(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1950/51 , Heft 1

(Funsetzuug von Seim 15) mag die Phantasie des Volkes den breiten, hohen Rücken geschaut haben, der auf dem umliegenden Hügelland, durch keine Tiefenlinie von ihm getrennt, zu ruhen scheint, ein dunkler Träumer. Wenn er im Schlummer seine Kräfte rührt - Bergrutsdrnngen in tief gelegener Schotterdecke, nennen es die Geologen -, so kann es wohl geschehen, daß ·er, der Riese Hausruck, Häuser von de; Stelle rückt. Dennoch lieben ihn die Menschen als einen guten Riesen, seit er ihnen einen Schatz verschenkt, der ihrer Wohlfahrt dient. Seit die mäd1tigen Kohlenlager, die in den Tiefen dieses Bergrückens ruhen, zur Zeit Kaiser Josefs II. ent– deckt worden waren, sind die Bergleute in das Land ge– kommen. Wolfsegg, ein in den Bauernkriegen heiß um– kämpfter Markt, berühmt als Aussid1tspunkt, ist zum Namensträger des zweitgrößten Kohlenreviers in Oster– reid1 geworden. Dieses Land der Bergleute ist aber auch die Heimat des Landlers, der in die Symphonie der ober– österreidüschen Landschaft das froh dahinstampfende Scherzo fügt. Das Hausruckviertel ist das Herz des „Lan– dels", dessen Schlag uns aus den Liedern des in Offen– hausen gebürtigen Dichters Hans Reinthaler grüßt. Bis zur Donau reicht dieser gesegnete Landstrich, bis zu den Hügeln von Aschad1, wo schon im frühen Mittelalter die Weinrebe gepflanzt wurde und wo nod1 in den Spätjahren des 18. Jahrhunderts die Lieder der Winzer von Ufer zu Ufer klangen. Das Bild der Traube, das der Markt Aschach in seinem Wappen führt, erinnert an die verklungenen Zeiten oberösterreichischen Weinbaus. Und die Rebe, "die man an der sonnigen Hauswand so manchen Bauernhofes grünen sieht, scheint diesen Zeiten nachzuträumen. Dod1 nur in heißen, regenarmen Sommern wird hierzulande die Frucht des Weinstocks reif und bleibt auch dann noch ohne rechte Süße. So füllen sich die Krüge in den Bauern– stuben und die Gläser auf den Wirtshaustischen mit dem zu Most vergorenen Saft der Apfel und der Birnen, die sich im Vorherbst vor den alten, oft schön geschnitzten und spruchverzierten Hauspressen zu ganzen Bergen tür– men. In Pausen heißer Feldarbeit, am Jausentisch im kühlen Hausflur oder auf sommerlicher Wanderrast im Schatten einer alten Wirtshauslinde läßt sich der Oberösterreicher sein Volksgetränk wohl munden, dem Herrgott still im Herzen oder laut mit einem Landlergstanzl dankend, daß er die Obstbaumfluren dieses „Landels" so reich gesegnet hat! (Fortsetzung von Seite 19) Lyrik hat kein Pathos, kein Fortissimo, nichts Aufwühlen– des, nichts Aufreißendes, keine hymnischen und keine choralen Töne. Sie ist zart und mild, lächelt, auch weh– mütig, ist besinnlich, versöhnend und weise, zuweilen schelmisch. Aus dem geringfügigen Spiel der Natur wie aus dem großen Theater der Welt weiß er tief menschliche Bezüge zu finden, um auch das Allzumenschliche zu ver– söhnen und zu befrieden. Und er ist den Frauen zugetan, wie nur ein ritterlicher Sänger. Groß und weit ist das Herz dieses Dichters, so schlägt es auch, in seiner Art, andäd1tig und ehrfurchtsvoll vor dem vielgesuchten, vielumrungenen Letzten und Höchsten, vor Gott. Was aus der Fülle des Geschenkten zerbrochen ist, sind einige wenige Gedichte, die beziehungslos in der Leere einer magisch-okkultistischen Irrlichterei hängen. Darunter leiden auch Ginzkeys Romane mit ihrer gesucht. verwor– renen, menschlich wenig berührbaren Handlung. - Anders der Vogelweider-Roman (1912), der mehr als Selbstaussage denn als gültige Verdid1tung einer geschichtlichen Persön– lichkeit aufschlußreich ist. Wie brüderlich nahe sind sich dagegen der Lyriker und der Novellist. Zumeist sind es Novellen um ein Frauen– schicksal, von einer lyrischen Zartheit und