(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1950/51 , Heft 1
Die oherösterreichische Wirtschaft im Jahre 1950 VON JOSEF KLEIN Ein landläufiges Sprichwort sagt: "Gut Ding braucht Weil'." Warum soll dieses Sprichwort nicht im besonderen Maße für die Entwicklung der gesamten Wirts.chaft eines Landes Geltung haben? Eine gesunde, gut fundierte, krisen– feste Wirtschaft bedarf einer jahrzehnte-, ja selbst jc_thr– hundertelangen steten Entwicklung und Anpassung an die jeweiligen Bedingungen und Erfordernisse. Es wäre daher vermessen, die Wirtschaftsentwicklung nur ·eines Jahres als selbstherrlichen Maßstab ·der Betrachtung zu wählen. Ein Jahresüberblick gleicht daher gewissermaßen einer entsprechend verlangsamten Zeitlupenaufnahme. Natur– gemäß wird erst die Mitberücksichtigung des bisherigen Ablaufes der Entwicklung die sich im Jahresquerschnitt darbietende Situation richtig beleuchten und etwaige Aus– blicke auf sich anbahnende weitere Entwicklungen ermög– lichen. Solcherart gesehen, bietet das Jahr 1950 auch .in Ober– österreich das Bild einer weiteren Konsolidierung der seit 1945 im Wiederaufbau, jedoch auch vielfach im Umbau begriffenen Wirtschaft. N achkriegsbedingte Hemmnisse und Einseitigkeiten sind weitgehend einer · normalisierten Friedenswirtschaft gewichen. Sowohl im Inland als auch zumindest im gleichstarken · Ausmaße ·im Ausland·· ist wiederum das eherne Gesetz von Angebot und Nachfrage mit seiner wirtschaftsregelnden Funktion in -Kraft getreten. Der Käufermarkt ist es wieder, welcher . die Produktion in weitgehendem Maße in Fragen der Spezialausführung , Qualität und - trotz gelegentlicher internationaler Preis– auftriebspsychosen - auch auf dem Gebiete der Preise beeinflußt. Es ist nunmehr das besondere Verdienst der heimischen Wirtschaft, daß sie sich diesen innerösterreichischen und internationalen Gegebenheiten elastisch anpaßt und sowohl innerösterreichisch als auch im besonderen Maße auf dem Gebiete des Exportes steigende Produktions- und Absatz– tendenzen aufweist. Dies kann im Zeitpunkt der Kredit– knappheit, der Lohn- und Preisschwierigkeiten nicht ge– nugsam anerkennend betont werden. Oberösterreich, das noch vor wenigen Jahrzehnten als ausgesprochenes Agrarland zu bezeichnen war, hat die Periode einer zeitweisen geradezu stürmisch zu nennenden Industrialisierung noch keineswegs abgeschlossen. Bei einem Vergleich des Beschäftigtenstandes in Oberösterreich in den Sparten Bergbau, Industrie und Handel im Jahre 1934 ergibt diese Steigerung, bezogen auf das Jahr 1950, die beachtliche Ziffer von ca. 300 Prozent. Wenn diese Ver– schiebung der Wirtschaftsstruktur Oberösterreichs zugun– sten der gewerblichen Wirtschaft bei derzeit ca. 2.100 Unternehmungen der Industrie, ca. 22.600 Unternehmungen des Gewerbes, ca. 13.000 Unternehmungen des Handels, ca. 5.300 Unternehmungen des Fremdenverkehrs, ca. 1.700 Unternehmungen des Verkehrs und ca. 450 Unternehmungen des Geld-, Kredit- und Ver- sicherungswesens, also insgesamt ca. 45.150 Betrieben, trotzdem ohne wesent– liche Erschütterungen vor sich ging, ist dies unter anderem der auf das gesamte Territorium Oberösterreichs sinn– und planvoll verteilten Standortewahl zuzuschreiben. Die natürlichen Kraftquellen der Traun und Enns samt Nebenflüssen sowie die geopolitischen Gegebenheiten haben es im Laufe der Entwicklung mit sich gebracht, daß außer größeren Massierungen von Industrien im Bereiche der Städte Linz und Steyr sowie im Vöcklabn,H;:k-Lenzinger Industrieraum keine geschlossenen Industriegebiete