(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951

1 Verkündigung, lnitialminiat1,tr von Ulrich Schreier aus emer Mondscer Inkunabel, Studienbibliothek Lin z. Photo.· O. Kaiser. lieferten B Ü c h e r v e r z e i c h n i s s e n , di,e heute kul- turgeschichtlich fast wichtiger sind als die verstreuten Be- stände, die sie verzeichneten. Einen einzigartigen Schatz auf diesem Gebiete bildete die B i b 1 i o t h e k d e r o b e r ö s t e r r e i c h i s c h e n S t ä n d e im Landhaus in Linz, von der mehrere Kataloge existieren. Leider ist sie im Jahre 1800 einem Brande zum Opfer gefallen, ·und lediglich ein anderswo aufbewahrter Überrest von hundert Sammelbänden reformatorischer Schriften, jetzt im Ob -e röste r r e ich i s c h e n L a n d e s a r c h i v in Linz, läßt ahnen, was das Land an dieser Bücherei ursprünglich besaß. So wie diese zentrale Bibliothek sind auch die zahlreichen Adelsbüchereien aus der gleichen Zeit allmähLidi in ihren Beständen dezimiert und zerstreut worden. So etwa die Bücher der V o 1 c k e n - s t o r f e r, der J ö r ,g er, der Rödern, Odt, der Grünthaler auf Kremsegg, der Engl von Wagrain auf der Seisenburg, die erst vor zirka 30 Jahren verkauft wurden, und die des Georg Erasmus von T s c h er n e m ,b 1, des kalvinischen Führers der .Selbständigkeitsbewegung des oberösterreichi- schen Adels im frühen 17. Jahrhundert, von denen di e Studienbibliothek einige Bände besitzt . Von den zahlreichen Büchern des gelehrten Job Hartmann von E n e n k 1 auf Leombach bei Wels sind etliche Bände in der Osterreichi- schen Nationalbibliothek in Wien und im Stift Schlierbach erhalten. Der Geist, in dem diese Büchereien gepflegt und 24 unterhalten wurden, ist der einer aufgeschlossenen, welt- offen europäischen Kultur, wie sie 0. Brunner in seinem Buche über das adelige Landleben gezeichnet hat. Der gei- stige Besitz des Humanismus ist für ihn eine Selbstver- ~tändlichkeit, ebenso wie die Kenntnis der romanischen Länder und Sprachen, gleichgültig, ob die jungen Leute das Studium an deutschen oder ausländischen Universitäten ge- pflegt h::itten. Kennzeichnenderweise ist die Frage des Be- kenntnisses hier verhältnismäßig nebensächlich; obgleich die meisten dieser Büchereien protestantische Gründungen waren, ist im allgemeinen ein Brud1 infolge ·der Gegen- reformation nicht aufgetreten. Die berühmteste und bedeutendste von ihnen allen war die B i b l i o t h e k des J o a chi m E n z 1 m i 11 e r a u f Windhag mit über 16.000 Bänden, die in der Zeit der Gegenr-eformation groß wurde und zahlreiche Bestände der ;i]teren Bibliotheken aufgenommen hat. Auch sie ist bis auf einzelne Splitter nach Wien abgewandert , ihre Inkunabeln und Handschriften kamen in die Nationalbibliothek, die anderen Bestände gingen in der Universitätsbibliothek auf und haben deren bittere Schicksale im Jahre 1945 teilen müssen. Ein ähnliches, im einzelnen noch ungewisses Los erfuhr die sehr reiche S t a r h e m b e r g i s c h e Bibliothek, deren Herzstück , zahlreiche, heimatkundlich ungemein wichtige, ja unersetzliche Handschriften und landes- geschichtliche Unika, im Jahre 1889 an die .Preußische Staatsbibliothek nach Berlin verkauft wurde. Auch in dieser Bibliothek waren mehrere wichtige ältere Bestände des Landes vereinigt worden. Es ist daher kein Wunder, daß die g roßartige La m - b e r g s c h e B i b 1 i o t h e k i n S t e y r , als letztes, un - versehrt erhaltenes Beispiel dieser A!delsbibliotheken, be- sondere Wertschätzung genießt und wir dürfen uns freuen, daß sie im Jahre 1942 dem Lande gesichert wurde und heute vom Landesmuseum betreut wird. Da das Geschlecht der Grafen Lamberg seit 1614 in Steyr residierte, verkörpert diese Büchersammlung eine ununterbrochene, über Jahr- hunderte reichende Tradition, die noch im 19. Jahrhundert von mehreren Angehörigen des Hauses vortrefflich gepflegt wurde. Der kulturelle Wert ihrer Existenz, das historische Gewicht ihres Zeugnisses für die ehedem so bücherfreudigen oberösterreichischen Schlösser, kann gar nicht überschätzt werden. In gewissem Sinne darf ihr die viel spätere Grün- dun,g der Braunschweig-Lüneburgschen Bibliothek in Gmunden, die über 50.000 Bände bes itzt , als echte Nach- folgerin angeschlossen werden. Das Stadtbürgertum hat in derselben Zeit keine ähn- lichen Leistun.gen aufzuweisen. B e amte u1td Ge 1 eh r t e aber haben auch damals Bücher gesammelt, wir nennen den Landesphysikus Anomäus, die Rektoren Johann Memhard und Calaminus, den bekannten Gelehrten Hieronymus Me- giser, der im Dienste der Landstände war, welche sich nach seinem Tode seiner Büd1er annahmen, und den Weiser Stadtrichter Johannes Scultetus, von dem etliche Bände in Kremsmünster erhalten sind. Daß es im 16. und 17. Jahrhundert so gut wie aus- schließlich das gedruckte Bud1 war, welches diese Bi- bliotheken füllte, bedarf eigentlich keines Hinweises . Er- staunlicher ist es, daß daneben überhaupt noch Büd1er hand- schriftlich gefertigt wurden, daß noch immer Codices ent- standen. Wir sehen dabei vollkommen von allen Sammel- bänden vorwiegend archivalischen Charakters ab, sondern n,einen die handgeschriebenen und r e i c h v e r z i er t e n Gebetbücher, deren berühmtestes das des Joachim Enzlmiller ist, oder die oft reich ausgemalten Wappen- und Stammbücher, die die jungen Adelig-en gerne von ihren Studienaufenthalten mit nach Hause brachten - Krems- münster besitzt schöne Beispiele dafür - und schließlich die Chroniken und Rotelbücher. Letztere sind eine recht eigent- liche Schöpfung der nunmehr schon barocken Bücherkültur der Klöster; Kremsmünster, Lambach und Wilhering be- sitzen die bekanntesten Beispiele. Die Erwähnung dieser Köstlichkeiten einer späten Miniaturmalerei, die oft von hervorragendem topograph is chem Wert sind, leitet zur

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