(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1950/51 , Heft 1

Weitere Vertreter der gleichen Stilstufe waren der Pfennigberger Schmerzensmann und ein halblebensgroßer St. Wolfgang, beides Werke, die sich außerhalb Ober– österreichs in Privathand befinden. Als ein wahrhaftes Kleinod des heimischen Kunstbe.sitzes hingegen darf das Sitzfigürchen einer Mutter Gottes aus der Filialkirche von Pesenbach im oberen Mühlviertel gelten - ein vermutlich dem Passauer Kunstkreis entstammendes Werk, dessen zarte Innigkeit nur von einer schlechten Neufassung beein– trächtigt wird. Aber auch hier ist schon die Restaurierung gesichert. Aus der bislang ziemlich wenig bekannten Periode zwischen 1440 und 1470 zeigte die Ausstellung eine sehr bemerkenswerte Großplastik: die stehende Mutter Gottes aus Taufkirchen an der Pram. Künstlerisch nicht ganz so hochwertig wie die Figuren von Schlierbach und Inzers– dorf, ist die Plastik doch durch die Zartheit der Auffassung von ganz besonderer Wirkung. Die Madonna ist hier zur rein himmlischen Erscheinung geworden, die aus Wolken– höhen herab dem Betenden entgegenschwebt. Singende Engel blicken unter dem Saum ihres Gewandes hervor, während die Sichel des Halbmondes die Gruppe nach unten abschließt. Die Zeit der eigentlichen Spätgotik von 1470 ab war auf der Ausstellung neben zahlreichen anderen Werken durch die beiden Schreinwächter des Kefermarkter Altares und die kleinfigurige Predellagruppe des Flügelaltares von St. Wolfgang vertreten. Michael Pacher offenbarte sich in dieser Gruppe, die in der Originalaufstellung neben den wuchtigen Gestalten des Schreines leicht übersehen wird, als ein ausgezeichneter Meister der Kleinplastik, der seine Figuren mit einem feinen und liebenswürdigen Humor zu charakterisieren weiß (S. 22). Die Kefermarkter Schrein– wächter hingegen, die neben dem großen Kruzifixus des Steyrer Bürgerspitals standen, fielen in dieser Nach– barschaft erheblich ab: der Kruzifixus erwies sich als schlechthin dominierend. Dieser Eindruck spricht für die außerordentliche Qualität des Steyrer Werkes, in dem der Künstler ·nicht nur menschliches Leiden und Sterben, son– dern auch die erhabene Größe des den Tod überwindenden Erlösers zum Ausdruck gebracht hat. Sicher aber spielt bei diesem eigentümlichen Zurücksinken der Kefermarkter Figuren auch noch ein anderer Umstand mit. Während der Steyrer Kruzifixus keinerlei Spuren einer späteren Über– arbeitung zeigt und so - trotz einiger Beschädigungen - die ursprüngliche Intention des Künstlers noch überzeu– gend zum Ausdruck bringt, haben die Kefermarkter Schreinwächter durch die vor 100 Jahren erfolgte Rintsche Restaurierung doch erheblich gelitten. Namentlich der hl. Georg zeigt stellenweise eine unangenehm „neu– gotische" Glätte der Oberfläche, die bei der Aufstellung in der Kirche zwar kaum bemerkt wird, in der unmittel– baren Nachbarschaft eines unberührten Meisterwerkes je– doch sofort als Qualitätsminderung in Erscheinung tritt. Als eine wirkliche Neuentdeckung der Ausstellung darf das bislang nur in der engsten Fachliteratur veröffentlichte Großrelief eines Marientodes aus Neukirchen an der Enk– nach gelten, wohl die Arbeit eines Innviertler Meisters aus der Zeit um 1480. Heute noch durch einen millimeter– dicken ölfarbeanstrich entstellt, der die Locken und Finger der Figuren zu unförmigen Klumpen verklebt, läßt sich die wahre Qualität der Arbeit nur an dem etwas weniger stark übergangenen Antlitz der Madonna ablesen. Es ist zu hoffen, daß die bereits von Frau Gisela de Somzee in Angriff genommene Abdeckung zur völligen Wiederge– winnung dieses Werkes führen wird, das als ein hervor– ragender Vertreter der ausgesprochen expressiven Stilrich– tung der Spätgotik gelten darf. Aus der Zeit der ausklingenden Gotik und des Donau– stiles (1500-1530) brachte die Ausstellung mehrere Ar– beiten, die der Werkstatt des noch halb legendären Lien– hart Astl zugeschrieben werden, darunter auch die Pies– dorfer Mutter Gottes ;ms der Pfarrkirche in Gampern. Im gleichen Saal wie die Schlierbacher und Inzersdorfer Ma- donna aufgestellt, vermochte sich dieses Werk, das in einer wenig vortei~haften Fassung des 20. Jahrhunderts gezeigt werden mußte, trotz entsd1iedener handwerklid1er Quali– tät nid1t in jener Weise zu behaupten, wie dies die