und wies uns den Weg zur Krippe!' - ,Wirklich, wahr- haftig? Mach die Augen weit auf und blicke rings um dich!' Und er zerrte aus seinem Wams einen Groschen, dessen erhabene Oberfläche er gut fühlen konnte. ,Was liege oben' , drängte Peter, ,Zahl oder Ka iser?' - ,Der Kaiser Augu - scus ist es!' las der Knabe augenblicklid1 ab , ,gib mir den Silberling, ich bring' ihn dem Ki nde! ' · Le iche gab Peter den Grosd1en hin, aber sein stürmisch bewegtes Herz war noch nid1c be- sänftige. Schweren Schrittes trabte ein Alter heran, der augenscheinl id1 eine Last schleppte. Peter stellte sid1 ,ihm entgegen und ergriff den Mann, der ein Lamm um den Nacken trug und keine Hand frei hatte, an beiden Armen : ,Du bist doch Zadüus, den id1 an Schritt und Gehaben kenne, der Besonnensten ein er, sag mir, was hat es für ein Bewenden mit dieser Nacht! ' ,Es ist keine Nacht mehr! Sie war schon um, bevor der Hahn nod1 krähte. Ein I-Iimmelsmann weckte uns aus dem Schlafe und verkündete die Botschaft . Und aus den heiteren Höhen tönte Engelmusik!' ,Zachäus , mache did1 nidu selbst zum Narren, sei besonnen, prüfe, ob die Wirklichkeit deinen Worten stand hält! ' ,Es ist so, Peter, doch laß mid1 gehen, die Scund~ will erfülle sein!' Da bohrte sich Peter die Daumen in die Augenhöhlen und sd1lug sich heftig auf seine Brust: ,0 Licht, das id1 nidu sehen kann, das aber doch da ist. Der Melkkned1t hat es gese- hen, aber aud1 das unschuldige Kind und der besonnene, hartgesottene Zachäus ! Diese sahen es, nur id1 und mein sd1lid1ter, einfältiger Da- niel nidu! So ist es ein überirdisd1es Lid1t, das nicht jeder sehen kann; ein Licht zwa r, das heiler Augen bedarf, aber das doch nicht für jedes Auge sichtbar wird. Ein Liehe, das auf- geht , denen es geoffenbarec ist. So gib t es also wirklid1, wirksam, wahrhaftig und wesenhaft eine Mache und Kraft, die Gewißheit bringt, etwas, das wie ein Anker das treibende Leben sicher hält. So hat also der ein Recht zu glau- ben, dem der Glaube Gewißheit schaffe und inneres Liehe!' Da sank der blinde Peter auf die Erde nieder, deren Los er so sd1wer ertragen, breitete die Arme aus und barg si ch, befreit von Angst und Ungewißheit, vo ll Rührung an das leidenvo lle Element ! Gutes Leben, dadue er zum ersten- ma l, gute Welt und -:-- guter Gott! Gewiß ist, daß wir durd1 diese Not ins Liehe schreiten. Am Ende ist nid1t unbedingt die Finsternis, sondern ein Lid1t ist möglid1, das sich im Her- zen entzündet und denen strahle, die glauben. Es war die erste demu csvolle Gebärde, aus der sich Peter wie neugeboren erhob. Noch hatte er II.einen Gedanken an das Kind im Stalle oder an die Propheten oder an den Messias; er war v o m G I a u b e n a n s i c h i.i b e r w ä l t i g t, vo n der Tatsache, daß man glauben darf. Wie ein Trunkene r schriee er jeczc dahin. Seine Lppen öffneten sich zum Gesang. Er wußte nicht, was er singen so llte und seine Schritte trugen ihn vorwärts, doch wußte er nicht, wo- hin sie ihn trugen." ,,So fand er", woll te id1 wissen, ,,zum Kind- lein in der Krippe?" „Ich wünsd1ce es ihm von H erzen", sagte Konrad, selbst voll des frömmsten Eifers, ,,id1 wünschte, daß dem Wanderer aud1 ein Ziel be- schieden se,i - doch - ", so fügte er seufzend hinzu - ,,dar(iber läßt uns die Legende im Un- gewissen. Meine Mutter nämlich, die uns vo r dieser Krippe die Gesd1ichce oft erzählte, sd1loß immer, indem sie auf den alten Hirten zeigte: ,Das also ist der bl-inde Peter! Das gute Lid1c leudue ihm, denn, wie ihr sehe, ist er immer noch unterwegs."' ?9
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