(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1951 , Heft 2
ERIKA KIRCHNER-DOBERE R Spital am Pyhrn C OBERÖSTERREICHS HOCHBAROCKE STIFTSKIRCHE) Sämtliche Fotos von Bruno Re,tienstein In Oberösterreich ist der Name des 1807 aufgehobenen Kollegiatstiftes Spital am Pyhrn, den nur das Brandunglück 1841 vorübergehend der Vergessenheit entrissen hatte, wie– der aktuell geworden. Ist es heute die dringend notwendige Instandsetzung des Stiftsgebäudes, die ein Hauptanliegen der Denkmalpflege bildet, so galt in den letzten Jahren die großzügige Fürsorge des Landes den Turmhelmen der monumenta1en Stiftskirche, die ein wertvolles Denkmal des gesamtösterreichischen Bestandes darstellt und inner– halb des oberösterreichischen in mehr als einer Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt. Während die meisten Stifts– kirchen des Landes im 17. Jahrhundert unter dem Einfluß italienischer Architekten und Stukkateure ihre heutige Ge– stalt erhielten und zum Großteil dem austro~i-talienischen Frühbarock angehören, ist die Spitaler Kirche, ab 1714 von Johann Michael Prunner erbaut, von den zahlreichen Stifts– kirchen Oberösterreichs die einzige, die in ihrer architek– tonischen Gestaltung - und zwar mit einer künstler,ischen Leistung von Rang - den österreichischen Hochbarock ver– tritt. Außerordentliche Bedeutung kommt der Spitaler Kirche auch durch die seltene Art und Qualität ihrer Aus– stattung zu, sowie durch die anziehende Lage des Stiftes in der engsten Umgebung des Toten Gebirges. Das Stift erhebt sich auf ebener Talsohle am Fuß•e des Pyhrnpasses, mit welchem es auch in seiner Entstehungs– geschichte eng verbunden ist. Von den Römern angelegt, spielte der Übergang über den Pyhrnpaß in der von Wels über Windischgarsten und weiter von den Rottenmanner Tauern nach Virunum führenden Heer- und Handelsstraße als Verbindung des norischen Uferlandes mit dem Süden eine wichtige Rolle; an diese Zeit erinnert noch die alte Spitaler Sage, daß der mächtige Felsblock, den jetzt die spätgotische Leonhardskirche überbaut, einst einen heid– nischen Tempel getragen habe. Im Mittelalter zogen über den Pyhrnpaß Kreuzfahrer und Pilger, die in einem nahe– gelegenen Hospital Herberge und Pflege fanden. Diesem Hospital am Pyhrn, das sich an der Stelle des späteren, nach ihm benannten Stiftes befand, ging ein „Alt~Spital" unweit des Marktes Windischgarsten voran; seine Verlegung an den jetzigen, dem Paß näheren Ort wird mit den urkund– lich belegten, auch auf Neugründung gedeuteten Nachrich– ten in Zusammenhang gebracht 1 ) , nach denen Bischof Otto II. von Bamberg das Hospitium 1190 errichtet und ihm im selben Jahr das Eigentumsrecht über Güter verlie– hen hat, welche Herzog Ottokar Yon Steiermark vom Scheitel des Pyhrn bis zum Hospital herab vom Bischof zu Lehen getragen und dem Stift übergeben hatte. Damals bil- 1 ) Konrad Schiffmann, Beiträge zur historischen Topographie Oberösterreichs. Mitt. d. Inst. f. ö. Geschichtsforschung. 36. Bd. 1915. s. 348. Für die Annahme einer Verlegung um 1190 spricht die Über– lieferung, daß schon Bisd10f Otto I. (1102-1139) ein mit einer Kirche verbundenes Hospiz erbaut habe. 10 deten der Traungau und die spätere Steiermark ,in dem ,,Land des steyrischen Herzogs" noch eine Einheit. Die zu Ehren der heiligen Jungfrau erbaute Kirche wurde am 9..Jänner 1199 mit dem Hospitium geweiht. Die Stiftung, die Papst Cölestin III. 1193 in seinen Schutz ge– nommen hatte, befand sich im Besitze einer geistlichen Bruderschaft, welche die Werke der Barmherzigkeit aus– übte. Im Laufe des späteren Mittelalters verlor die ursprüng– liche Bestimmung des Hospizes an Bedeutung; im Jahre 1418 wurde es zu einem Kollegiatstift mit zehn Kanonikern unter dem Vorsitz eines Dechanten erhoben. Die Statuten von Spital, 1418 vom Bamberger Domdechanten entwor– fen, wurden 1423 durch Friedrich von Aufseß reformiert, der ehemals Chorherr von Spital und seit 1421 Bischof von Bamberg war. Sein 1440 datierter Marmorgrabstein, der heute die Front des Beichthauses im Westen der Kirche schmückt, zeigt ihn in lebensgroßer Figur mit dem falten– reichen Gewand •des ausklingenden „weichen Stils". Als IIIIIQ/2J ♦ J47ß91() IJ JQ ZJ Ehemalige Stiftskirche Spital am Pyhrn, Grundriß (Aus Alfred Bretschneider: Ein Beitrag zum Bauschaffen der landständischen Stifte Oberösterreichs im 17. u. 18. Jahrhundert, Weida i. Th. 1914).
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