(Kulturzeitschrift) Oberdonau, 1. Jahrgang, Dezember 1941 - Februar 1942, Heft 5

Aufnahme: Wilhelm Fettinger, Goisern Das Furchentragen Ein alter Bergbauernbrauch im Salzkammergu Unsere Soldaten sind dafür Zeugen, dal in den unendlichen Weiten der Sowjetunion große Strecken Landes ungenützt liegen. In den britischen Kolonien und in Amerika führt eine Überfülle des Bodenertrages dazu, daß kapitalistischer Geist jährlich ungezählte Tonnen vernichten läßt, um Preis senkungen zu verhindern. Der Deutsche aber muß in här tester Mühe dafür sorgen, daß nicht eine Krume kostbaren Erdreiches verloren gehe. Auch hier spiegeln sich zwe Welten. Die in der Raumnot eines Volkes begründete Arbei es „Furchentragens“ kann heute geradezu als Sinnbild jener natürlichen Ansprüche gelten, um deren Erfüllung willen Deutschland im riesenhaftesten Ringen der Weltgeschichte steh Einstmals bauten die Bergbauern des Salzkammergutes auf ihrer sleilen Ackern neben dem Korn den Lein und den Hanf; sc gewannen sie auf eigenem Grund und Boden außer dem läg lichen Brot auch die Pllanzenfasern zur Erzeugung der Stoffe für die Gewandung und für die Haus- und Bellwäsche. Um einen fruchlbaren Acker für die Saat zu schaffen, mußten die Berglehnen lleißig mit dem Pllug gewendel werden luch heutzutage wird auf dem steilen Bergland im Ilerbst und Frühjahr unter großer Mühe geackert, um die fruchtbare Erd mil Gerste, Weizen, Hafer oder Korn zu bestellen. Nur Lein¬ und Hanffelder werden in der Jetztzeit auf den Berglehnen de Salzkammergules nicht mehr angelegt. Das Pflügen auf den steilen, abschüssigen Ackerbreilen ist keine leichle Arbeit. Bevor das Ochsengespann mit dem Pllug über den Acker ziehen kann, wird an der unterslen, am liefsten gelegenen Grenze des Baulandes mit Haue und Schaufel in der Länge und Breile einer Ackerfurche der Rain abgegraben. So entstehl in waagrechter Richtung über dem Hang eine Boden slufe. Dann folgt das mühsame Werken mit dem Pflug, bis der braungelbe Lehmgrund des Berghanges in lauter geradlinige Furchen zerteilt ist. Oben am Ackerrand, wo das Pflugmesser die letzte Furche ziehl, das aufgeworfene Erdreich wendet und die Scholle nach abwärls umlegt, bildet sich im Boden eine Ver¬ tiefung, ein kleiner Graben in der Breite einer Furche Wollle man so auf steilem Boden alljährlich pllügen, würde am oberen Ackerrand allmählich der Graben breiter werden und das rdreich von Jahr zu Jahr um je eine Furchenbreite liefer 21 iegen kommen, so daß endlich im oberen Teil des Ackers die ruchtbare, lehmige Oberschichte verschwinden und sich am unteren Rande zu Hügeln häufen würde, denn jede Schollen¬ reihe, die der Pflug aufwirft, wendet er talwärts um. Die frucht bare Ackererde würde auf diese Weise allmählich von der Höhe ins Tal wandern. Der fruchtbare Boden ist im Bergland koslbar, weil sein Aus maß recht bescheiden ist. Darum wird das Erdreich, das bein Pflügen am unteren Rain ausgehoben wird, um für die erste Furche Platz zu machen, zum oberen Rand des Ackers zurück gebracht. Die neben der ersten Furche aufgehäuften Rasenziegel und die lehmige Erde werden über die steile Berglehne aufwärt: getragen und in den Graben gelegt, der sich beim Aufwerfer der letzten Schollenreihe bildet. So wandert der Acker des Bergbauern alljährlich um eine T'urchenbreite nach abwärts und das Erdreich am unteren Rain wird nach dem Pflügen wieder bergauf gebracht Ist das Ackern vorbei, dann kommen abends aus der ganzer Nachbarschaft Männer, Frauen, Burschen und Mädchen zum Furchentragen („Furitragen“) zusammen, denn gemeinsam is diese Arbeit leichter zu bewältigen. So wandern im dämmernden Abend mit Buckelkraxen, Körben und anderen Tragvorrichtun¬ gen die Bergbauern über die Hänge hinauf. In wahrer Gemein schaftsarbeit tragen sie die Ackerschollen, die heilige Heimat erde, die Lebensspenderin Das Furchentragen ist wichtig, um die Acker auf den Berg lehnen in Ordnung zu halten. Das wissen der Bergbauer und die Seinen. Ist das Werk vollendet, dann lädt er alle freiwilliger Helfer und Helferinnen zu sich in die geräumige Stube. Dor werden sie mit einfacher Kost, dazu mil Most oder Schnap bewirtet. Bei Scherz und allerlei Kurzweil, bei Sang und Klang auch bei mancher sinnigen Aussprache über alle Geschehniss wird das Furchentragen, bei dem sich nachbarliches Zusammen halten bewährt, beendet. Und wenn nächstens beim Nachbar ge¬ ackert wird und die Ansage herumgeht, daß der Acker uinge¬ brochen ist, dann kommen sie alle wieder, die Jungen und die lten, zusammen und tragen die braune Heimaterde den Berg hinan So war es in vergangenen Zeiten. Heutzulage wird die Acker erde auf zweirädrigen, ochsenbespannten Karren über die Berg lehnen hochgeschafft und nur mehr ganz sellen wird auf der steilsten Lehnen die umgebrochene Erde von den Bergbauern selbst über den Acker getragen Karl Pilz, Goisern Zu Seite 16 und 17: KOPFE AUS OBERDONAU Lichtbilder von Hans Wöhrl 15

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