(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1950/51 , Heft 1

einem halben Ochsen, Wild und Geflügel. In Pfaffing halten napoleonische Soldaten in Reih und Glied die Ehrenwache. Die Braut erglänzt vor Schönheit. Das Geschehen des Wunders ist am besten in Kematen zu sehen. Dem „Nazarethhaus" begegnet man oft. Es wird zum Bild einer guten Familie und wird meist in die Krippe hineingestellt, ist aber nicht an den Weihnachtskreis allein gebunden und bleibt so nicht selten das ganze Jahr zu sehen. Beliebt war seine Ausstattung als bewegliches Krip– perl; da sitzt Maria am Spinnrad, ein Engel bewegt die Wiege, Josef hobelt und eine Magd pumpt Wasser am Brunnen vor dem Haus. Manch heimischen Zimmermann scheint die Dachkonstruktion gereizt zu haben (Gmunden, Museum 1836), dort kehren die Englein die Hobelseharten zusammen. In der Vorchdorfer Krippe sehen wir gar den Besuch der Großeltern im bäuerlichen Stübchen vor dem Kachelofen, wie es auch bei den nicht mehr aufgestellten ,,Verkündigungsszenen" (Volkskunde - Museum Laufen) einige Male zu sehen ist. Auch die im Innviertel noch dort und da übliche „Stei– nigung des Erzmärtyrers Stephanus" ist wie die „Adam– und-Ev,a-Gruppe" in sehr schönen Schnüzwerk,en zu sehen. Die „Heilung des Knechtes", die „Arbeiter im Weinberg", sind sehr selten (Neukirchen a. d. E.). An ihnen erkennen wir, wie das barocke Krippentheater nicht bei dem Weih– nachts- oder Osterkreis haltgemacht hat, sondern sich all– mählich sämtlicher Evangelien bemächtigte, wozu ein Auf– wand von viertausend Figuren (wie in Brixen) nötig wurde. Eine aus der Flucht entwickelte Spätstufe ist der „Wilde Wald" der Ebenseer, der bis zum Fasching als letzte Gruppe steht. Die Menge der Feste, die Dichte des Brauch– tums lassen oft kaum mehr Zeit, die Szenen mit den Evangelien zu wechseln, deshalb werden die T empelszenen auch neben der Krippe aufgestellt, wohl auch in die Krip– penmitte hineingebaut. Dieses wuchernde Leben mit immer weiteren Vergrößerungen der Krippe hat endlich so viel Wohnraum gefordert, daß zuletzt die Kinder unter der Krippe schlafen müssen. Auch gibt es Krippler, die in ihrer Leidenschaft schon vier oder fünf Krippen besitzen und von der Erwerbung einer sechsten träumen (Ort). Dieser Krippenfreudigkeit verdanken wir es, daß Oberösterreich als „eine der bedeutendsten deutschen Krippenlandschaf– ten" gilt (Depiny). Seit wann gibt es bei uns Krippen und wie kam es dazu? Unsere älteste erhaltene Krippe ist die „Dreikönigs– gruppe" in der Predella des St.-Wolfgang-Altares - sogar mit versetzbaren Figuren - aus der Michael-Pacher– Werkstatt, wiederum um ein Jahrhundert jünger. Die meisten "'nderen Predella-Krippen, wie in Attersee, in der Stiftssammlung Kremsmünster (Astl-Kreis), reichen schon weit in das 16. Jahrhundert. Das Stück in der Florianer Sammlung stammt aus Kitzbühel. Die von Kefermarkt (und die alte Rauchenödter?) ging verloren. Es fällt auf, daß sich in den Predellen keine „Weihnachtsgruppe" erhal– ten hat. Sie sind dafür als ein regelmäßiger Vorwurf, als Relief oder Malerei an allen Marienaltarflügeln zu sehen. Besondere Beliebtheit haben die Schnitzwerke in Kefer– markt mit der Nachfolge im Linzer Stadtmuseum und einer Wiederholung in Stein im Wiener Privatbesitz gefun– den, wozu noch Gampern und Hallstatt als Astl-Arbeit kommen. Das Astl-Relief in Altmünster wird nun wieder als Weihnachtsaltar aufgestellt. Ein weiteres, ebendort in Privatbesitz, ist 1509 datiert. Noch zahlreiche andere Stücke sind im Lande verstreut: die leider übermalten Tafeln im Pfarrhof in Schörfling und im Stift Krems– münster und die unbemalten in St. Nikola im Strudengau. Auffallend durch seine Beschriftung ist eine Dreikönigs– anbetung im Stifte Lambach. Auch die Altarreste von Zell am Pettenfirst sollen nicht unerwähnt bleiben. Die in Niederneukirchen sind etwas jünger und gehören schon dem 16. Jahrhundert zu, sind. aber durch die Erneuerung der Hintergründe nicht mehr ursprünglich. Ihnen schlie– ßen sich zeitlich die Reliefs der SchleiiSheimer Flügel an; Reste eines Altares, der von der Messerschmiedezunft um Anbetung der Könige. Kefermarkter Flügelaltar. Lichtbild:_ Archiv. 