(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951

lieferung angeknüpft, als es die 2000bändige Bibliothek Geyer, die größte arabische Privatbibliothek des Nach- kriegsösterreich erwarb, auch wenn es dafür gewisse Teile seiner älteren Bestände opfern mußte. Das Bild der Barockbibliothek wäre nicht vollständig, wenn man ihre Verbindung zu den Künsten vergessen würde. Nicht nur in der reichen Fertigung der Bibliotheks- schränke, in den überall vorhandenen Deckengemälden war diese gegeben . Dazu gehörte vor allem die g r a p h i s c h e S am m 1u n g , die an allen diesen Orten entstand und auch heute noch in reichen Beispielen erhalten ist. Wer wüßte nicht von den einzigart igen Blättern barocker Künst- ler, wie sie z. B. St. Florian besitzt? Lambach, wo der Schüler und Freund des Kremser Schmidt, Koloman Fellner, Profeß abgelegt hatte, ist durch dessen Sammelbände gerade heuer, im Kremser-Schmidt-Jahr, besonders hervorgetreten. Und dasselbe gilt schließlich auch für die M u s i k , ange- fangen von den Neumen-Handschriften aus den hochmittel- alterlichen Jahrhunderten, bis zu den wertvollen Drucken und Handschriften des 16. und 17. Jahrhunderts, die in manchen Bibliotheken bewahrt wurden, und weiter zu den Mozart- und Bruckner-Autographen, die an manchen Orten z.u finden sind. Man darf nun freilich eines nid1t übersehen . Bei allen diesen Dingen handelt es sich heute zu erheblichen Teilen um m u s e a 1e s G u t. Die lebendige Wirkung beschränkt sich innerhalb und auße rhalb der Klöster auf einen kleinen Kreis von Wissenschaftlern, welch letztere hier immer wie- der eine gern gewährte Gastfreundschaft in Anspruch nehmen werden. Ihre Geschichte hat bisher nur in St. Flo- 26 n.:i.n durch Alhin Czerny vor fas t 80 Jahren eine vollstän - dige Darstellung erfahren. Im großen sind diese Bücher- schätze fast zu einer Last geworden, deren Instandhaltung und Sicherung eine nicht zu unterschätzende Aufgabe dar- stellt. Fast mehr als an den holzgeschnitzten Altären ist hier der Wurm am Werk, dessen Bekämpfung ein noch immer ungelöstes Problem darstellt. Die Führung auf bibliothekarischem Gebiet ist heute auf die Einrichtungen der ö ff e n t l i c h e n H a n d über- gegangen. Hier sind die Büchereien zu sud1en, die die größten Besucherzahlen und die meisten Entlehnungen auf- zuweisen hab en. Ail.lf dem Grundstock der Bücherschätze der aufgehobenen Klosterbüchereien errichtet, jahrzehnte- lang von Kremsmünsterer Kapitularen betreut, ist die tJffentliche Studienbibliothek in Lin z mit rund 130.000 Bänden jetzt die größte Bibliothek Ober- österreichs. Wäre sie auch eine Einrichtung des Landes und nicht des Bundes, so hätte sie gewiß nicht unter der wür- genden Einengung zu leiden, unter der sie jetzt ihr Dasein fristen muß. Trotz ihrer 175jährigen Geschichte und den Kostbarkeiten, die sie auf allen Gebieten besitzt, hat sie in Osterreich den Rang noch nicht erreicht, den sie nach ihrem Standort einnehmen sollte, wobei die verschiedensten äuße- ren Umstände mitspielen. Aufs engste mit den heimat- und 1andeskundlichen Bestrebungen im Lande verwurzelt, aus den vielfältigen Bestrebungen hervorgegangen, die das jetzige 0 b e r ö s t e r r e ich i s c h e L a n d e ·s m u s e u m ent- stehen ließen, ist dessen Bücherei von rund 55.000 Bänden für Obderennsia, für naturwissenschaftliche und kunstge- schichtliche Interessen, wie sie eben das Museum pflegt, eine vielfältige Fundgrube für seine zahlreiche Lesergemeinde. An dritter Stelle steht die B i b l i o t h e k des Ober - ö s t e r r e i c h i s c h e n L a n d e s a r c h i v s , wie die Museumsbibliothek ein Institut des Landes, die in ihren 17.000 Bänden eine hervorragende historische Bücher- sammlung vereinigt und für einen jeden unentbehrlich ist, der sich in Oberösterreich mit geschichtlichen Dingen be- schäftigt. Zu diesen nach wissenschaftlichen Grnndsätzen geführten Bibliotheken kommen noch die Stadtbibliothe- ken, von denen nur die der Stadt Linz selbständige Bedeu- tung besitzt, Gemeinde-, Schul- und Leihbüchereien und schließlich di1e fübliotheken der Kammern und wissen- schaftlichen Gesellschaften. Die übersieht, die wir damit gegeben haben, ist in ihrer Vielfalt und in ihrem Reichtum eindrucksvoll genug. Die kulturelle Leistung des Landes vermag sie nicht zu erschöp- fen . Schon bei der Erwähnung der Adelsbibliotheken haben wir darauf hingewiesen, daß ein sehr erheblicher Teil ihrer Bestände abgewandert ist. Ahnliche Vorgänge sind noch mehrfach festzustellen. Schon im 15. Jahrhundert, in dern das Land eine Reihe berühmter Universitätslehrer, wie Jo- hannes von Gmunden, stellte, mag ein solcher stattgefun- den haben. Klar nachweisbar ist er im 16. Jahrhundert, als infolge der Bücherleidenschaft der Habsburger, besonders Kaiser Maximilians II., eine ganze Reihe wertvoller Hand- schriften, insbesondere Geschichtsquellen, in die Hauptstadt verbracht wurden. Zahlenmäßig fällt eine dritte Epoche, die Aufhebungszeit unter Josef II. viel mehr ins Gewicht, die ebenfalls von zentralistischen Tendenzen geleitet war und die Wiener Bücherschätze z. B. um die Handschriften von 1fondsee und manchen anderen Klöstern bereichert hat. Schließlich ist die neuere Zeit zu nennen, in der unter den Einwirkungen und Nachwirkungen der Franzosenzeit und des ersten Weltkrieges eine oft recht fühlbare Verstreuung des Kulturbesitzes vor sich gegangen ist. Im 19. Jahrhundert kam vieles in deutsche Bibliotheken, später in westliche und überseeische Sammlung,en, so daß heute fast die ganze Welt an dem ursprünglich oberösterreichischen Kulturbesitz ihren Anteil hat. W indhaager Gebetbuch, Das Pfingst f es t. Photo: 0.-Ö. Landesmuseum , Lichtbilderarchiv .

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