(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951

bruck. 1947. Wagner), und die von Karl Privat herausgegebene (nicht verfaßte, wie der irre- führende Rücken- und Haupttitel auszusagen '.cheint!) Sammlung von Lebenszeugni ssen (Berli n. 1946. Verlag des Druckhau ses Tempel- hof). Die Stifter-Forschung hac sich auf weite Strecken hin die Fortschritte der Stifter-Philo- logie zunutze machen können . Eine Arbeit, die auf sich selbst bestehe und eigenen erfolgreichen Quellenstudien ihr Be- stes verdanke, ist Moriz Enzin gers, im Rah- men des o.-ö. Scifter-Instituces erschienene Dar- stellung „Adalben Stifters Studienjahre 1818 bi s 1830" (Innsbruck. 1951. Osterr. Verlags- :i nscalc). E. hat mit Heranziehun g manchen noch unveröffentlichten Material s den Krems- münsterer und ersten Wiener Jahren des Dich- ters eine eindringliche Untersuchung gewidmet. Unterrichtsmethode, Lehrbücher, d.ie Lehrer und ihre gei sti ge Position werden überprüft , einander und an der weltanschaulichen Situatio n der Zeit abgewogen, somit al so der gei sti ge Raum abgegrenz t, aus dem der junge Stifter kommt. Aus seinen Forschungen erwächst, wei t über das gestellte Thema hin aus, ein klares Bild des geistigen Lebens im vormärzlichen 0sterreid1. Ohne in die leicht mögliche Gefahr des üblid1en und üblen Schematisierens zu ver- fallen, kann mit dem strengen Vorbehalt , daß di e Entwicklung eines großen Dichters nicht ausschließlich aus seiner Schulbildung gedeutet werden darf, doch mit eini ger Sicherheit die Herkunft aus dem benedikcinisch gehaltenen , josefinisch aufgelockerten Leibni z-Wolff-Kanc- Lehrgebäude fest gehalten werden . Di e darau s abgeleitete, vorsid1tig tastende Schlußfolgerun g kann nodi keineswegs gegeben werden, ist auf diesem Wege allein auch nid1t zu finden. Di e Klärung einer bislang ungeklärten Epoche und di~ Festlegung der Bildungsgrundlagen, wie sie 11ichc nur für Stifter gültig sind - , das ist das große Verd ienst Enzingers. - In einem ei genen Abschnitt „Stifters Anfänge in der Malerei" (S. 110-128) bekräftige und erwei- tert er die erstmalig in einer umfan greichen Gesamtbecrad1tun g vorgelegten Forschungs - ergebni sse Fritz No vocnys (A. Sc. al s Maler. 3. erw. Auflage. Wien. 1948. Schroll). Sc. ent- wickelt sich au s der Schule se ines Lehrers Riezlmayr von der zeitgenössi schen Land- schafts- (Veduten- ) Malerei über eine nicht ,üiher zu fixierende romanti sche Epoche zu einer ei gengesetzlichen Kunst, die wie seine did1terisd1e keine weitere Entsprechun g hat. Die vor allem wegen ihrer kontinuierli chen Vergleichung mit dem did1terischen Ertrag überau s aufschlußreiche Arbeit beziehe ersc- m:i li g den gesamten greifbaren Bilderbestand ein (im Anhang eine genaue Aufnahme) . Al s gewichtige Einzelstudien erwähne ich nur Guscav Wilhelms Einleitung zu seiner Scifter- Anchologie „Freiheit und Maß" (Wien. 1948. Herder) und Wilhelm 'ßietaks Abhandlung „Grillparzcr - Stifter - Feud1tersleben" (Deucsche Vierceljahrsd1rift f. Litw fc. und Gei stes- gcschid1ce. 1950. S. 243-268). Sie ergänzen und bekräftigen sich in der Klarstell ung von Stif- t ers Position im 48er Jahr. Wie Grillparzer war auch er der Dichter der Ordnung und des Maßes, ohne einem wohlverstandenen Fort- schritt entgegen zu sein. (Vgl. auch Robert Müh lher, Stifter und die Ordnung, in: Östen. f urche. 1946. Nr. 38). - Das Büchlein „A. Sc. und die Lackenhäuser" (Hamburg. 1948. Claas- sen und Govercs), das eine sehr entscheidende Episode mit allen erreichbaren Beziehungen liebenswürdi g und ansd1aulich darstelle, sei nachdrücklid1 hervorgehoben. Stärkste Beachtung forde re Herbere Cysarz' Stifter-Essay (in : Welcräcsel im Wort. Wien. 1948. Berglandverlag) . Aus seiner reichen Kenntni s und mit der Überzeugungskraft seines temperamentvollen Wortes, das niemals nur blendet, wie oberflächj.jche Beurceiler w is- sen wollen , gibt er in einer Fülle von Anre- gungen eine meisterhafte Skizze des Dichters, gewissenhaft und offenherzig aud1 die Kehr- seite manche r scheinb ar schon gelösten Pro- bleme aufzeigend. In seinem schon vielbeachteten Bud1 „Adal- berc Stifter" (Kopenhagen. 1946. Uni v.