(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951
Mund- und Ziehharmonika, vermischt mit dem Jodeln und Jauchzen der Masken und öfters auch dem Rattern der Ratschen und Klingeln der Glocken, sein Nahen an, bis endlich vor dem Haus die Stimme des Anführers an- fragt, ob es „verstattet" sei, einzutreten (Altheim, Gein- berg, Gurten usw.). Und schon springt, die Tür weit auf- reißend, der „erste wurstl" in die Stube. Aber, pardauz, da liegt er, nach einem weitverbreiteten Zeremoniell Un geschicklichkeit markierend, der Länge nach im Zimmer, während der zweite wurstl mit einem Purzelbaum über ihn hinwegsetzt und in raschem Galopp der prächtige „Schimmelreiter" — der Stolz jeder Maschkerergruppe dieses Gebietes — hereinsprengt. An weißem, mit Kunst blumen besetztem Mantel oder nach Dragonerart in blauem Rock und roter Hose, den glänzenden Helm auf dem Haupte, trabt er auf seinem Steckenpferdchen, zwi schen besten Ehren ein Sternchenwerfer seine Funken ver sprüht, dreimal im Kreis durch die Stube, um so für die sechs Tänzerpaare Raum zu schaffen, die sich nun ruhig und feierlich paar um paar im Rahmen der Tür zeigen: die Männer in weißen Hemden mit roten Krawatten, grünen, reich mit Flitterwerk besetzten Hosenträgern, kurzen Loderhosen, einen breiten roten, mit Gold bemal ten Gürtel um den Leib und einer hohen goldenen Krone auf dem Haupte, die Mädchen (vereinzelt werden auch die Mädchenrollen durch Burschen dargestellt) in bunten, mit Gold- und Silberborten übersäten Steirer- und Tirolertrachten. An völligem Schweigen schreiten sie in die Mitte des Zimmers, um ein paar Takte eines Länd lers oder Walzers zu tanzen, während sich vier als Bauern verkleidete Burschen zum Tische drängen, um ein anscheinend unterbrochenes Kartenspiel fortzusetzen. Am Ulu aber wechselt ihre Unterhaltung auf den Getreide- handel, wobei sie sich nicht einigen können und in Streit geraten, den ein tückischer „Roßhändler", der dem Schim melreiter nachschleicht, und ein gehörnter Teufel fleißig schüren, bis der „Gendarm" den Tumult energisch ab- stellt. Inzwischen aber war der „Vagabund" so unvor sichtig gewesen, sich in den Streit zu mischen und den Gendarmen zu beleidigen, bis diesem die Geduld reißt und er ihn mit wohlgezieltem Schuß zu Boden streckt. Jetzt ist die Reihe an wurstl und „Bader", mit allerlei komischen Wiederbelebungsversuchen sich des Erschos senen anzunehmen, ehe der Teufel seine Seele in die Hölle abschleppt. währenddessen hat der Roßhändler sich mit einem der Bauern über den Verkauf des „Gol denen Schimmels" verständigt, preist das „Guckkasten- inandl" unerhörte Sehenswürdigkeiten in seinem Kasten an, zieht der „Menageriedirektor" mit Schlange, feuer speiendem Drachen, Bären und Habergeiß oder stier-, pferde-, Hund- und wolfköpflgen Masken ins Zimmer, hämmert der „Rastelbinder" mit Eifer auf einem zer schlagenen Blechhäfen, kehrt der „Rauchfangkehrer" den Ruß aus dein Stubenofen auf den Fußboden, damit wurstl und Teufel stets reichlich Material zum Schwärzen der Mädchen haben, zwickt der „Schneider" über die Köpfe anderer hinweg einen Nichtsahnenden plötzlich mit der langen Streckschere in den Hals, stürzt sich der „Ra sierer" mit seinem riesigen Holzmesser auf ein Gpfer und nimmt der „Bader" an einem verzweifelt schnaufenden Patienten eine erschreckliche Kropfopcration vor, nicht ohne sogleich den Anhalt des Kropfes, ein saftiges Beuschl, aufzuesten. Andessen frümmen „Kraner" und „Gott- schewerer" (Krainer und Gottschecr) Salben und heil sames Wurzelwcrk aus ihrem Hausiererkasten an und durchstöbern „Diebe" und „Zigeuner" Küche und Keller nach Eßbarem, bis endlich die Bäuerin selbst dem „Bäcker- buben" („Buckellorbtrager") eine große Schüssel voll Krapfen, Brot und Fleisch in seinen Korb schüttet und das „Besenweibl" eine Maske nach der anderen in das Dun kel der Aiacht Hinauskehrt. Bildet hier der Schimmelreiter und der Aufzug der Tiere einen charakteristischen Bestandteil des Geschehens, so begegnet uns, wieder in Begleitung von Tänzern, wurstl, Teufel, Handwerkern und Habergeiß, von Münzkirchen und St. Roman südwärts an ihrer Stelle oft ein städtisch ausstaffiertes „Brautpaar" mit einem Gefolge von verschiedenen Hochzeitspersonen, und ab und zu, so um Eitzing und Ort i. I., ein „König" oder „Prinz", dem nicht selten auch eine Gemahlin beigegeben wird. Vielleicht liegt hier der Übergang zur jüngsten Umgestal tung des Brauchtums vor: der Ausnahme der Heiligen Drei Könige, denen in einzelnen Auszügen einst ebenfalls Gemahlinnen beigegeben waren. Heute betreten sie im oberen Annviertel und im Hausruckviertel mit einem Glück und Segen auf das Haus des besuchten Bauern wünschen den Spruch die Stube und schreiben mit geweihter Kreide das heilige Zeichen P -h lVi H 8 an die Türen. Die von den Bauern gespendeten Gaben aber werden in einem solchen Umzug meist nicht von den Zechenmitgliedern selbst
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