(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951
Am 10eiknadttshaum--~-- die Lichter brennen_.. ,-_.. -_j Immer neues seli ges Entzi.i cken, wenn am Hei li gen Abend am Weihnachtsbaum die Lichter brennen und in den si lbernen Kugeln , den goldene n Sternen, den gleißenden Zacken und Spitzen sich die Kerzenflammen und die strahl enden Kinderaugen widerspiege ln! In diesen Augenblicken, da für Sekunden auch der im Lebenskampf verhärtete Mann wieder zum Kinde , die abgehärmte Mutter wieder zum Mädchen wird, in diesen lichterfüllten Weihestunden unserer Seelen denken wenige d aran, welch wei t ve rzweigte Indu strie, die nach viel en Richtungen ih re Verbindun gen abzweig t , diesen zauberhaf ten Glanz entstehen läßt. Einst, in Jahrzehnte zurückliegenden se li gen Friedenszeiten ent- strömte dem glitze rnden, flitterbestreuten Glastand, der in Papp- schachteln und Holzwolle die Regale des Chrisckindelmarktes und der Auslagen zierte, der zauberh afte Hauch eines wirklichen Märchen- waldes, des Thüringer Waldes, aus dessen Glasb läse rhütten der Groß- teil des Chriscbaumschmu ckes aud1 in die Behau sungen der ös t er rei- d1isch-ungarischen Monarchie kam. Millionen von Granaten und Süßwaren Großhandlung 'f.c(l,,,,,,,Z, R,o.tfA, Schokolade / Kakao / Bonbons / Zuckerwaren Teebäckereien / Lebkuchen / Marmelade LINZ/DONAU, GRABEN 15a • TELEFON 22196 Bomben haben die heime li ge n Märchenpfade zerstört, auf denen der Weihnachtsmann oder die Engel des Christkindleins die zerbrech lid1e und duftige Ware aus Thürin gen nach Osterreich brachten. Seic 191 8 und mehr noch sei t 1945 erzeuge Osterreich seinen Christbaum- sd1muck autark, das heißt , fast autarke. Denn immer noch ist die Erzeugung des Chriscbaumsd1muckes an das Vorhandensein ge lernter Glasbläser gebunden. Maschine ll werden zum Beispiel in Amerika bloß Glaskugeln er zeugt, diese sind aber nicht das Richcige . A ls der Schicksa lswi nd die Glasbläser aus der Gab lonzer Gegend und i.iberhaupt aus dem Böhmischen nach Oberösterreich verwehte, da erzeugten auch eini ge in Linz und in Enns sowie in Kremsmi.inster ansässig gewordene Gablonzer Christbaumsd1muck. Seit sie jedod1 die Rohmaterialien für ihre Bijouteriewaren w ieder bekommen, ha- ben sid1 di e meisten ihrer eigent!id1en Schmuckerzeugung zugewan dt und der Hauptbedarf des binnen ländischen Weihnachtsmarktes wird von zwei Wiener Großfirmen Eggerlindt und Brauns betrieben, fi.ir die noch eine oder die andere Gablonzer Firma in Oberösterreid1 arbeitet. Die Hauptwe rkstätte des oberösterreichischen Chrisckindels liegt in der Landeshauptstadt Lin z, ein paar Schritte hinter der Wiener Reichsstraße , in der Pillweinstraße 14, wo ein zünfti ger Glasbl äser- meister aus Thüringen, Herr Otto Mi.iller-Sd1err, eine ehemalige Großtisd1lerei gemie tet und in eine Erzeugungss tätte für Chriscbaum- schmudt umgewandelt hat. Aud1 ! Denn von de r Erzeugung des Christbaumschmuck.es allein, könnte seine Fabrik, in der zehn Ar- beitskräf te beschäfti ge sind, nicht leben. Die Haupterzeugnisse des jungen und tüchtigen Glasbläsermeisters sind Glasbehälter und Ap- paraturen für memisd1e Laboratorien, für die Brauindustrie, für die Len zinger Zellwo lle, Thermometer , m it denen man Temperaturen bis zu semzig Grad unter dem Nullpunkt messen kann, riesige Glas- apparaturen für