(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1951 , Heft 2

und war in dem Halbdunkel, das bereits herrschte, unbe– merkt an die Gartenpforte des altertümlich gebauten Hau– ses geschlüpft. Dort verhielt ich einige Minuten und wagte es nicht, zu läuten. Ich fürchtete mich vor dem grellen Aufschrei der Glocke, der dem ersten Handgriffe folgen würde, und dem vielfachen Widerhall, den ·er in dem g<;– pflasterten und gewölbten Vorhause fände. Als dann frei– lich Schritte und Stimmen auf der Straße hörbar wurden, überwand ich das Angstgefühl urid zog die Glocke. Es blieb entgegen meiner Erwartung vollkommen still im Hause, kein Ton war zu hören; ich zog noch einmal und tat es kräftiger als vorher, es war wieder dasselbe. Da stellte ich mich auf die Zehenspitzen, über das Holztor hinweg nach dem Hause zu sehen, ob sich auch kein Licht zeige, als ich im selben Augenblicke auch schon zurücktaumelte und d;inn wie erstarrt stehenblieb. Ich hatte aus allernächster Nähe in die Augen und das Gesicht des Dr. Ma ius gesehen. Es blieb für Augenblicke auch weiterhin noch still, dann fragte eine Stimme hinter dem Holztor: ,Was willst du von mir und warum hast du geläutet?' Ich war keiner Antwort fähig; da wurde das Tor aufaestoßen tmd Dr. Majus kam heraus, gerade auf mich zu, der ich keinen Schritt zu tun vermochte. Er fragte: ,Hast du mich ärgern wollen und war es ein Bubenstreich?' Auf die Frage, die wie eine ge– fährliche Drohung klang, fand ich das erste Wort: ,Nein, ich habe Sie nicht ärgern wollen.' Und als er noch näher kam und um meinen Arm greifen wollte, sagte ich, in Todesangst, daß er es wirklich tun würde: ,Ich habe etwas zu verkaufen.' Er sah mich eine Weile an, prüfend und drohend, wie mir schien, dann sagte er kurz: ,So komm mit mir!' Ich fokte ihm durch den Garten in das Haus, willenlos und unfähig, die Flucht zu ergreifen. Es war stockfinster in dem Hause. Dr. Majus nahm meine Hand in die seine und führte mich, zuerst über eine Treppe, dann über einen langen Gang und wieder eine Treppe. Er mußte fühlen, wie ich zitterte, denn er sagte: ,Du brauchst dich nicht zu fürchten, ich tu dir nichts.' Als er endlich eine Tür aufschloß, war es zu einem Zimmer, das von einer Petroleumlampe erhellt und von einem offenen Kamine aus erwärmt wurde; zahllose Bücher stan– den, in Schränken geordnet, an der Wand. Hier fragte er: Was hast du zu verkaufen?' Ich wickelte die zwei Eier aus ~1em Papie•r, in dem ich sie verborgen hatte, und hielt sie ihm hin. Er schien ein wenig überrascht, ging im Zimmer auf und ab und fragte mich dann, knapp vor mir stehen– bleibend: ,Was willst du eigentlich? Ich meine, warum willst du mir die Eier verkaufen?' Ich stammelte erst ein paar nichtssagende Worte, aber vor seinem scharfen Blicke wurde meine Verstellung zunichte und ich gestand meine_n Plan. Dr. Majus ging wieder einige Male auf und ab, die Hände auf dem Rücken, dann sagte er in freundlichem Tone: ,Du bist Peter, drei Häuser weiter vorne; ich kenne dich. Und wenn du deiner Mutter eine Freude machen willst, werde ich dir helfen. Ich kaufe dir ab, was du bringst.' Er nahm dann ohne weitere Umstände d~e Eier an sich und händigte mir einen Betrag aus, der mir sehr anständig schien. Als er mich zun_i ~ ore zur~ckführte, ~ar er mir nicht mehr ganz so unheimlich und ich fand beim Abschiede sogar ein paar Worte des Dankes. Es war kaum eine halbe Stunde vergangen, als ich zurückkam; die Mutter war in der Küche beschäftigt und fragte mir mit keinem Worte weiter nad1. Von nun an ging ich jede Woche einmal zu Dr. Majus und brachte ihm zwei oder drei Eier, wie es sich gerade ergab. Wir hatten einen bestimmten Tag und eine be– stimmte Stunde festgelegt, er wartete gewöhnlich schon hinter dem Tor, wenn ich kam, und wir machten unser Geschäft im Garten ab. Es waren immer nur wenige Mi– nuten, die wir dazu brauchten, aber während dieser Zeit erkundigte er sich nach dem Befinden. der_ Mutter, de~ Anwachsen meiner Sparsumme und sduen 1m ganzen em freundlicher Mensd1 zu sein, der Anteil nahm an dem