Einzel– aufstellung in der Kirche erwarten ließ. Als Beispiel einer erfolgreichen Wiedergewinnung eines liebenswürdigen Kunstwerkes sei dagegen die kleine Mutter Gottes aus der Friedhofskapelle in Lambach (S. 21) genannt. Als eine höchst eigenwillige Arbeit präsentierte sich schließlid1 das kleine Relief eines Marientodes aus der Filialkird1e Ober– rauhenödt bei Freistadt, das von Frau Gisela de Somzee in den Farben der Originalfassung erneuert worden war. Das Werk ist von einer Knorrigkeit und Sprödigkeit in der Bildung der Gesichter und Hände und zugleich von einer ornamentalen Wud1t der Faltensd1wünge, für die man in der heimischen Spätgotik vergeblich nach Ent– sprechungen sucht. Vielleicht liegen, wie K. Holter ver– mutet, Beziehungen zur Kunst des niederösterreichischen Waldviertels vor. Die tiefe Kluft, die zwischen dem Ausklingen der Spät– gotik um 1530 und dem Einsetzen des Frühbarocks im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts liegt, kam auch in der Ausstellung deutlich zum Ausdrudc Immerhin besitzt Oberösterreich aus dieser Zeit, in der die vordringende Reformation die kirchliche Plastik fast zum Erliegen brachte, ein überaus reizvolles Werk, das durch die Aus– stellung wohl erstmalig weiteren Kreisen bekannt wurde. Es ist dies die halblebensgroße Madonna aus der Filial– kirche St. Konrad bei Oberwang (S. 21). Die ausgezeich– net erhaltene Figur, die eine vorzügliche, aber kaum ganz originale Fassung besitzt, gehört der Zeit um 1600 an und zeigt eine eigentümliche Stilmisdmng, in der sich Züge der späten Gotik mit Elementen des Frühbarocks und einem fühlbaren Einschlag von seiten des italienischen Manieris– mus auf das glücklichste und harmonisd1este verbinden. Das Antlitz der Madonna ist von einem hohen , aber völlig unbewußten Liebreiz; das gleichfalls höchst anmutige Kind zeigt eine Freiheit der Auffassung, die ohne unmittelbare Kenntnis italienischer Vorbilder kaum denkbar ist. Das kostbare kleine Werk, das eine besondere Zimelie der Ausstellung bildete, wird kaum die Schöpfung eines hei– mischen Künstlers sein; seine Stileigentümlichkeiten scheinen nach Salzburg oder vielleicht noch weiter hinaus nach Bayern zu weisen, wo die Voraussetzungen für seine Entstehung bestanden haben könnten. Der Saal der F r ü h b a r o c k werke gab Gelegenheit zu aufschlußreichen Stil- und Qualitätsvergleichen. Die Arbeiten von Hans Spindler, Hans Heinz und Michael Zürn d. A.., mit denen in unserem Lande die Barockplastik ab 1620 einsetzt, sind noch durchaus rundplastisch empfunden und von entschiedener Körperlichkeit. Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aber setzt der Übergang zu rein malerisch-dekorativer Auffassung und damit die Ent– körperlichung der Figuren ein. Wie weit dieser Prozeß bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts gediehen war, zeigte in höchst anschaulicher Weise der Stilvergleich zwischen einigen Figuren Hans Spindlers und den daneben aufgestellten Hochaltarplastiken des jüngeren Michael Zürn aus der Stadtpfarrkirche in Gmunden (hl. Joachim und hl. Anna), bei denen die Körperlichkeit bis zur Attrappen– haftigkeit, zum bloß noch malerischen Schein verdünnt ist. Es wiederholt sich also im Barock ein ähnlic;her Vorgang, wie er schon den Entwicklungsgang der Gotik im 15. Jahr– hundert gekennz-eichnet hatte. Von · den beiden Haupt– meistern der zum Hochbarock überleitenden Entwicklung - Meinrad Guggenbichler und Thomas Schwanthaler - schnitt der letztere in der Gegenüberstellung mit seinem Rivalen nid1t günstig ab. Seine lebensgroße hl. Scholastika aus der ehemaligen Stiftskird1e Mondsee wirkte neben der tief und edel empfundenen Schmerzhaften Mutter Gottes Guggenbichlers (Pfarrkirche Lochen i. I.) (S. 21) eigen– tümlich seelenlos und fast grob im Handwerklichen. Daß aud1 das Werk Guggenbichlers selbst nid1t einer gewissen Problematik entbehrt, zeigten die beiden Großfiguren LinkSI oben: Einzelfigur v. d. Predella-Gruppe d. Flüg 1 erlaltars v. St. Wolfgang. Um 1480. Links unten: Hl. Sebastian. Ried i. I., Privatbesitz. Um 1720. (Schluß uuf Seite 50) Rechts oben: Hl. Florian a. d. Pfarrkirche Lochen i. I. Um 1709. Rechts unten: Gottvater a. d. Kirche St. Marien/Kremstal, Linz, Privatbesitz. Um 1700. 2]

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2