-Verl ag Aa rhu s) rückt Erik Lunding den Dichter in den Fragenkreis einer exi stentiellen Liceracur- w issenschafc. So sehr er sich, obendrein nod1 in einem gesonderten Exkurs, gegen die Aus- wüchse dieser Moderid1tung nid1c nur der Lite- raturwissenschaft wehre, verfällt er selbst - unklugerwei se gerade im Falle Stifter! ;hrem Zauber. Einsamkeit, Angst, existentielle Gefährdung, mit diesen und ähnlichen Schlag- ,,,orcen, die L. gewiß mi t Ernst auf ihren welcansd1aulid1en und psychologischen GehaJc · hin uncersud1c, sind besten Fall s menschliche Haltungen aufzuhellen, die Scifcersche Dichtung vo n daher deuten zu wollen , ist völl ig abwegig. Die Hauptwerke wie der „Hodnvald" , der ,,Nadisommer", ,,W iciko " und die „Mappe" entziehen sich jedem derarti gen Versuch. So bleibe denn bloß manche inte r pretierende Ein- zelheit (Hagestol z, Abdias, Exkurs über Stili- sierung) zu r egistrieren. - \Vie reich ist da- );egen der Ertrag de r schönen Arbeit von Curc Hohoff (A. Sc. Seine did1terischen Mittel. Düs- seldorf. 1949. Schwann ). Vom Sprachlichen her, vom dichterischen Wort in seiner Wandlung, vo n Überlieferung über die Reife zur ei gen- persönlichen Meisterschaft würdige H . da s \Verk. Das \Vorc al s Ausdruck geisti g-seelischer Haltung ·-, man muß bekennen, daß H. in manchen Fragen bi sher weni g begangene Wege gehe, um die Welt Stifters als eine jederzeit gültige gei stige Mache zu erwei sen . Daß er den Dichter von Herder weg näher zu Leibni z rücke, dies vom Bildungs raum Kremsmünster bewei send, hat erst Enzinger (s. o.) auf seine richtigen Maße eingeschränkt. Der Versuch , Stifters Weltanschauung zu deuten, b leibe an der Oberfläche haften . Daß der Verfasser sid1 mit einer so anmaßenden Ablehnung der bi s- herigen Stifter-Forschung einführe, beeinträch- ti ge empfind li ch di e Redlichkeit seiner Arbeit. Den zweifellos ciefstgründigen Beitrag liefere Hermann Kunisch: A. Sc. Mensch und Wirk - lichkeit. (Berlin. 1950. Duncker und Humblot). Während Hohoff mit einer spürbar beherrsd1- ten Zurückhaltung das Gesamtwerk überschaue, wage K., vom Herzstück, der „Mappe", au s- gehend , den Versud1, ins Zentrum der dich - terischen Welt vorzustoßen. Indem er Stifters W' elc der Mensd1en und Dinge al s in der Ord - nun g Gottes liegend und al so wahr, weil we- senhaft wirklid1 , erkenne, hat er durd1aus die Grundtendenz dieser Dichtung erfaßt. Es ist methodi sch lehrreich, wie er an den drei Fas- sungen der „Mappe" die Wandlungen seines Stilgefühl s, seiner Welc- und Goccschau wechsel - wei se erhelle. Um dann das „sanfte Gesetz" im „einfad1en Leben " in co ntinuo und in ex- trnso als Ausdruck der zutiefst christlichen Hal - tung des Vertrauens und der Hoffnun g zq erklären. So sehr manches wm Widerspruch herau sfordere und unbedad1c die „Mappe" ge- gen den „Nad1sommer" ausgespielt wird, di e Arbeit ist ebenso erfol greid1 wie lehrreich für jede weiteren Ansätze zu eine r tieferen Deu- tung des Phänomens Stifter. Was uns K. für den „Nachsommer" sdmldig bli:ibc, das gibt in reichem Maße die feinsin - ni ge und edel geformce Monogr aphie von Wal- ter Rehm (Nachsommer. Zur Deutung vo n Stifters Dichtung. Bern. 1951. A. Francke) . Si e paraphrasiere mit allen natürlichen, geschid1c- lichen und literarischen Bezügen das Thema, vom Wortsinn ausgehend , über den Bedeu- wngswandel de s Worces von Jean Paul bis Burckhardc, um schließlich in Stifters Roman ~eine le tzte Sinn-Formung und Sinn-Erfüllung zu finden. Indem der Verfass er dieses Mittel - stü ck des Gesamtwerkes glückli ch deutet , finde1J wir auch einen Zugang zu ein er Reihe an - grenzender Dichtungen (Feldblum en, Hagestol z, \Valdgänger, Mappe). Ergänzend wäre zu bemerken, daß eine Ar- beit von Gu scav Gugicz mit bish er unbekann - tem Dokumencenmacerial demnächst zu erwar- ten isc. D as also wäre die reiche E rnte eines Jahr- zehnts. Weit sind wir vorgedrungen in den S1..-haffensbereich und die dichteri sche Welt. Der Maler ist uns grei fba r nahegerückt , di e stark ausgeprägte Durchformung der dich te- ri schen Mittel vom Maleri schen her, der Bil- dungsgan g der Studienjahre liege klar vo r uns, die Frömmigkeit seiner We lt- und Mensd1en - auffassung haben wir erkannt, seine überr a- gende Sonderstellung im episd1en Reali smu s des 19. .Jahrhunderts und bi s in unsere Tage ehr - Hird1ci g bejahe. Und noch durd1 mand1e klein e Zü ge is t uns sein Bild vertrauter gewo rden . Eines freilid, mußten wir bedauernd fe st stellen , dafl mit der Erkenntni s der Wi ssen sc½afc das Interesse der Leser noch lange nid1c Schrit t hei le und wenig getan wurde, diese selcsam e Situation zu ändern. Wir erhoffen un s zum 150. Geburtstag de s Did1ters (1955) hie r in einen durchgreifenden Wandel. Abgeschloss en im September l 951. HOT~L BRAN DL ERSTRANGIGE FREMDENZIMMER LINZ (DONAU), LANDSTRASSE 101 -103 · TEL 2 4913 JO

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