(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1951 , Heft 2

resignierter ·Bisd10f. w•eihte er 1434 ,die Kirche, die damals ebenso wie •das Stift erneuert und erweitert worden war. Nach dem Stich in Vischers' Topographie (Nr. ·170) erhob sich die mittelalterliche Stiftskirche nahe der jetzigen, doch etwas weiter nordwestlich als diese, ·und war im Gegensatz zu. ihr richtig, also mit dem Chor nach Osten orientiert. Der Stich zeigt sie als dreischiffige, in der Anlage offenbar romanische Basilika, aber schon mit polygonalem Chor– schluß, und an ihrer Nordseite einen mächtigen Turm mit steilem Satteldach. Aus schriftlichen Quellen wissen wir von der ehemaligen_Existenz der · 1435 geweihten Heinrichs– und Kunigunden-Kapelle, ferner einer Liebfrauen- und einer Dreifaltigkeits-Kapelle, für deren Innenausstattung bis in das 17. Jahrhundert hinein gearbeitet wurde. Wechselvoll war das Geschick des Stiftes im 16. Jahr– hundert, das · 1502 einen Brand, vor 1506 den Besuch von Kaiser Maximilian mit seiner Gemahlin brachte, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts von der protestantischen Bewegung stark berührt wurde. Unter Johann Jakob Gien– ger, der früher Domherr zu Wien gewesen war, wurde das Stift durch ein Breve des Papstes Paul V. vom 1. Septem– ber 1605 zur Propstei erhoben. Dem neuen Aufschwung kam die Enrdeckung eines Steinbruchs von marmorartigem, buntem Kalk am Pyhrn entgegen, mit dem ab 1621 Kirche und Stift reich ausgestattet wurden. Bald genügte das alte Stiftsgebäude nicht mehr den steigenden Ansprüchen. Schon um 1600 hatte Propst Gienger mit einem Anthonio Cana– vale, Baumeister zu Linz, einen Vertrag geschlossen, der sich wohl auf die Errichtung des Renaissancetraktes west– lich der alten Kirche bezog, von dem heute nur mehr der Nordflügel mit den Spuren ehemaliger Hoflauben besteht. Ab 1642 war der Maurermeister Caspar Schoiswohl für das Stift tätig, 1654 der Baumeister Ciprian Novo, dem die Wal'.fahrtskirche St. Wolfgang am Stein zugeschrieben wird. Damals entstand das lange Rechteck des südlichen Stiftshofes, dessen westlicher Flügel 1841 abgebrannt ist. Dieser sogenannte Bibliothekstrakt war mit seiner reichen Marmorausstattung der prächtigste des Stiftes und bestand nach dem Vi~cher;chen Stich b~reits um 1670 mit drei hof– seitigen Arkadenreihen, deren unterste heute noch in Rest– beständen an der kümmerlid1en Abschlußmauer des Hofes erkennbar ist. Auch an der Hofseite des erhaltenen Nord– flügels zeichnen sich in den westlichen Achsen noch fünf jetzt vermauer'te Arkaden ab, deren „Spitaler märbl" unter dem abblätternden Putz sichtbar wird und auf eine Frei– legung zu warten scheint. Der sonst schlichte Flügel an der nördlichen Langseite des Hofes ist in gleicher Art wie der süd:iche unter Propst Damianus Inama (1642-1655) ent– standen und an dem mittleren seiner drei Renaissance– portale 1652 datiert. So ist von den Stiftsgebäuden heute nur mehr der in den beiden · letzten · Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts erbaute, daher bei Vischer noch nicht auf– genommene Ostflügel bedeutend, der an der Hofseite einen Arkadengang besitzt und mit seiner östlimen Front die Hauptfassade des Stiftes bildet. Die einfache Horizontal– gliederung des breitgelagerten Baues wird in der Mitte durmbromen von der kräftigen Portalarchitektur der Ein– fahrt in smwarz und rötlim marmoriertem Stein, von dem wir wissen, daß er 1687 gebromen worden ist. In dem Renaissanceaufbau des massiven, über dem Segmentbogen des Tores angeord:ieten Erkers, über dem bis 1841 ein Damreiter aufragte, verrät