(Kulturzeitschrift) Oberdonau, 1. Jahrgang, Dezember 1941 - Februar 1942, Heft 5

Jun wollen wir aus den zahlreichen Bildwerken unse¬ res Gaues einige betrachten, um daraus zu erkennen, wie sich unser Dolk das Bild der Mutter gestaltet hat. Eine unserer ältesten Zolzplastiken, die mehr als 7oc Jahre zählt, ist eine Arbeit aus dem reichen Freistädter Raum mit noch alter, wunderbarer Bemalung. Es ist beglückend zu betrachten, wie wir nun keineswegs in eine kritiklose Nachahmung der bpzantinischen Vor¬ bilder (seit dem 7. Jahrhundert) verfallen, sondern wie sie schon ganz früh im eigenen Volkstum eingebaut werden; wie in diesen Köpfen eine tiefe, fast magische Ausdruckskraft lebt, so daß das östliche Vorbild nur mehr wie hinter einem Schleier zu ahnen ist. Das Zie ratisch=Dogmatische ist dem ersten zarten Tächeln der Mutter gewichen, die fremde, repräsentative Steife ist zu einer ernsten, geschlossenen Haltung geworden. Die bpzantinische unnahbare Göttlichkeit ist zu einer Müt terlichkeit umgeschmolzen, jenem scheuen Mutterstolz, dem wir noch heute im unsentimentalen schlichten We¬ sen mancher Alpenbäuerin mit ihrem warmen, treuen Zerzen begegnen, dieser in sich ruhenden Selbstsicher heit der einfachen, ergebenen Menschen (Egger=Lienz¬ Mütter!). In ihrer hohen, herben Geistigkeit zeigen sie oft den hohen Adel spätromanischer würdiger Rit¬ ter= und Nodergeschlechter. Die nach jzoo einsetzende Welle religiöser deutscher Innerlichkeit (Meister Eckehart) bringt ein neues Bild. das der „Maria im Wochenbett“. Unsere Arbeit ist etwa aus der Jeit um 1370 und soll aus Weißenkirchen in der Wachau in die Florianer Sammlung gekom men sein. Die Fertigung aus Ton macht die schöne Gruppe noch wertvoller. Fragen wir uns vor solch einer schlichten Arbeit einmal nach der geistigen Kraft, nicht nur nach technischen Problemlösungen in der Kunst unserer Zeit, so wird uns oft deutlich, wie verarmt und akademisiert, wirkliches deutsches Wesen entbehrend, die Arbeiten unserer Zeitgenossen noch viel ach sind. Jenes deutsche Wesen, das stets tief und Fründig und vor dem Großen fromm gewesen ist, innig und heldisch zugleich. Auf dem Wege über die Mpstik die wenigstens bei uns alles andere als körperver¬ zeinende Askese, wie wir bei dem Beispiel an Ton auf¬ gezeigt haben, bringt, kommt es vielmehr im Gegenteil zu dem ersten Einbruch einer keuschen Sinnlichkeit in der Madonnendarstellung. Nach so langer, strenger, flichtharter Kampfeszeit kommt gerade in unserem üdböhmischen Raume in den Jahrzehnten um 1400 licht ohne Auseinandersetzung mit slawischer Ver¬ träumtheit eine tppische Zofkunst auf, die aber bald ir großer Breite ins gesamte deutsche Volksgebiet aus¬ strömt. Das Bild der „Schönen Madonnen“ beginnt uns zu beherrschen. Das herrlichste Beispiel ist aus einem Krummauer Haus nach Wien ins Kunsthistorische Museum gekom 4 men. Doch besitzt unser Gau noch viele andere präch¬ tige Beispiele wie in Bad Aussee, Lauffen, Gojau, Tweras, das früheste Beispiel aus Wittinghausen in Deutsch=Reichenau u. a. mehr. Sie lassen uns oft selbst nach Verlust der zartesten Oberflächenbehandlung in er Feinheit der Fassung die wiegende, musikalische Schwingung ihres Leibes sehen, über dem nun quer und völlig nackt das Kind liegt. Es ist die Zeit der üßesten Frauendarstellungen. Ein Ideal, das in der blühenden jugendlichen Anmut, in der liebevollen Darstellung aller fleischlichen Schönheit soviel zarte Lieblichkeit einfließen läßt, daß wir hier das Jung¬ räuliche in der blumenhaften Jugendfrische, statt wie früher in einer mehr erhabenen Haltung verkörpert finden. Jiemals zuvor hat man das weichgepolsterte Körperchen des Kindes, in das die Mutterhand stützend greift, mit solch feiner Beobachtung und freudiger Zingabe zur Darstellung gebracht. Freilich bringt die¬ es neue Ideal — darüber müssen wir uns klar sein nehr liebenswerte Schönheit als Mütterlichkeit zum Ausdruck. Den rustikalen, alpenländischen Tpp dieser eit verkörpert in unserem Zeimatgau am entzückend¬ en die „Mutter zu Inzersdorf“ bei Schlierbach. Bei dem Anblick dieses „Magdelins“ mögen wir an das gleichzeitige Gedicht denken: Ich han mir userkoren ein minnecliche Maid die ist gar hoch geboren mins Zerzens Augenweid... (Unbekannter Dichter, Mitte des 18. Jahrhunderts.) Der bürgerliche Realismus in den folgenden Jahrzehn¬ ten bis zum Abbruch der altdeutschen Kunst bringt eine kaum überschaubare Fülle von Mütterbildern mit immer neuen Motiven und Einfällen. Bin heißer Strom des Lebens fließt durch diese Darstellungen in einem einzigartigen, stolzen Zusammenklang von deut chem Blut, deutscher Seele und deutscher Künstler¬ chaft. In einem breiten Erguß steigert sich diese gei¬ stige Schöpferkraft unseres Gaues nun, da sich das einst völlig fremde Mutterbild verdeutscht und ver¬ nenschlicht hat, zu letzter Reife. Seit dem Durchbruch deutsch=germanischer Denkungsart in Meister Ecke¬ harts Tagen ist die geistige Tat getan, auch der bil denden Kunst durch sie der weg geebnet. Aus der Fülle der Zeit um j44o sei das qualität¬ volle Figürchen in der Pesenbacher Filialkirche mit einem bestechenden Charm und seiner heiteren Musi¬ kalität als eine der besten herausgehoben. Aus der pätgotischen Zeit die lichte, schlanke Fraulichkeit Un¬ serer Zieben Frau zu Taufkirchen a. d. Dram, die zu Gampern und das herb=schöne Haupt der Pacherschen n der Krönungsszene in St. Wolfgang am See Strahlend wie ein Stern umfängt zum letztenmal am versinkenden Zimmel der Gotik alle Schönheit dieser Welt die Schutzmantelmadonna in Frauenstein bei Klaus. Ihr Meister ist der Ulmer Schwabe Gregor Schutsmantelmarin zu Frauenstein um 1515 von Gregor ErhartAufnahme Dr. Gustav Gugenbauer

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