(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951

Xs/^6 »m/ oom Längst sind die Schemen- und perchtenläufe von Tirol und Salzburg weithin bekannt. Zeitungen, Film und Rundfunk werben, sie zu besuchen, und Tausende von Fremden sind oft Zeugen dieser großartigen, farbenpräch ­ tigen Bräuche. Ganz anders steht es um das verwandte Mittwinterbrauchtum in Oberösterreich. Allgemein wird es noch in Haus- und Dorfgemeinschaften gehegt und nur selten haben Ortsfremde Gelegenheit, die häufig von Geheimnis umgebenen Bräuche zu beobachten. In der Literatur wurde bisher wenig über sie berichtet und selbst das Erscheinen der so nachdrücklich auf sie hinweisenden Werke Richard Billingers („Asche des Fegefeuers", „Rauhnacht") vermochte die Aufmerksamkeit weiterer Kreise nicht lange auf sie zu lenken. Und doch verdienen sie ihrer Eigenart und Altertümlichkeit wegen, daß wir uns mit ihnen beschäftigen und für ihre Erhaltung und Pflege sorgen. An dem von vielen Volksbräuchen und dem Nachwir ­ ken alter Glaubensvorstellungen erfüllten Zeitraum des Mittwinters bilden die sogenannten „Rauhnächte" einen eindrucksvollen Höhepunkt. Im allgemeinen wird ihre Zahl mit vier angegeben und als Rauhnächte der Thomas- (rz. i r.) und Heilige Abend, Silvester und die Nacht vor dem Dreikönigstage angeführt, von denen die letztere als „Große", „Foaste", „Krapfen-", „Glöckl-" oder „perchtl- rauhnacht" alle übrigen an Bedeutung übertrifft. Sicherer wird man, dem Volksglauben nach, an ihr bei den ver ­ schiedenen Versuchen des „Losens", Hütlhebens, Schuh- werfens, Zaunsteckenzählens usw. die Zukunft inne; zahl ­ reicher als sonst schwärmen an diesem Abend die Hexen aus und sorgfältiger muß man Tür und Tor verschlie ­ ßen, um ihnen den Eintritt in das Haus zu wehren, weit verbreitet ist noch die abendliche Sitte des Räuchernge- hens und das Beschreiben der Türen mit den unheilab- wehrenden Namen der Heiligen Drei Könige. Vielfach aber umgibt die übersinnlichen Gestalten eher etwas von dein Glanz eines fast mythischen Geschehens als die Angst vor ihrem schädigenden Einfluß. So etwa, wenn im öst ­ lichen Mühlviertel und Teilen des Krems- und Steyr- tales von der „Bermuada" (Frau percht) erzählt wird, daß sie mit der Seelenschar der „Unschuldigen Kinder" in der Großen Rauhnacht in die Gehöfte einzieht, um auf der Tenne zu tanzen, oder, in schöner Verchristlichung, die Heiligen Drei Könige auf ihrer winterlichen Reise nach Bethlehem auch durch Oberösterreich kommen, in einsa ­ men Bauernhöfen rasten und tanzen und gern die Opfer — eine Schüssel voll Milch, Brot und Krapfen — in Emp ­ fang nehmen, die die Bevölkerung für sie oder die Ber ­ muada auf den: Studentisch oder dem Tennboden aufstellt. wie dies vielfach für Erscheinungen der oberöster- reichischcn Volkskultur zutrifft, daß sich die im Osten unseres Landes üblichen Formen von denen des Westens unterscheiden, steht auch hier diesen östlich des Haselgra ­ bens und der Traun verbreiteten Gpferbräuchen westlich dieser Linie ein ganz anderes Brauchtum gegenüber. Dort bilden den Mittelpunkt der Handlungen keine Opfer an gedachte, übersinnliche Wesen, deren Einzug man in der Dreikönigsnacht erwartet, sondern die Umzüge leibhafter Masken, die in mehr oder weniger terroristischen Formen bei den verschiedenen Bauern altherkömmliche Gaben, vor allem Krapfen und Fleisch, einfordern. Dabei sind zwei große Gruppen von Umzugsbräuchen zu unterscheiden, die sich zeitlich oft unmittelbar neben- oder hintereinander vollziehen. Zu der einen gehören die über weite Strecken Oberösterreichs (s. Verbreitungskarte) hin nachweisbaren „Rauhnachtler", die, in kleinen Gruppen von zwei bis fünf Mann, meist recht geheimnisvoll und geräuschlos aus dem Dunkel der Nacht kommend und wieder in ihr verschwin ­ dend, während der großen Mähler, die an diesem Abend üblich sind, an die Fenster der Bauernhäuser klopfen und „um a weng was von der Rauhnacht" bitten. Die andere Gruppe besteht aus den eigentlichen Maskierten, die sich zur Darstellung traditioneller Rollen zu großen, zwanzig und mehr Personen umfassenden Gesellschaften zusammen ­ schließen, die lärmvolle Umzüge durchführen. Deutlich zeichnet sich auf unserer Karte das Verbreitungsgebiet der „Maschkerer" (Innviertel und anschließendes Haus ­ ruckviertel), der „Rauhnachtssinger" (nordwestliches Mühlviertel) und der in feierlich-schönem Lauf auftreten ­ den „Glöckler" (Salzkammergut) ab. Die Rauhnachtler, oder, wie sie im Innviertel nach ihrer hauptsächlichen Beute, „den Rauhschnidn" (in Schmal; Herausgebackenen Brotstücken) und ihrer weiner ­ lichen, näselnden Stimme wegen auch heißen die „Rauh- schnidnbettler", „Raunler" und „woisler", sind meist Kinder und Arme, die in zerlumpten Kleidern, oder Män ­ ner als Frauen und umgekehrt maskiert, durch geschwärzte Gesichter und falsche Bärte unkenntlich gemacht, um ­ ziehen. was ihre Maskierung aber eigentlich bedeutet, besagt ihre Ausstattung im mittleren Innviertel (um weilbach), wo sie „als Geister" in Leintücher gehüllt und mit weiß bestrichenen Gesichtern auftveten und sich so das Aussehen der Seelen der Abgeschiedenen geben, wie es in unzähligen Sagen immer wieder beschrieben wird. 40

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