(Kulturzeitschrift) Oberdonau, 1. Jahrgang, Feber-März 1941, Heft 1
Mittagsrast des Zimmermanns kehlig, aber doch so, daß sie in einzelnen Wörtern zu verstehen waren. Sie hatten auch andere Gesichter, als sie hier an dem Alpenrand an der Donau zu Hause sind aber wieder nicht solche, daß man hätte sagen müssen es seien fremde Gesichter. In manchem sogar schienen mir die Gesichter bekannt, als ob ich sie schon einmal gesehen hätte, und als ich den Zug entlang ging, war mir, als könnte ich mich genau erinnern, daß mir das eine oder andere Gesicht schon vorgekommen war, aber nicht aus heutigen Tagen, sondern in der feierlichet Tracht früherer Zeit, unter Harnisch, Samt und schweren Zauben. Und dann wußte ich plötzlich auch Namen ür die Gesichter, längst verschollene, und daß die Ge ichter auf Bildern der niederländischen Schule gemalt waren, und mir nun nur das Leben die Bilder auf se eltsame Weise ins Gedächtnis geschoben hatte. Die Kinder waren holländische Kinder. Der Gau Oberdonau hatte sie eingeladen nach den schweren Wochen des Krieges, der über ihr Land gegangen war, und er hat hier wohl im Gedenken an jene Zeit vor zwanzig Jahren gehandelt und eine Guttat durch eine Guttat wieder vergelten wollen. Er hat die Kinder eingeladen in ein Plastik von A. Wagner von der Mühl zufriedenes und ruhiges Land, das, ob es gleich auch unter dem Gesetz des Krieges steht, doch eben zufrieden und ruhig ist und so, daß niemand in ihm ist, der sich nicht satt essen könnte. Die holländischen Kinder wurden darum, gleich nachdem sie angekommen waren, auf ein Waage gestellt, und ihr Gewicht mußten sie auf einem Bogen, den jedes von ihnen bekam, aufschreiben. Das Wort Kilo war ihnen fremd, sie lachten darüber. In¬ zwischen haben sie es gewöhnt, so zu rechnen. Gestern, an einem Sonntag im frühen September, sind sie wieder gewogen worden. Als ich an dem Flusse Aist baden war, wohin sie auch immer kommen um die gleiche Zeit kamen sie aus dem Grund ein wenig später als sonst. Sie kamen von dem Zeim für Nationalsozialistische volkswohlfahrt her, denn dort steht die Waage, und ie sagten mir, wieviel sie zugenommen hatten. Die Mädchen, die bei uns wohnen, sind Geschwister Sie heißen Leni und Treesje Bierman. Leni ist vier¬ zehn, Treesje ist zwölf Jahre alt. Ihr Vater, Zerr Bierman, das sagte Leni mir gestern, ist jetzt als Thauffeur angestellt bei der deutschen Wehrmacht zuvor war er Privatchauffeur und war sechs Jahre
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