(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951

62 ~ i ~ In Vorbereiiunq: BANNS GOTTSCHALK Es rauscht ein Strom Roman „Dies aber sei an den Anfang gestellt: Ich habe meinen jüngsten Roman ,Es rauscht ein Strom' aus der Erkenntnis gestaltet, daß die wirkli- chen Ereignisse im Leben sich still vollziehen und das laute Treiben fliehen. Drei Haupt- gestalten gehen durch das Buch: der Fähr- mann Ansorge zunächst, eine beinahe zeitlose Erscheinung, deren Liebe itnd Glaube alles Trennende überbrückt; das Mädchen Julia, die nach Überwindung des Leides reifer u.nd berei- ter vor dem Leben steht, und schließlich der Fremde, jener junge Mensch, dem eine Heimat am Herzen Julias wird. Der Strom aber, über dem das große Schweigen zu sein sd1ien, wird zum Strom des lebendigen, weil gemeinsamen Lebens. Der Strom trennt nicht, sondern ver- bindet, wenn die unsichtbare Brücke, die hin- überführt, nicht nur für den Tag gebaut ist." H anns Gottschalk. Dem schlesischen Dichter Hanns Gottschalk. der in seiner Heimat von Gerhart Hauptmann persön lich den schlesischen Literatur-Preis über- reicht erhielt, ist mit diesem Roman wahrhaft die F 1 ü c h t 1i n g s d ich tun g ge lungen, die das schwere Schicksal der Volksdeutschen nach 1945 dichterisch verarbeitet und in eine bleibende literarische Form gießt. Der Vorsitzende des Zentralkomitees der Volks- deutschen in Osterreich schrieb über dieses Werk: „Ich werde wohl lange unter dem Eindruck dieser einmalig~n Schau und Schilderung des größten Problems unserer Zeit, des der Flücht- linge und Heimatvertriebenen, so wie sie es sahen, erlebten und schilderten, stehen. Das Werk richtet auf und gibt eine Blickrichtung aus dem Chaos unserer Zeit heraus . .. " 0 BE R OSTERREICH ISCH ER LANDESVERLAQ rad Helmperger" ausgenom- men, vorläufig die drei großen Romane der ersten Schaffens- periode gebracht: ,,]esse und Maria" (1947), ,,Die arme Margaret" (1950) und die Stephana-Schwertner -Trilogie (1948/ 49). Dem Roman „Jesse und Maria" ist eine Einleitung vorausgeschickt, in der die zu früh aus reichem Schaffen entrissene Dichterin Paula von Preradovics die große Schöp- ferin des modernen Geschichts- romans würdigt. Diese Ein- führung kann als das Beste gelten, was in essayistischer Form jemals über die Handel - Mazzetti ausgesagt wurde. Die Ausgabe ist in Text und Aus- stattung untadelig. Es wäre nur zu wünschen, daß es dem Verlag gelänge, die schöne und kaum mehr greifbare Gesamt- ausgabe des Münchner Ver- lages Kösel und Pustet durch diese würdige Neuauflage bald zu ersetzen. Vor allem wäre ein Neudruck ihres Meister- werkes, der Frau-Maria-Tri- logie und des Güntherfrag- ments m 1 t der gewichtigen autobiographischen Einleitung (die beiden letzten Ausgaben des Schönleitner- und Bren- tano-Verlages haben sie merkwürdigerweise n ich t gebracht!) ein sehr dringendes Bedürfnis. In zwangloser Reihenfolge erscheint das Gesamtwerk An- ton Wildgans'. Wie sehr be- grüßenswert ist es, daß die Behörden die Förderung die- ses Unternehmens als eme Ehrenpflicht betrachten, wo- durch ein Abschluß in abseh- barer Zeit gewährleistet er- scheint -, wenn auch freilich zur Zeit eine unliebsame Ver- zögerung festgestellt werden muß. Doch geben die beiden Herausgeber, die Witwe Lilly Wildgans und Otto Rommel, auch ihrerseits eine gewisse Sicherheit, daß diese Edition nicht wie so viele ähnliche ein Torso wird. Die Ausgabe hat vor all den anderen ge- nannten den Vorzug, daß sie eine historisch-kritische ist. Sie ist nach dem Gesichtspunkt der dichterischen Entwicklung angelegt und mit aller wün- schenswerten Textkritik aus- gezeichnet. Jeder Band ist mit dem nötigen bio- und biblio- graphischen Apparat ausge- stattet. Auf die Lesarten mußte aus praktischen Erwägungen verzichtet werden, doch hat Rommel in einigen prägnan- ten Fällen (Gedichte, Kirbisch) derartige Einschübe gegeben. Bis heute liegen vor: der erste Band „Gedichte" (1948), der zweite Band „Der junge Wild- gans" (o. J.), der fünfte Band mit dem „Kirbisch" (1948) und der sechste Band „Musik der Kindheit" (1947). Die Ausgabe ist sauber im Druck, vornehm in der Ausstattung. Gewiß ist, daß bisher kein Verleger sich einer solchen vor- bildlichen Ausgabe eines ver- storbenen Dicht•ers der jüng- sten Vergangenheit rühmen konnte. Die Gesamtausgabe der Dichtungen Georg Trakls ist dagegen ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Schon rein bibliographisch heißt es wieder einmal Rätsel auflösen: da erscheint 1938 ein Band „Die Dichtungen", wie es auf der Rückseite des Haupttitels heißt, ,,111 sechster Auflage" (= Neudruck der bei Kurt Wolff, Leipzig, 191 9 erschie- nenen „ersten Gesamtaus- gabe"), danach folgen 1939 in „zweiter, erweitert-er Auf- lage" die „Jugenddichtungen" unter dem Sammeltitel „Aus goldenem Kelch" (mit der Angabe auf dem Vortitel: Georg-Trakl-Gesamtausgabe) und schließlich 1949 als dritter und letzter Band „Nachlaß und Biographie. Gedichte, Briefe, Bilder, Essays" (mit dem Vermerk auf dem Vor- titel: Georg Trakl - Gesam- melte Werke). In die Heraus- gabe dieses „Unikums" zer- teilten (nicht teilten) sich, scheinbar ohne sich vorher zu- sammen besprochen zu haben, Erhard Buschbeck, Karl Röck, Wolfgang Schneditz. Und nach dem bewährten Sprich- wort „Viele Köche . . ." ist denn auch dieses uneinheit- liche Unternehmen zustande gekommen. Bedauerlich nur darum, weil diese Ausgabe der breiten Masse das verschleierte Bild dieses früh verstorbenen, nicht früh vollendeten Dichters nicht faßbar macht. Dieser lyrische Repräsentant emer herbstlich schön, doch auch müde zu Ende gegangenen Epoche erschließt sich nur in wenigen Perlen seiner Dicht- kunst und in diesen auch nur allmählich. Einen ganz un- ordentlichen Eindruck ver- mittelt der letzte Band, in den wahllos und kritiklos alles noch Auffindbare aus dem Nachlaß neben biographischen Skizzen, kritischen Vermerken und Interpretationsversuchen

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