Spezial zwecke, die er in den Fabriken selbst an Ort und Stelle erzeugt. Als die Scickstoffwerke in Linz errimcet wurden, kam der junge Glasbläsermeister nam Linz an der Donau, ist hier geblieben, hac eine Einheimisme vom Böhmerwald geheiratet und sim 56 m1c frisd1em Wagemut selbständig gemamt und ist nun das Chri st- kinde! von Lin z. G lasbläserei ist das Um und Auf der Erzeugung von Christbaum smmuck; Glasbläserei wie sie in der thüringischen Heimat des Lin zer Meisters seit J ahrzehnten Familientraditio n war. Nod1 im Jahre 1948 errimte te er in einem Keller in der Goethe- sc raße ein e provisorisd1e Erzeugungswe rkstä tte und produzierte da- mals in den kargen Freizeits tunden 15 .000 Kartons Chriscbaum- sd1muck. Jetz t arbeiten zehn Angeste ll te, meistens Frauen , an den Gasbrennern und erzeugen die si lbernen, wie Turni erlanzen aus- sehenden Spitzen für Christbäume , Silberkugel n, Tannenzap fe n, N üsse, Halbmonde, Sterne, kleine Silberhäuschen, Pilze, Weihnachtsmänner. 20.000 Kartons zu je zwölf Stück wurden im Vorjahre abgesetzt und heuer werden es ebenso viele sem. In Enns bei der Firma H artig, deren Chef-Ingenieur Hartig gleid12eicig Obmann der Gab lonzer Genossensmafc in Enns isc, we r- den Kerzenbehälter und die metallenen Behelfe für di e gläsernen Vögel, Pilze und dergleimen ges tanzt, in die dann der Chr istbaum- smmuck ei ngek ittet wird. Aum die Osen und Klammern, die jet zt wieder (oder im Zeid1en der Buntmecallknappheit nom?) aus Mes- sing erzeuge werden, stelle die Gablonze r Industrie bei. In der Linzer Fabrik werden die Glasbestandtei le geblasen. Aus langen G lasstangen formt die simere Hand des Mei sters über dem Gasbrenner, der mit Preßl uft und Sauerstoff ve rbunden ist, iA wenigen Minuten so einen Christbaumspitz. Bis zu zehn sold1er Spitzen vermag er in einer Arbeitsstunde zu blasen, in jeder Hin- simc eine „Spitzen"-Lei stung. Der Meister selbst verfertigt ~ur die großen Christbaumspit zen, die kleineren bläst sm on eine angelernte Arbeiterin aus Si.idci ro l, während zwei Linze rinnen mit Hilfe von Modeln die Weihnamtsmänner, Tannenzapfen, Häusmen usw. formen . Aum sie blasen über dem Gasbrenner glühende Kuge ln in eine aus zwei Teilen bes tehende Porzellanform hinein, die im Nega ti v die endgültige Form (Wei hnamtsmann, Häuschen, Raumfangkehrer usw.) birgt . Diese Porzellanformen kommen auf kos tspieligen Umwegen nom immer aus dem (heute in der Ostzone liegen den) Thürin gen. WILHELM l<OBALD (J>ostkartenver{ag El(iENE (iO LDPRA(iE-ANSTALT STAND. QER. BEEID. SACHVERSTANtJIQER Wien 1, l<ohlmessergasse 3 Hie und da gehe ein Sci.ick zu Brum, aber in zwei Jahren, die allerdings viel Geduld, Material, Ausdauer und ver brannte Finger kosteten, haben sie es alle zu einer bewundernswerten Gesd1icklim- kei c gebramc. Auf dem Arbeitstism häufen sim die nom durch- simti gen farblosen Glasleiber der Weihnamtsmänner zu Hügelmen, emsig schneidet die Arbeiterin den länglimen Blaszapfen ab und schimtet di e Weihnamtsmänner in einen Karton. Droben im Damraum ist die eigentlime Zauberwerkstätte des Versi lberns eingerimcet. Kleine Hügel gl itzernder Silberkugeln leuch- ten dem Besumer entgegen, während die eigentlime Versi lberungs- apparatu r nüchtern-laboratori umsmäßig aussiehe. Drei Glasbehälter
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