sim ein einfacher, hierzulande arb'eite;n.der Baumeister, der mit den zeitlich vorangehenden Arbeiten an den Stiftsgebäuden von ·smlierbach in Zusam– menhang stehen könnte. Die Pörtalerker von Haupt- und Hoffronf werden innen durch einen prämtigen Saal ver– bunden, der gleich den angrenzenden Räumen, besonders der ·schönen Kapelle, mit dem schweren Stuck des al!sgehen– den 17. Jahrhunderts teilweise figural, offenbar von einem oberitalienismen Stukkator, geschmückt ist. Einer etwas älteren Stilstufe gehört der 1679 von Lorenzo Cannevale reim mit Engelsköpfchen, Knorpel- und Rollwerk gezierte Stuck der Schatzkammer an, die in ihren frühbarocken Schränken nom kostbare Paramente und manches reizvolle Kunstwerk aus nammittelalterlimer Zeit birgt. Der stim– kappengewölbte Raum nimmt zwei Geschoße in dem heute als Pfarrhof dienenden Flügel nördlich der späteren Kirche ein, dessen Erbauer vielleicht mit dem am Bau der Ser– viten-Kirme in Wien beteiligten Parlier Franz Canevale identi<m ist. Als nam der Schatzkammer auch der südliche, im 18. Jahrhundert weiter ausgestattete Empfangsflügel mit seiner Ei :1 fahrt errichtet war, konnte um die Jahrhundert– wende der Neubau der Stift~gebäude um 1713 im wesent– lichen als abgesmlossen gelten. Nun ~ar es an der ehrwürdigen Stiftskirme, die damals auf ein halbes Jahrtausend ihres Bestehens zurückblicken konnte, der barocken Erneuerung zu weichen. In Spital hatte man lange gezögert, diese auf die Kirche auszudeh– nen; jetzt aber begnügte man sim nimt einfach damit, der mittelalterlichen Kirche ein barockes Kleid zu geben. Props·t Heinrich Fürsten (1693-1732) begann im Jahre 1714 den völligen Neubau der Stiftskirme, die ebenfalls nördlich des großen Hofgevierts ihren Platz fand. Doch wurde · dieser etwas nam Südosten verlegt, um die Kirche in die östliche Hauptfront des Stiftes einzubezj.ehen. Dabei kam es nicht etwa zu einer Lösung wie in Altenburg, wo allerdings der übernommene, gotische Chor in die Schauseite des Stiftes eingebunden wurde, sondern zu einem Sieg der künstleri– schen Form über die kirmliche: der liturgischen Regel ent– gegen hat man die Kirche nam Westen orientie'rt, um an der Zufahrtseite im Osten die Kirchenfassade zur Ver– fügung zu haben und mit dieser eine architektonisme und damit repräsentative Steigerung der Stiftsfront zu errei– chen. Die Frage nam dem Baumeister der Spitaler Kirche läßt sich trotz der ungünstigen archivalischen Lage mit einiger Sicherheit beantworten. Als der Floriarier Archivar Albin Czerny um 1880 seinen archivalischen Ausflug nach Spital am Pyhrn unternahm, um die Sichtung des dortigen Archives vorzunehmen, fand er dieses zwar in einem kata– strophalen Zustand vor, aber mit Ausnahme der älteren Urkunden nom weitgehend erhalten. In dem gleichen Jahr– zehnt ist die Spitaler Chronik entstanden, die in ihren um– fangreichen Exzerpten wicht•ige Nachrimten überliefert 2 ). Aus dieser Quelle erfahren wir, daß beim Neubau der Kirme am 8. Oktober 1720 die fünfte Abmessung, die das untere Hauptgesims des südlimen Turmhauses betrifft, im Beisein des Baumeisters Prunner stattfindet und daß in sei– ner Anwesenheit am 11. Oktober 1728 die zehnte und letzte Abmessung (der Fassade) vorgenommen wird, und zwar am Portal, am Frontispicium und am mittleren Haupt– gesims. Die naheliegende Vermutung, daß es sich hier um 2 ) Ernst Wuschko, Chronik der Pfarre Spital a!ll Pyhrn, 1888. Aibin Czerny, Ein archivalischer Ausflug nach Spital am Pyhrn. Mitt. d. Zentralkommission 1881, S. LXVlll ff. 11

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2