(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1951 , Heft 2
tern sich drei gleichwertige Joche beiderseits zu geräumigen Kapellen, die an ihrer Rückwand die Nebenaltäre und in den Verbindungsgängen - eine geschickte Lösung - die Beichtstühle aufnehmen. Der große Abstand zwischen den Kapellen ergibt sich aus der brniten Stellung der Doppel– pilaster im Hauptschiff; die starken Trennungsmauern zwi– schen den Kapellen könnte man nach dem Grundriß irr– tümlich für Wandpfeiler mit Durchgängen halten, wie s,ie etwa die Kirche von Dürnstein besitzt. Doch konnten wir schon im Außenbau das System der Basilika mit Pult– dächern beiderseits des Hauptschiffes bemerken und wissen daher, daß uns im Innern Seitenschiffe oder wie hier die Umbildung derselben zu einzelnen Kapellen erwarten. Eines aber konnten wir weder dem Außenbau noch dem Grundriß entnehmen: es ist das großartige Schauspiel, das uns die in Bewegung geratene Wand des Hauptschiffes vor Augen führt. Nach der strengen Frontalität der Fassade und der Schlichtheit ,des üb11igen Außenbaues st,ehen w,ir diesem Phänomen so unvorbereitet gegenüber, daß es uns völlig überwältigt, daß wir uns von den Wogen der Archi– volten mitreißen lassen, bis wir endlich an der breitspuri– gen Stellung der Doppelpilaster Halt finden. Es sind kolos– sale Pila·stePbiindel mit kor.inthischen Kapitiellen, die ein– ander zu zweit gegenüberstehen, um mit ihren hohen Kämpferstücken den rundbogigen Quergurten als Auflager zu ,dienen. In solcher Breite spannen sich die von Gurten eingefaßten Halbkreisbogen über den R,aum, daß sie zwi– scher). den flachen, noch höher gezogenen Hängekuppeln der Joche als kurze Tonnen wirken. So bilden diese _,mäch- · eigen Bogen mit ihrem reichgegliederten Unterbau eine Art von Triumphbogen-Architektur, die •s,ich zweimal als starke Zäsu·r zwischen die drei Joche des Langhau!Ses schiebt. Das Motiv des Triumphbogens kehrt abgewandelt wieder in den eingezogenen Pfeilern ,und Gurten, die -das Langhaius im Osten und Westen deutlich abgrenzen gegen Musik– empore und Chor. Innerhalb dieser weiträumig gezogenen Grenzen entfaltet sich nun ·die Bewegung der Archivolten, die dem herrlichen Raum des Langhauses sein einmaliges Gepräge gibt. über den Arka:denkämpfern geraten ,die Wände der Kapellen in Schwingung, unbeirrt von der her– ben Frontalität der doppelt zwischen sie gestellten Pilaster buchten sie in das Hauptschiff vor und brechen die Bog~n der Archivolten, die mit weichen Linien die kühne Aus- . kragung der Mitte begleiten. - Auch die Brüstungen der Emporen werden von dem Wogen ergriffen, ein wenig treten sie zurück, dann übernehmen sie die gleichgestimmte Schwingung, um diese in dem waagrechten Abschluß der Brüstung rein zum Au~druck zu bringen. Damit aber haben sich die Emporen genug exponiert, nun fallen sie in das gegenteil~ge Extrem und weichen mit ihren Archivolten jäh, in großen Schwüngen an die äußerste Grenze des Hauptschiffs zurück. Wieder ruft die Archivoltenhewegung das Echo einer oben folgenden Waagrechten hervor: dies– mal teilt sie sich -dem schweren Kranzgesimse mit, das als einzige Horizontale den Raum durchzieht und sich über der Pilasterstellung gewichtig verkröpft. Ist es nicht merk– würdig, daß diese an sich breite Pilasterstellung noch ver– doppelt und damit die Wellenbewegung ,der Kapellenwand von der des nächsten Joches möglichst weit entfernt wird? Daß die Langhauswand der Spitaler Kirche sich entstehungs-· mäßig von Melk herleit>et und die Vorstufe für Dürn- 16 