1520 gestiftet wurde. Von dem einstigen Waldzeller Flügelaltar kamen vier Tafeln in die Mehrnbacher Kirche, die durch ihre drastische, echt bayrische Erzählung den Frühbarock. dieser Jahrzehnte köstlich belegen. Zahlreich sind die Stücke insbesondere im Linzer Landesmuseum, so der vorzügliche Schlägler Kreis (um 1503), die Eggendorfer, Niederzirkinger und eine „Nachbaren"gruppe am Felde. Vielleicht als vollentwick.elte Krippenfiguren können Maria und ein prallplastisches Renaissance-Kind einer ehemaligen Leihgabe, d.eren Standort heute unbekannt ist, angespro– chen werden. Malerisch wurden diese Vorwürfe im Eggels– berger Altar des Meisters S. H. 1481 farbig reich gebracht, desgleichen in Eferding 1488 (Pfarrhof) und in Pesenbach (Seitenaltar). Eine schöne „Flucht" besitzt Stift Schlägl, auch Schlierbach und St. Florian können noch mit Tafel– bildern dieser Themen aufwarten. Endlich ist noch der Braunauer Bäckeraltar zu nennen, während zwei sehr schöne Stücke nach Wien ins Kunsthistorische Museum abgewahdert sind (Kremsmünstertafel um 1410, Mondseer Meister: Flucht um 1490). Eine interessante Übergangsform stellt der nieder– bayrische Flügelaltarrest in Lorch um die Mitte des 16. Jahrhunderts dar, der als einziger Beleg die Zeit der Bauernkriege und Glaubensspaltung überbrückt. Der Ab– sturz von der unübertreffbaren Höhe unserer heimischen, spätgotischen Schnitzkunst ist nicht zu übersehen, die neuen Formen zeigen sich grob und ungeschlacht an. Erst mit dem Sieg der Gegenreformation erhält auch der Krip– pengedanke wieder seine bewußte Belebung. In erster Linie durch die Jesuiten, denen bald die Benediktiner, wie in Kremsmünster, nachfolgen. Diese Blüte der Barock.krippe läuft im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts an und findet bereits 1677/78 in . dem lebensgroßen Dreikönigskrippen– altar in Gmunden die reife Spätentwicklung durch Thomas Schwanthaler aus Ried. Ihm folgt als letzter Ausklang der dem Zürn-Kreis nahestehende in Grünau. Der immer dichter werdende Strom von Krippenrechnungen in den Pfarrarchiven reißt nun nicht mehr ab und zeigt uns unter den vielen unbekannten manchen Meisternamen - wie schon in Kremsmünster 1637 - Hans Spindler aus Gar– sten. Der Strom erfährt erst eine zwangsweise Unter– brechung durch die Verordnung in den Achtzigerjahren des 18. Jahrhunderts, die die Krippen im Sinne des Jan– senismus und der Aufklärung als „theatralische Vorstel– lungen" verbieten. Diesem kaiserlichen Verbot verdanken wir die vielen „Weihnachtsbilder" in den Kirchen, wäh– rend die Krippen, aus ihnen verbannt, nun in den Bürger– häusern aufgestellt, bald Nachahmung und bis in das letzte Bauernhaus Verbreitung finden. Trotz Aufklärung ist aber der Krippenvorwurf geradezu unsterbliches Form- und Brauchgut in der beharrenden Volkskunst geworden. So liegt nach dem Ausklang der Hochkunst des Barocks die Knppenschnitztradition in den Händen oft ungelernter Krippler, die aus leidenschaftlicher Liebhaberei ihr Messer führen, bis es ihnen zum Berufe wird. Während in Tirol und im Deutschböhmerland im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Krippenkunst und -pflege auszusterben droht, verbindet sich der nun in der J-iochkunst des Barocks die Krippenschnitztradition in den Formgefühl unserer Alpler nicht nur zu beachtlicher, im– mer noch ausstrahlender Schnitzleistung, sondern auch zu letzter Krönung der Krippenkunst durch die Entwicklung eines großen, neuen Krippentyps: der Ebenseer Land– schaftskrippe. In ihr findet der genius loci des Salzkam– mergutes, der nicht zuletzt die reine Landschaftsmalerei der Donauschule ausgelöst hat, noch einmal durch einfache Schneck.erer und Krippler in ursprünglicher Form eine neue, schöpferische Bestätigung. über diese kultur- und religionsgeschichtlich noch gar nicht wirklich erkannte und gewürdigte Tat können wir, so wir uns ihrer nicht mehr länger verschließen wollen, mit Recht stolz sein. Die Ausseer Heimatkrippe stellt die letzte Entwicklung in moderne Übersetzung . des barock.zeitlichen Vorbildes dar. (Aus „Heimische Weihnachtskrippen" v. Otfried Kastner.) 11

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