menschlich vor– nehmen Wärme und Innigkeit, meisterlich geformt, wie Finale Nach dem Inn, der seine Wasser an zwei der schönsten österreid1ischen Städte, an Braunau und Sd1ärding, vor– überträgt, ist das jüngste Viertel des Landes benannt, das sich erst 1779, nach dem Teschener Frieden, den älteren Gebieten Oberösterreichs zugesellte. Das Bild der furd1en– funkelnden Acker, die im Sommerjahr als goldene Weizen– und Gerstenfelder ins Unendliche zu wogen scheinen, der weit gedehnten Wiesen, wo die Halme kraftvoll schwell~n, der stolzen Bauernhöfe, die im Schatten laub- und früchte– schwerer Apfelbäume stehen, der Ställe, wo in langer Zeile schwere Rosse stampfen, nicht zuletzt das Bild der Klein– städte und Märkte, die behäbig breit in die Landschaft eingebettet sind, und der alten Landkirchen mit der Weit– räumigkeit ihrer Hallen: diese Bilder spiegeln das reiche Wesen des Innviertler Landes wider. Es wirkt wie ein Vor– klang zu der voll dahinrauschenden Lebensmusik des Inn– viertlers, wenn wir hören, daß die vorgeschichtlid1en Be– wohner dieses Landes mit allem Prunk bestattet wurden, in dem sogar die Rosse niemals fehlen durften. Der Inn– viertler ist im Lande Oberösterreich der größte und stolzeste Bauer, dem selbstbewußtes Lebensgefühl herri– sd1en Sinn verleiht. Vielleicht macht das zuletzt nicht auch der groß gewölbte, feierliche Himmel, dessen Abende voll ungeheurer Röten sind und dessen Nächte das Heer der Sterne in voller Macht erglänzen lassen. Ganz gewiß aber machen es die fruchtgesegneten Eb.enen, aus denen breit und sehr bedächtig Hügel steigen, deren sanfte Hänge ohne Mühsal beackert werden können, während in dem Blick des Pflügers, wenn er sich aufhebt, das Bild der Alpenberge schwingt, die aus dem Duft der Ferne blau ins Land der sd1weren Acker und der großen Forste grüßen, des Weil– harts und des Kobernaußer Waldes, und auch ins schwer– mütige Land der einsamen Seen des Ibmer Mooses. Land und Leute des Innviertels haben in Richard Bil– linger, dem in Sankt Marienkirchen bei Schärding gebo– renen Dichter, einen neuen Sänger von urtümlicher Sprach– gewalt gefunden, vor dem aber Franz Stelihamer, dieser gewaltige Rhapsode der oberösterreichischen Bauernerde, dieser fahrende Sänger des Volksgemütes, nicht in den Sd1atten ·tritt. Die Liebeshymne an die Heimat, die der Franz von Piesenham in seinem „Hoamatgsang" ange– stimmt hat, krönt noch immer das Finale einer oberöster– reichischen Landschaftssymphonie. andere Perlen deutscher Novellisten: Der Wiesenzaun (1913), Der Weg zu Oswalda (1924), Der selige Brunnen (1940) u. a. Groß ist der Dichter des Kinderbuches, weil er das Geheimnis seiner. rechten Wirkung entdeckt hat: 1aß für Kinder das Beste erst gut genug ist. Unvergänglich liebens– wert lebt Ginzkey mit diesen Büchern in den jungen und alten Herzen fort (Hatschi Bratschis Luftballon 1904, Flo– rians wundersame Reise 1928, Taniwani 1948). Und auf der „Reise nach Komakuku" (1923) begegnet jeder dankbar dem „Seltsamen Soldaten" (1925), der ihm das unvergeßliche Märchen vom alten Kaiserreich erzählt. Es ist wohl gut, daß diese Erzählungen mitunter so heiter sind - heiter im Tone Ferdinand Raimunds! -, denn wer noch lebt aus diesen Zeiten, würde sonst verhängnisvoll heimwehkrank werden. , Stellen wir sie noch einmal gegenüber, die beiden Achtzigjährigen, die Altesten der österreichischen Gegen– wartsdichtung. Hier die große Schöpferin des modernen historischen Romans, der sich zu einem Welttheater aus– weitet - dort der große Lyriker und Novellist, der wech– selweise auf beiden Instrumenten ein Meister ist. Sie reprä– sentieren, wie die Besten vor ihnen, in der Weltdichtung das eigentümlich Österreichische. 51

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2