(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1950/51 , Heft 1

(Fortsetzung von Seite 7) Aber auch, wie um Mitternacht in der Weihnacht die Glocken der großen Stadt zum Gottesdienste rufen, so rufen in derselben Stunde alle Kirchenglocken der klei– neren Stadt, der kleinsten Stadt, des Marktfleckens, des Dorfes, es rufen die Glocken aller Kirchen zu dem hei– ligen Feste, in welchen Kirchen das Fest gefeiert wird. Und es sind Millionen Tempel, in denen man das Geburts– fest des Kindes begeht. Und wie die Mitternacht von Osten gegen Westen herüberrückt, so rückt das Geläute von Osten gegen den Westen, bis es an das Meer kömmt. Dort macht es eine Pause und beginnt nach einigen Stun– den jenseits des Ozeans. Gehen wir von der Pracht der Hauptstadt in das Wald– dorf. Die Kirche steht auf einem Hügel, rings liegen Häu– ser und Hütten herum, und an allen Höhen und an allen weitgestreckten Machtgliedern des Waldes sind in ver– ~chiedenen Entfernungen Häuser und Häuschen und Hüt– ten. Lange schon vor Mitternacht der Weihnacht steht die Kirche erleuchtet, und ihre Fenster schimmern weit in die Nacht hinaus. Und von den Waldhöhen und aus den Tälern von allen Seiten her bewegen sich Lichter gegen die Kirche. Menschen wandeln mit Laternen durch die in jenen Gegenden zur Zeit meistens schon schneeige Winter– nacht. Und wer ein Pferdchen und einen Schlitten hat, kömmt mit den Seinigen wohl auch gefahren, wenn die Bahn nicht verweht ist. Sie sammeln sich in der Kirche. Einige erquicken sich vorher auch ein wenig in der Schenke. Endlich läßt die Uhr des Turmes die zwölf Schläge ertönen. Und darauf erklingen die Turmglocken in den hellen Tönen einer kleinen Kirche, nicht · in der langsamen, ruhigen Tiefe der großen Glocken der Haupt– stadt. Auf den Glockenruf gehen nun eilig jene Kirchen– gänger, welche nahe an dem Gotteshause wohnen und bis auf das letzte Zeichen gewartet haben, und es gehen die, welche vorher das Gasthaus besucht haben, in die Kirche. Dort nimmt mancher seinen Sitz ein, der für ihn auf ein und alle Male bestimmt ist, die andern ordnen sich nach Gelegenheit. Der Schullehrer, welcher auch Kirchendiener ist, zündet noch jene Kerzen an, welche bis auf den letzten Augenblick hatten warten müssen. Dann geht er in die Sakristei. Auf dem Chore hallen einzelne Töne der Orgel, der Geige, der Klarinette, wie man sich zusammen– zustimmen sucht; denn die Nacht, die K älte, die Feuchtig– keit hat auf Saiten und Luftsäulen ein.en Einfluß. Der Pfar– rer verläßt sein warmes Stüblein und geht durch den Schnee in die Sakristei. Dort wird er von dem Schullehrer mit den kirchlichen Gewändern bekleidet, und es wird sonst alles geordnet, was noch zu ordnen ist. Dann eilt der Schullehrer fort. Der Pfarrer wartet noch, bis der Schullehrer auf dem Chore ist, wo er jetzt in seiner andern Würde als regens chori zu wirken hat. Der Pfarrer wartet, daß er bei seinem Hinaustritte in die Kirche von der richtigen und gesetz– mäßigen Musik empfangen werden kann. Endlich tönt das Sakristeiglöcklein, die Ministranten schreiten voran, der Pfarrer geht in die Kir.ehe, und die Musik fällt ein. Es wir– ken zu ihr so manche zusammen. Der Schullehrer zieht sich zu ihr aus Schülern oder halberwachsenen Kindern Sänger, und für die Geigen und für die Klarinetten und für die Waldhorne und für die Trompeten und für die Pauken und für den tiefen Gesang finden sich immer Freiwillige in der Gemeinde, die der heiligen Töne walten. Und so eingewurzelt ist die Gewohnheit, daß dieselbe Musikbeschäftigung oft von Vater auf Sohn und Enkel und Urenkel forterbt. So war in einem Orte des böh– mischen Waldes seit -Menschengedenken die Baßgeige bei einem Hause, so daß es bei diesem Hause noch heutzutage beim Baß-Lorenz heißt. Die Orgel aber bleibt regelmäßig der Thronsitz des Lehrers. Der Pfarrer feiert in seiner Kirche die heilige Handlung, die Andächtigen sitzen in den Stühlen und lesen bei den vielen Lichtlein ihrer Wachs– stöcke in · ihren Gebetbüchern, und die auf dem Chore haben ihre Freude, wenn sie einen Gesang der Engel aus– drücken können zur Verkündigung der Geburt des Kin– des, und wenn sie eine Hirtenweise spielen, um die Hirten auf dem Felde anzudeuten. Der Klingelbeutel sammelt zur Bestreitung der Kirchenbedürfnisse, und das ärmste Weib– lein greift um einen Pfennig in ihren Sack. Die Kirchen– väter und .die Pröpste der Gemeinde tun vor dem Altare ihre Schuldigkeit, und so endet alles mit Andacht und Erhebung, oft mit Rührung. Der Pfarrer legt in der Sa– kristei seinen Schmuck ab, die Kirchengeräte werden gebor– gen, und er wird in den Pfarrhof geleitet. Die Menschen verlassen die Kirche, und die Musiker sagen im Ausein– andergehen: ,,Heute war es nicht übel, es hätte in einer Stadt nicht besser sein können." Die Lichter der Kirche erlöschen allgemach, die Lichter der Laternen bewegen sich gegen die Waldhöhen, gegen die Wäldtäler in allen Rich– tungen von der Kirche weg, die Schlitten fahren davon, und die Menschen kommen wieder zu ihren schlafenden Kindern heim, und zu denen, die in ihrer Abwesenheit Haus und Hof behüten mußten. Und die Kirche auf dem Hügel steht dann finster in der übrigen Nacht, und Häuser und Hütten sind finster, nur daß selten irgendwo noch ein Lichtlein flimmert. Am nächsten Tage haben die Menschen ihre festlichsten Gewänder an, es ist der Weihnachtstag. Der Taggottes– dienst wird noch gehalten, und in der ärmsten Hütte wird auf den Mittagtisch gestellt, was die Kräfte vermögen. Und wie an diesem Tage das Heil in die Welt gekommen ist, so wird von ihm an auch, wie zur Versinnbildlichung, der Winter, wenn gleich kälter, doch klarer, die Tage wach– sen, und alles zielt auf ein fröhlicheres Auswärts. Und wie im Walde ist es in der großen Stadt. Die Menschen sind am Weihnachtstage in schwerstem Putze und feiern den Tag noch in der Kirche und an ihrem Tische und wenden sich zu besseren Wintertagen und zu einem freudigen dereinst kommenden Lenze. Derer erwähne ich nicht, die vor dem Mitternacht– gottesdienste das Gasthaus besetzen und oft auch wäh– rend desselben, und die vor und nach ihm bei dem Lichte des Waldwirtshauses sitzen; denn das ist keine Vor- und Nachfeier. Wo aber in der Waldnacht das Lichtlein eines Kranken flimmert, wird gewiß er und werden die Seinigen zu dem Kindlein beten. Das Oualitätszeichen für jeden elektrisdien 'Bedarf Zent ra I e : LI NZ, LAND STRASS E N R. 85, TELE FON 2 63 2 l HAUS DER ELEKTROTECHNIK 1?

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