stein bildet, · ist schon erkannt 3 ). In be~den Stiftskirchen werden die Kapellenwände von nur einem Pilasterbündel getrennt, so daß die Wellenbewegung, wenig unterbrochen, durch das ganze Schiff flutet. Sollte die Verdoppelung der P.ilastergruppen in Spital nur der Originalitätsucht eines reinen Eklektikers entsprungen sein? So einfach liegt die Sache nicht. Der hohe Rang dieser Architektur schließt die Möglichkeit des geschickten Tricks von vornherein aus. Es muß die Eigenart des Architekten sein, d-ie sich hier aus– prägt. Sie hebt sich noch deutlicher ab, wenn wir auf die Behandlung der Emporen achten. Während diese in Melk schon ursprünglich - vor der nachträglichen Errichtung der Oratorienfenster - einen logenartigen Charakter be– sessen haben und nur bis in die Kapitellzone reichen, schwingt sich die Emporenarchivolte in Spital in kühner Steigung pis dicht unter das Kranzgesimse. Dies steigert die schon an Wölbung und Fassade als charakteristisch erkannte Höhenentfaltung des Baues, der auch die Verdoppelung der Pilasterstellung durch Betonung der Vertikale dient. Erkennen wir darin den Architekten von Stadl-Paura, so ergibt ·sich von hier aus noch eine weitere Beziehung zur Dreifaltigkeitskirche: die dort entwickelte Ausweitung des Hauptraumes durch Nebenräume wird in Spital eben durch das Hochziehen der Emporenarchivolten erreicht und ver– leiht diesem Bau etwas von dem Charakter einer Wand– pfeilerkirche - eine Tendenz, die sich wieder in der Dop– pelstellung der Pilaster a:usspricht. Damit aber hat sich der Kreis geschlossen. Wahl und Gestalt ,der Bauelemente er– weisen sich als sinnvolle Glieder einer Struktur, -in der die plastisch erlebte Bewegtheit der Wand letzten Endes doch der Raumform und ihrer architektonischen Durchdringung zu dienen hat. Die reiche architektonische Gliederung des Langhauses erhält im Chor eine Fortsetzung, die zwar als Einheit er– scheint, die aber aus zwei Komponenten besteht: aus .der wirklichen und aus der gemalten Architektur. Die greif– bare Architektur, mit einfachen Pilasterbündeln die Joche trennend, ist im Vergleich zum Langhaus so schlicht, daß daraus ein wichtiger Schluß gezogen werden darf: Prunner hat die Wandgliederung von vornherein auf ihre Ergän– zung ,durch die malerische Ausstattung abgestimmt. Dafür spricht auch die Fensterlosigkeit des elliptischen Chor– schlusses, dafür sprechen die ungerahmten, aus der Wand einfach herausgeschnittenen Logenöffnungen, die sich nur durch die Vorblendung der Oratorienbrüstungen und deren gemalte Umrahmung in ihre Umgebung einfügen. Diese sind offenbar unter dem Einfluß der in Melk erst nach 1720 entstandenen Oratorien geschaffen worden; 1743 ;wer– den im quadratischen Chorjoch die zwei größeren Orato– rienbrüstungen montiert, 1748 im westlichen Rechteckjoch die von gleicher Hand stammenden beiden kleineren, die Karl Johann Gstöttenpaur von St. Florian um 300 fl. lie– fert. Wesentlich früher, schon ein Jahr nach ·der Kirchweihe und eineinhalb Jahre vor dem Tode Prunners, am 11. Sep– tember 1737, schließt Propst Anton Steinwald einen Ver– trag mit Bartolomeo Altomonte, in welchem ,dieser sich ver– pflichtet, nicht nur allein den „Hochaltar" durchaus nach vorgezeigter Zeichnung zu verfertigen, sondern auch das 3 ) Hans Sedlmayr, Österreichische Barockarchitektur, Wien 1930, S. 72. Friederike Klauner, Die Kirche von Stift Melk, Wien 1946. Leonore Pühringer-Zwanowetz, Stift Dürnstein, Wien 1948, S. 25 ff.
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