(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1950/51 , Heft 1
gewesen, dann kehrt sich die Stadt wieder der geliebten Welt der alten Hügel zu, deren Nähe unverlierbares Glück ihres Lebens ist. So hat die Hauptstadt Oberösterreichs Anteil an zwei jener alten, dem Namen nach noch immer fortbestehenden ,,Viertel", in die das Land einst eingeteilt war: am Mühl– viertel und am Traunviertel. Und wenn man einen der Donauhügel um Linz besteigt, so zeigen sich dem Blick an klaren Tagen auch die beiden anderen Landesviertel mit Wahrzeichen ihres Daseins: das Hausruck.viertel mit dem blau dämmernden Höhenzuge seines großen, ihm den Namen gebenden Waldes und das Innviertel, das jüngste der vier Geschwister, mit dem Gipfel seines höchsten Berges, des Haugsteins. * In der Symphonie der oberösterreichischen Landschaft ließe sich das Traunviertel als ein Allegro maestoso, das Mühlviertel als ein Largo, das Hausruckviertel als ein Scherzo und das Innviertel, dessen späte Einbeziehung in Oberösterreich die alte Vierteleinteilung des Landes end– gültig abgeschlossen hat, als ein Finale bezeichnen. Lauschen wir nun den Sätzen dieser großen Symphonie! Allegro maestoso Sooft ich von der Ebelsberger Brücke aus den Wellen der Traun entgegenschaue, ergreift mich der seegrüne, sagenwissende Blick dieser Ache, in dem noch ein Nach– glanz vom Berghimmel ihrer Kindheit zu leuchten scheint, wenn sie auch längst mit gewaltigem Fall aus diesem Himmel gestürzt ist! Aber noch immer rauschen im Lied ihrer Weilen unverlierbar die großen Erinnerungen. Hauch der Urzeit, hergeweht aus der gewaltigen Totenstadt über dem Hallstätter See, hat geheimnisvoll an ihr junges Le– ben gerührt, als es verborgen gewachsen war unter dem dunklen Spiegel des Sees, an dessen Ufer sich auf schmalen, aufgestuften Felsterrassen die Häuser des Marktes Hall– statt wie Hütten einer Weihnachtskrippe zu den Lehnen des Salzberges emporbauen. Die Sage von einem unter– gegangenen Königreich hat sich ihr zugeflüstert, als sie an Goisern vorübergewandert war. Die malerischen Bauten des Schifferortes Lauffen haben ihrem wilden, in Strom– schnellen vorwärtsstürmenden Wandern nachgesehen, die Trümmer der Burg Wildenstein haben auf sie herabge– blickt. Die Villen von Bad Ischl haben ihr erzählt vom Glanz der einstigen kaiserlichen Sommerresidenz und haben ihr Klänge zugespielt aus der Welt der Kunst. Und ehe sie sich wieder in einen See verloren hat, sind ihr die weihnachtlichen Hirtenlieder erklungen, die als fromme Musik die landberühmten Ebenseer Krippen in den Ge– höften und Hütten im Tal und auf den Berghängen um– spielen. Dem meist besungenen Berg und dem schönsten See des Landes, den schon die Römer den „glücklichen" nannten, hat sie ihren Namen geliehen, und im Anblick einer der anmutigsten Alpen- und Hafenstädte hat sie den See wieder verlassen, um ihrem großen, donnernden Tie– fensturz entgegenzueilen. Als nach diesem ungestümen Furioso der Takt ihres Wandergesanges wieder gemessener wurde, hat von einem Wiesenhügel die Dreifaltigkeitskirche von Paura, ein stein– gewordenes Gottesgeheimnis, auf sie herabgegrüßt, und die Türme und Dächer des alten Benediktinerstiftes Lambach haben sich in ihr gespiegelt, die Glocken der Klosterkirche haben ihr ein klingendes Geleit auf ihren Weg nach Wels gegeben, dem großen Römerplatz und der letzten irdischen Zuflucht Maximilians I. So ist sie alt und wissend ge– worden, da sie uns schon nahe dem Ziele ihrer Wanderung begegnet, und alle ihre Schwestern, die sich für immer ihrem Weg gesellt, haben ihr Leben tief bereichert. Das himmlische Licht, das aus den Bildern und Figuren des Michael Pacherschen Flügelaltares zu St. Wolfgang am Abersee das Menschenherz bestürmt, gehört noch ebenso zu ihrem Lebenskreis wie der Meßkelch 1 der _aJs Widmun~ des