Schicksal anderer und dem man sicher manches Schlimme ungerechtfer~igt nachsagte. Diese M~inung, die i~ im L~ufe der Zeit von Dr. Majus gewann, hmderte allerdmgs mcht, daß er mir trotzdem unheimlich blieb und ich jedesmal froh war, wieder im Freien, auf offener Straße zu sein. Als ich das vierte Mal zu ihm kam und ihn wieder im Garten hinter dem Tore traf, lud er mich ein, ihm in das Haus zu folgen; er wolle mir allerhand zeigen, was mir sicher gefallen werde. Ich weigerte mich zunä~st ~nd gab an keine Zeit zu haben doch kümmerte er sich mcht um m~ine Ausflüchte, sperr~e das Tor ab und gin_g vo~an ~n das Haus so daß ich ihm folgen mußte, wollte ich mcht 111 dem fins~eren unheimlichen Garten bleiben. Er führte mich wieder i~ das Zimmer, in welches er mich schon bei meinem ersten Besume geleitet hatte und bot mir darin einen Stuhl an. Dann bramte er ein dickes, in Leder ge– bundenes Buch und forderte mim auf, darin zu blättern und mir die Bilder anzusehen. Es waren zumeist Nam– bildungen von Gemälden, die Szenen aus der ~esmimte darstellten, dazwismen waren aum Farbtafeln emgestreut, die in sorgfältiger Ausführung_ Waffen, Werkzeuge u~d Smmuckgegenstände der versch1edenen J ahrh1:_nderte ~e1g– ten. Bei einer solmen Tafel, auf welmer Armbander. Rmge und Ohrringe abgebildet waren, erklärte er mir dies u1:d jenes und sagte dann, solme Dinge könne er mir so_gar m Wirklimkeit zeigen. Er bramte in größeren und klemeren Schamteln die zum Teil aus Holz, zum Teil aus Leder waren, v~rsmiedene Schmuckgegenstände, hauptsämlich Ohrringe und Ringe. Er spram von der kunstvollen .Ar– beit die in ihnen ruhe von den Steinen, mit denen sie aus– gest~ttet seien, meint~ aber dann, der Wert wäre nimt mehr allzugroß, da die meisten dieser Gegenstände wegel: ihrer Ungefügigkeit nimt mehr getrage~ wü_rden; er sei allerdings Liebhaber und zahlte, wenn _sich ~me ~el~gen– heit böte, gut dafür. Er sagte, es sm1en em plotzhcher Einfall zu sein: ,übrigens, das wäre eine Möglichkeit, das Gdd für die Uhr zusammenzubringen.' Er smwieg dann und setzte erst auf mein Drängen und Bitten fort, daß die Mutter dom simer aum Altertümer besitze, die sie nicht mehr trage und wahrsmeinlim auch gar nicht mehr beamte, daß im ihm die wenn im wollte, bringen könne; er würde sie, wie schon 'gesagt, gut bezahlen. Als im nimt glei<:11 darauf antwortete, sagte er, im könne natürlim tun, ~1e im wolle, aber die Mutter hätte simer an der Uhr eme <Yrößere Freude als an den toten Dingen, die irgendwo in der Lade lägen; ich könne sie smließlich auch ein~na_l zurück– kaufen, sie kämen ja nicht aus seiner ~and, wie 1':11 sehen könne; ·im übrigen braume im gar mmt sofort ,Ja' oder ,nein' zu sagen, wenn wir· uns das nächstemal träfen, wäre es aum noch bald genug. Als im an diesem Tage heimging, war mir das Lamen so nahe wie das Weinen. Im wußte, daß die Mutter alten Smmuck besaß, wußte aum seinen Aufb:wahrungsort und, daß sie ihn seit dem Tode des Vaters mmt mehr getragen hatte. Im war überzeugt, daß sie ihn nimt vermissen würde, so wenig, wie sie die Eier bisher :7ermi~t hatte, und au':11 das Wort vom Rückkaufe war mmt emdruckslos an mir vorübergegangen; dennom wehrte s,im ein starkes Gefühl in mir daß ich die Dinge, die die Mutter an der Hand, am Arm, im Ohr getragen hatte, die mir geheiligt ':.aren durm dieses Tragen, daß im sie dem fremden Mann uber– geben sollte. Als freilim der Tag d_es ~usam_mentreff~_ns mit ihm näherrückte wurden aum die Bilder immer star– ker die mir zeigten,' wie er mir Geld gäbe, wie ich es in das' Holzkästmen legen könne, wie die Summe größer werde und größer; da griff ich in den Smrank und nahm ein kleines Kästmen, in dem ein Paar Ohrringe lagen, an mim. Im tat es mit Herzklopfen und einem unguten Ge– fühl, aber im tat es. Dr. Majus gab mir dafür einen Betrag, der wie im heute weiß, nimt ein Zehntel des wahren We~tes ausmamte, mir aber damals unendlim hom schien, da er meinen Barsmatz um nahezu die Hälfte seines Be– standes vermehrte. 5'3

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