ent– standen sind. Ein durchaus gesundes Verhältnis zwischen Agrar- und gewerblicher Produktion bietet daher günstige Voraussetzungen für eine stabile Weiterentwicklung. Im Rahmen dieser Ausführungen ist nur ein kurzer Hinweis auf die wichtigsten oberösterreichischen Produk– tionssparten unter besonderer Berücksichtigung der export– intensiven Betriebe möglich. Die oberösterreichischen eisenschaffenden und eisenver-· arbeitenden Unte;nehmungen können auf einem durch Generationen traditionsgebundenen soliden . Fundament aufbauen. Der ausgezeichnete Ruf ihrer Qualitätserzeug– nisse sichert ihnen auch für das Jahr 1950 die bisherigen Absatzmärkte und ermöglicht weitere Exportausweitungen. Dies gilt gleichermaßen sowohl für die oberösterreichischen Sensen und Sicheln, Messerwaren, als auch landwirtschaft– lichen Maschinen, Textilmaschinen, Fahrzeuge, Kugellager usw. Die überragende Bedeutung der Vereinigten Oster– reichischen Eisen- und Stahlwerke schafft auch für künftige Ausweitungen eisenverarbeitender Betriebe günstigste Vor-. auss•etzungen. Eine glückliche Synthese zwischen verkehrsgeographi– scher Lage, Energiequellen und Rohstoffnähe begünstigt nicht nur die auf dem „Eisen" aufgebauten Betriebe, son– dern gleichermaßen die um den heimischen Rohstoff „Holz" geschlossen gruppierten Unternehmungen, wobei ebenso wie auf dem Eisensektor das Bestreben einer mög– lichst weitgehenden Veredlung besonders hervorzuheben · ist. Dies kommt z. B. bei der leistungsfähigen und äußerst exporti.ntensiven Papier-. und .Pappenindustrie, der Holz– hauserzeugung und ~er Holzwarenpr9duktion qffen~icht-. lieh zum Ausdruck. Ebenfalls auf der Basis „Holz.'.' baut_ die Zellwolle Lenzing ih~e an und für sich dem chemischen_ Getriebe angehörige Erzeugung auf, welche international längst nicht mehr als Ersatzstoff, sondern als vollwertiger Partner pflanzlicher Gespinste angesehen und begehrt ist. Die gleiche Ausschließlichkeit der österreichischen Er– zeugung wie Lenzing kann auch auf einem ganz anders gearteten Gebiet die in engstem Konnex mit der Rationali– sierung der oberösterreichiischen Wasserkraftwerke stehende Aluminiumerzeugung für sich in Anspruch nehmen. Die besondere Ausfuhrbedeutung der oberösterr~ichi– schen Bodenschätze, wie Salz, Kaolin und Bergkreide, ist ebenfalls zu erwähnen. · Die chemische Industrie mit ihrer Er:z,eugung von Stick'– stoffdünger, Ammoniaksoda, Zündwaren - um nur die wichtigsten Gruppen zu nennen - zählt ebenfalls zu den exportintensivsten Faktoren Osterreichs. Nicht v~rgessen sei die durch ehemalige sudetendeutsche Fachkräfte im Aufbau befindliche Glas- und Bijouterie– warenerzeugung, welche bereits beachtliche Exporterfolge aufzuweisen hat. Es ist ein sicheres Zeichen der Konsolidierung der inner- und außerösterreichischen Verhältnisse, wenn nun– mehr auch die aus Oberösterreichs Wirtschaft nicht weg– zudenkenden Erzeugungssparten für Leder, Textil und Bekleidung trotz wichtigster Aufgaben der Inlandsversor– gung ebenfalls allmählich daran gehen, ihre tradionellen ehemaligen Exportbestrebungen aufzunehmen. Daß Oberösterreich auch auf dem Gebiete der Nah– rungs- und Genußmittelbranche in mannigfaltigster Art vertreten ist, rundet den Eindruck eines einheitlichen ober– österreichischen Wirtschaftsgebietes ab. Welch wesentlicher Anteil der stete Ausbau der hei– mischen Wasserkräfte - ganz abgesehen von seiner gesamt– österreichischen Bedeutung - im speziellen an der ober- (Schluli auf Seite 29) 2?
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