Baiernherzogs Tassilo in der Stiftskirche zu Krems– münster ruht. Ihr Leben war so mächtig, daß es einem ganzen großen alten Gau des Landes, dem Traungau, seinen Namen gab, und so tönt im Allegro maestoso, das ihr Rauschen aufzaubert, auch der Zwiegesang der Flüsse Enns und Steyr mit, der dem Steyrer Schloß, der alten Styraburg der Ottokare, zu Füßen brausend, in sei~en großen Einklang findet. Und die Orgel von Sankt_ Flon~n, die Bruckners Hände so oft zu Gottes Lob gespielt, gibt der Musik der großen Landschaft, die wir unter dem Traunviertel zu verstehen haben, den weihevollen Aus– klang. Largo Die Mühl, die dem Viertel nördlich der Donau den Namen gab, hat viele große und kleine Geschwister, die alle dem zaubermächtigen Ruf der Donau folgen, bald träumerisch durch Wiesen m·urmelnd, bald laut durch Wälder · rauschend und Perlen weißen Wellenschaums auf Mühlradschaufeln schüttend oder um gewaltige, aus Ur– gestein getürmte Blöcke wirbelnd und immer wieder auch die Weise ewiger Wanderschaft empor zu halbverfallenen Burgen spielend, die von hohen Felsensitzen in den Zug der Wellen niederstarren. Die Namen Ranna, Pesenbach, Rodl, Gusen, Aist und Naarn, sie alle lassen Bilder solcher kühlen, von grüner Waldesdämmerung umwo_benen Schluchten vor dem inneren Auge erstehen und mit den Klängen aller dieser Namen tönt etwas_ vo1: der gr?ßen Musik felsüberbrausender Wasser auf, die wie aus Tiefen uralter Schöpfungstage rauscht. Nicht weniger bezeichnend aber als diese einsamen, tief in das Waldgebirge einge– schnittenen Schluchten sind für das Mühlviertel die weiten Hochflächen, von denen sich das Land in seiner ganzen Größe und Weite offenbart. Eine solche herzbeglückende Fernenschau bietet die Höhe von Kirchschlag, die mit dem Balsam ihrer tannenduftdurchwürzten Luft und mit dem heilsam klaren Wasser ihrer felsenkühlen Quellen dem alternden Adalbert Stifter die Kraft zu unvergänglich großem Spätwerk gab. Auf der breiten Lichtu~g e~nes himmelnahen Hochlandwaldes ruht das Dorf mit semer kleinen Kirche friedetief und wie in Andacht vor dem Schöpfer, der 'diesem Fleckchen Erde so viel von seiner Liebe gab. Vom reinen Atem der Schöpfung angeweht, findet hier die Menschenseele, wenn sie ruhelos geworden, immer wieder heim in ihren Frieden. Was es aber heißt, im Mühlviertler Hochland wohnen, die harten, wie aus Granit gehämmerten Gesichter ~er Bauern die Schwielen ihrer Hände, ihre zerfurchten Stir– nen saisen es. Aus dem Ernst ihrer Mienen spricht das Wissen um das strenge Wesen eines Landes, dessen stein– durchsetzter Boden die Feldfrucht kärglich und nur gegen das .Opfer tiefster Mühsal spendet, ~u dem der _Frühling gut um einen Mond verspätet aufsteigt und wo 1m Som– merjahr gewaltige Gewitter, von den großen Wäld~rn angelockt, den Höfen feurig drohen, eines 1:,and~s endlich, wo die Winter oft mit wilder Vorhut m die Ernten fallend, Weg u~d Steg versinken lassen und die ~äuser mit ungeheuren Wällen Schnees versperren, durch die, wer nur zu seinem Nachbarn kommen will, erst mühsam einen Stollen schlagen muß. Dieser ~tren?e ~ug der No~dland– schaft von Oberösterreich schemt sich m dem Antlitz des Christophorus vom Kefermarkter A_ltar_ widerzuspieg~ln, während etwas vom Bild der altersfnedlichen, harmomsch ausgewogenen Hochhügelwelt in San_kt Wolfgangs 1;1ilde_m, von stillem Glanz verklärtem Angesicht vermenschlicht ist. Scherzo Mitten durch die gartengleichen Gefilde Oberöster– reichs erstreckt sich ein dichtbewaldeter Höhenzug, der einen dachfirstähnlichen Rücken bildet und •sich nach bei– den Seiten in vielen Vorbergen in das wellige Hügelland auflöst: es ist der Hausruckwald, der in Stelzhamer seinen klassiscllen Schilderer seh1Pden hat. Als Leib eines Riesen (Schluß ouf Seite 51) 15
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